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WIEN/ Staatsoper: DIE FRAU OHNE SCHATTEN. Premiere

am 25.5. (Heinrich Schramm-Schiessl)

25.05.2019 | Allgemein, Oper


Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

DIE FRAU OHNE SCHATTEN – Premiere Staatsoper am 25.5.2019
(Heinrich Schramm-Schiessl)

150 Jahre ist sie nun alt, unsere Wiener Staatsoper am Ring. Hatte man 1969 das Hundertjahr-Jubiläum zwar mit einer glanzvollen Ausstellung in der Hofburg aber ohne festliche Premiere, sondern mit einem Überblick über das damals aktuelle Repertoire gefeiert, so gibt es heuer am Jubiläumstag selbst die Premiere eines Werkes, das in diesem Jahr selbst ein Jubiläum feiert. Vor hundert Jahren, konkret am 10.10.1919, wurde die „Die Frau ohne Schatten“ als einziges Werk von Richard Strauss im Haus am Ring uraufgeführt. Es war daher klar, dass da heuer inn jedem Fall eine Neuinszenierung stattfinden muss und es wäre nicht Wien, gäbe es hiezu nicht eine durchaus skuril anmutende Vorgeschichte. Ursprünglich war Alvis Hermanis als Regisseur vorgesehen, aber nach dem Desaster des „Parsifal“ zog Direktor Meyer die Notbremse und löste den Vertrag. Daraufhin kam es – um aus einem anderen anderem Strauss-Werk zu zitieren – zu einer typisch wienerischen „Kreuzerkomödie“. Irgendwer setzte das Gerücht in die Welt, dass es nun keine Neuinszenierung sondern lediglich eine Neueinstudierung der Carsen-Inszenierung von 1999 geben werde. Obwohl jedem klar sein mußte, dass ein derartiges Unterfangen eine Riesenblamage wäre, hielt sich das Gerücht mit einer Beharrlichkeit bis eine Woche vor der Spielplan-Pressekonferenz dieser Saison. Bei dieser präsentierte der Direktor dann ein für Wien bis dahin unbekanntes französisches Regieteam.

„Die Frau ohne Schatten“ ist, obwohl sie weder die Kühnheit der „Elektra“ noch die Popularität des „Rosenkavalier“ hat, das wahrscheinlich wichtigste Werk des Komponisten und stellt den Höhepunkt seiner Zusammenarbeit mit dem genialen Dichter Hugo von Hofmannsthal dar. Ein Märchen sollte es sein, eine zweite „Zauberflöte“ wolle er schreiben, sagte Strauss gerne. Natürlich wurde es das nicht, sondern ein hochpsychologisches und von großer Symbolik, die sich auch in den Leitmotiven der Partitur niederschlägt, geprägtes Drama, allerdings mit scheinbar positivem Ausgang. Dabei ist die Handlung überhaupt nicht so „verwirrend“ wie oft behauptet wird, man muss nur den Text, der zugegebener Maßen nicht einfach ist, genau lesen. Die Musik ist für die damalige Zeit zwar nicht mehr kühn aber von grosser Emotionalität. Die Leitmotive sind klar strukturiert und bleiben schon nach dem ersten Hören im Gedächtnis haften. Strauss sind, auch wenn er sich manchmal auch selbst zitiert, wunderbare Melodien eingefallen. Beispielhaft seien nur das „Mir anvertraut“ des Barak oder – für mich einer der berührendsten Aktschlüsse überhaupt – der Gesang der Wächter am Ende des 1. Aktes genannt.

Nun haben wir das Werk also endlich wieder im Repertoire der Staatsoper und die Produktion muss in der Gesamtsicht als gut bewertet werden, wobei das Hauptereignis des Abends im Orchestergraben stattfand. Was Christian Thielemann mit dem Staatsopernorchester da zum klingen brachte war großartig. Egal ob es imposante Entladungen oder die zartesten Pianissimo-Stellen waren, alles klang wie selbstverständlich und als ob die Realisierung dieser schwierigen Partitur das einfachste auf der Welt wäre. Trotzdem blieb der Orchesterklang transparent, sodass die Sänger nie zugedeckt wurden. Dazu kam natürlich noch, daß er einen grossen Bogen über den ganzen Abend spannen konnte. Das Orchester las ihm jeden Wunsch von den Augen ab und spielte wieder einmal „auf der Sesselkante“.


