WIENER STAATSOPER: „DIE FRAU OHNE SCHATTEN“ am 23.3.2012
Dieses Werk von Richard Strauss gehört zu den größten Eingebungen des Komponisten, aber es verlangt selbst von den großen Häusern alles ab. Wohl darum steht es eher selten auf dem Programm. Wenn man die psychoanalytische Deutung von Robert Carsen akzeptiert, wird man sie überzeugend finden, auch wenn die Premiere bereits 13 Jahre zurückliegt. Carsen hat nämlich die Aussage des Librettos deutlich herausgearbeitet. Wenn man an das Bühnenmäßige Nichts der vorjährigen Salzburger Festspiele denkt, erst recht.
An der Staatsoper leitete Franz Welser-Möst die Neueinstudierung. Seine Interpretation trifft die Vielseitigkeit und die Ausdrucksgewalt der Partitur, ebenso hat sie Glanz, Wärme und Farben, er lässt Gefühle ausschwingen und gibt den verinnerlichten Stellen Raum, die Orchesterstellen gibt er Kraft zum großen Ausbrüchen. Die fabelhaften Philharmoniker vermögen im Nu in ein zartestes Piano zu wechseln, die Sänger werden nie in den Klangwogen ertränkt. Wieder einmal ist man überzeugt, dieses Orchester wie das weltbeste, nicht nur für Richard Strauss.
Die Besetzung war fast durchwegs hervorragend. Der Kaiser ist, ähnlich wie der Bacchus, für Tenöre eine schwierige Aufgabe. Es scheint wirklich so, dass der Komponist Tenöre nicht so recht mochte. Robert Dean Smith ist auf der Bühne zumeist ungünstig, weit hinten, positioniert. Aber er hat keine merklichen Probleme mit seiner Partie. Er hat ein schönes Timbre, dazu frei strömend. Natürlich ist das Rollenprofil dieser Rolle, das eines eher passiven Mannes.
Reine Freude schenkt Adrianne Pieczonka als Kaiserin. Sie überstürzte nichts in ihrer Karriere und ließ sich Zeit die Stimme reifen zu lassen. Für unsere Zeit der kometenhaften Aufstieg und schnellen Abstürze eigentlich eine Ausnahme. Sie hat strahlende Höhen, genügend Kraft und Ausdruck, eine schöne, reine Linie, wunderbare Strauss’sche Aufschwünge, eine liebe Bühnenerscheinung. Exemplarisch sei eine Stelle genannt, wo ihre Vorzüge deutlich zur Geltung kamen, es war „Vater, bist du’s“. Das war zauberhaft.
Mir scheint, auch gegenüber dem Vorjahr in Salzburg, dass sich Wolfgang Koch vorzüglich weiterentwickelt hat. Seine Stimme hat eine satte
Fülle, Wärme, ein balsamisches Strömen. Barak lässt sich von seiner unzufriedenen Frau sehr viel gefallen, er bleibt gütig und geduldig. Das ist
auch in seinem Singen deutlich hörbar. Koch braucht den Vergleich mit früheren Sängern nicht zu scheuen. Alle seine Vorzüge fanden im „Nun will ich jubeln, wie keiner gejubelt“ einen Höhepunkt. Zu Recht bekam er den stärksten Beifall des Abends.
Evelyn Herlitzius war sein Weib. Sie agiert und singt mit unglaublicher Intensität und mit vollem Einsatz diese verbitterte Frau, bis die Liebe des Barak ihren Panzer bricht und sie zur Leibe findet „Gattin zum Gatten! Einziger mir“. Sie ist alles andere als eine Schönsängerin und man könnte manches dazu anmerken. Sie überzeugt letztlich durch ihren einmaligen, vollen Einsatz.
Für ihr Staatsoperndebüt wählte Birgit Remmert wohl die falsche Rolle. Ihre Amme wurde vielfach kritisiert. Es stimmt schon, ihre Tiefe klingt recht stimmschwach und sie hat immer wieder ein deutliches Vibrato. Als Geisterbote war Wolfgang Bankl auf der positiven Seite. Gut waren die drei Brüder, besetzt mit Adam Plachetka, Alexandru Moisiuc, Norbert Ernst. Bei den restlichen Rollen hatten insbesonders die Damen oft mehrere Rollen zu singen.
Nach den Pausen gab es bereits Bravorufe für den Dirigenten und zum Schluss, für eine Abo-Vorstellung, starken, mit vielen Bravos vermischten Beifall. Das Orchester hat sich ein Extra-Bravo verdient.
Martin Robert BOTZ