WIENER STAATSOPER: DER ROSENKAVALIER am 17.1.2013
Dieser Rosenkavalier war wieder einmal einer dieser denkwürdigen „dritten Vorstellungen“ – die Startprobleme (zum Glück auch die gesundheitlichen Indispositionen) waren überwunden und etwaige Schlampereien haben sich noch nicht eingeschlichen. Am deutlichsten war diese positive Entwicklung aus dem Orchestergraben zu hören. Nach den Unzulänglichkeiten bei Tempo, Temperament und Lautstärke in der ersten Vorstellung wurden wir gestern von Jeffrey Tate und von den Philharmonikern wieder mit einer Interpretation verwöhnt, bei der die vielen Vorzüge dieses begnadeten Orchesters voll zur Geltung kamen. Schon nach den ersten Takten wusste man dank der unvergleichlichen Hörner, dass man in Wien ist. Die Holzbläser schwelgten in Wohlklang, die Streicher glänzten und der absolute Höhepunkt war – wieder einmal – der außerirdische letzte Ton des ersten Aktes von Konzertmeister Rainer Küchl. Der Klang war diesmal so sensationell, dass erstmals in der Serie niemand verfrüht hineingeklatscht hat – ein Erlebnis!
Angela Denoke ist nach zwei sehr guten nun eine hervorragende Interpretation der Feldmarschallin gelungen. Technisch perfekt in allen Situationen mit wunderbaren, getragenen Strauss-Bögen beeindruckt sie mit besonders schöner Stimmfärbung in der tiefen Mittellage.
Stephanie Houtzeel entwickelt sich sehr gut, spielt den Oktavian erstklassig, neigt aber nach wunderschönen lyrischen Momenten und tollem Forte in manchen Passagen zu starkem Forcieren – da werden dann technische Ungenauigkeiten hörbar – hier wäre weniger mehr. Unfair – aber leider nicht zu ändern – ist, dass man immer die großen Rollenvorgängerinnen (Kirchschlager, Koch und Garanca) im Ohr hat – dagegen ist für eine aufstrebende Interpretin schwer anzusingen!
Eine deutliche Steigerung war auch bei der Sophie von Sylvia Schwartz zu hören. Nach der ziemlich verunglückten Schlussszene in der ersten Vorstellung war gestern gerade diese Szene der letzte Höhepunkt. Der gemeinsame Klang der drei Frauenstimmen ist gut gelungen, die erhöhte Lautstärke im Terzett erlaubte bei drei so Forte-sicheren Interpretinnen einen beeindruckenden Klangrausch, bei dem die einzelnen Orchestergruppen ungebremst gestaltet werden konnten. Die Rosenübergabe wurde diesmal sehr konzentriert und daher auch exakt und schön gesungen. Es fällt auf, dass Sylvia Schwartz, nach sehr schönen Passagen in der Mittellage, öfters in eine weniger schöne („blecherne“) Stimmfärbung verfällt – das beeinträchtigt den Gesamteindruck, wurde aber mit jeder Vorstellung etwas weniger störend.
Auf die Rolle des Ochs auf Lerchenau wird in Wien ganz besonderes Augenmerk gelegt. Peter Rose erfüllt alle gesangliche Anforderungen sehr gut, ist erstaunlich wortdeutlich und wird sicher überall anders auf der Welt als hervorragender Ochs bejubelt. Als Engländer bleibt ihm jedoch die verschlagene Schlampigkeit und die überhebliche „Herablassung“ fremd; er wirkt niemals so unsympatisch wie der temperamentvolle Kurt Rydl und bleibt daher etwas blass und statisch.
Das genaue Gegenteil ist der Faninal von Clemens Unterreiner. Stimmgewaltig und spielfreudig stellt er einen selbstbewussten Waffenhändler (korrekt und unschuldig wie Mensdorff-Pouilly) dar, überspielt seinen Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem Hochadel sehr erfolgreich und macht diese Hauptfigur nicht zur Parodie oder zum Kasperl.
Sehr gut besetzt waren auch in dieser Serie wieder die kleineren Rollen, die für die kurzweilige Unterhaltung während der fast viereinhalb Stunden dauernden Vorstellungen so wichtig sind. Michael Roider spielt nicht den Valzacchi – er ist es und er hat mit Ulrike Helzel eine gute Annina an seiner Seite, die vielleicht etwas zu viel wollte – auch hier wäre etwas weniger mehr. Caroline Wenborne präsentiert die Leitmetzerin stimmlich souverän und darstellerich sympathisch und authentisch – Ihre Paraderolle!
Sehr schwer tun wir uns beim Bericht über den Sänger. Norbert Ernst hat uns in letzter Zeit sowohl als Meistersinger-David wie auch als Ariadne-Tanzmeister begeistert und er hat auch die italienische Arie fehlerlos gesungen: Trotzdem – uns hat er nicht gefallen; sein Ausdruck und seine Stimme passen einfach nicht zu dieser Arie – wir leiden, weil wir ihn mögen!
Nach Ariadne auf Naxos und Rosenkavalier mit sehr unterschiedlichen Eindrücken aus dem Orchestergraben freuen wir uns schon sehr auf unseren persönlichen Höhepunkt der heurigen „Strauss-Festspiele“: Salome mit Peter Scheider am Pult. Da sollte nichts schiefgehen – das Schwelgen in den „Straussschen Klangwogen“ ist vorprogrammiert.
Maria und Johann Jahnas