Camilla Nylund (Kaiserin). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Die Sämger waren im gesamten gesehen gut, allerdings mit Abstrichen. Die beste Leistung des Abends bot für mich Stephen Gould als Kaiser. Natürlich, ich kenne ihn als verlässlichen Sänger, aber eine derartige Leistung hätte ich ihm nicht wirklich zugetraut. Man hatte nie das Gefühl, dass er mit dieser immens schwierigen Partie – wahrscheinlich die schwierigste Tenorpartie die Strauss geschrieben hat – kaum Probleme hatte.Die Höhen kamen sicher und auch sonst stimmte eigentlich alles. Lediglich gestalterisch wirkte er etwas lethargisch, aber das liegt auch an der Rolle. Ebenfalls überrascht hat mich Camilla Nylund als Kaiserin. Sie sang die Partie sehr schön auf Linie und hatte mit der nicht einfachen Tessitura nicht wirklich Probleme. Nur in den daramtischen Stellen wäre etwas mehr Kraft von Vorteil gewesen. Darstellerisch konnte sie durchaus überzeugen. Dem gegenüber war ich von Nina Stemme, eine Sängerin die ich an sich sehr schätze, als Färberin etwas enttäuscht. Sie sang zwar durchaus intensiv aber die extremen Höhen wirkten zeitweise mehr geschrien als gesungen. Wobei bei mir wahrscheinlich mitspielt, dass ich die aus dem Mezzofach kommenden Färberinnen lieber habe, weil dieser Stimmtypus besser zum Charakter dieser Rolle passt. Darstellerisch hätte ich mir von ihr mehr Emotionen gewünscht..Evelyn Herlitzius sang mit der ihr eigenen Stimme eine sehr gute Amme und konnte wieder einmal durch ihre Persönlichkeit punkten.Am wenigsten gefallen hat mir Wolfgang Koch als Barak. Einerseits klang die Stimme eher flach und beiläufig und andererseits konnte er überhaupt nicht rühren. Sebastian Holecek war ein durchaus stimmgewaltiger Geisterbote. Ordentlich das Trio der Brüder des Färbers – Samuel Hasselhorn, Ryan Speedo Green und Thomas Ebenstein – sowie in den kleineren Rollen Maria Nazarova (Falke und Hüter der Schwelle), Monika Bohinec (Stimme von oben) und Benjamin Bruns (Jüngling). Der von Thomas Lang einstudierte Chor entledigte sich seiner Aufgabe ebenfalls gut.

Kommen wir nun zur Inszenierung und hier wird es schwieriger als ich nach dem 1. Akt angenommen habe. In diesem 1. Akt verfolgt Regisseur Vincent Huguet nämlich die Intentionen von Richard Strauss und inszenierte das Stück märchenartig. Auch wenn eine Personenführung wenn überhaupt, so nur in Ansetzen vorhanden war, hatte man das Gefühl mit dieser Inszenierung „leben“ zu können. Das änderte sich im 2. Akt. Da ist dem Regisseur sein Konzept irgendwie entglitten. War es Angst vor der eigenen Courage oder schlichtweg Einfallslosigkeit, aber plötzlich tauchten immer wieder nicht verständliche Elemente auf. Vor dem Falknerhaus lagen Unterstandslose oder Verwundete – genau war das nicht auszumachen – , die Szene im Schlafgemach der Kaiserin spielte zum Teil vor dem Zwischenvorhang und wurde so völlig verschenkt und das dramatische Finale des Aktes blieb völlig wirkungslos. Im 3. Akt ging es dann mit Merkwürdigkeiten weiter. So spielt die erste Szene nicht in zwei Einzelkammern sondern in einem Gefängnis oder Lager und ganz besonders schlimm wird es bei der Szene der Kaiserin an der Quelle des Lebens. Zunächst findet auch diese Szene vor dem Zwischenvorhang statt, auf den ein Wasserfall projeziert wird und als sich der Vorhang dann wieder öffnet, ereignet sich auch praktisch nichts. Das Bühnenbild von Aurélie Maestre war zwar etwas eintönig aber eigentlich praktikabel. Etwas mehr Farbe hätte nicht geschadet. Diese fand man allerdings in den Kostümen von Clémence Pernoud. Wozu es einen eigenen Lichtdesigner gibt, habe ich mich allerdings gefragt. Die Kaiserin und die Amme warfen den ganzen Abend über einen Schatten und dann, als der Schatten auch in der Musik vorkommt, passiert praktisch nichts.

Am Ende gab es viel Jubel für alle, besonders natürlich für Thielemann. Ein einsamer Buhrufer vor dem 3.Akt sorgte für Unverständnis.

Heinrich Schramm-Schiessl

P.S.: Vor Beginn der Aufführung trat Direktor Meyer vor den Vorhang und würdigte das 150 Jahre alte Haus. Irgendwie klang es auch schon nach einer ersten Abschiedsrede.

 

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