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WIEN/ Staatsoper: DER ROSENKAVALIER

21.10.2013 | KRITIKEN, Oper

Wiener Staatsoper, Der Rosenkavalier – 20. Oktober 2013

Viel medialen Wirbel gab es zuletzt bezüglich der Einführung von Internet-Live-Streams für Aufführungen der Wiener Staatsoper. Ohne jetzt näher auf diese neue Kommunikationsform und Möglichkeit der „Konsumation“ von Opernabenden über den heimischen PC eingehen zu wollen, beweist die aktuelle Serie des Rosenkavaliers (dessen Aufführung am 27. Oktober die erste derartige Übertragung sein wird), dass damit auch positive Begleiterscheinungen einhergehen. Denn offensichtlich (und hoffentlich für immer) sind nun die Zeiten „ungeprobter“ Reprisen im Repertoirebetrieb endgültig vorbei und es wird einer sorgfältigen szenischen Gestaltung das nötige Augenmerk gewidmet, zu viel internationale Reputation steht nunmehr auf dem Spiel! Bei der Uralt-Inszenierung Otto Schenks, die unlängst erst neu aufgefrischt worden war, sah man daher wirklich lebendiges Musiktheater in seiner besten Form. Besonders der erste Akt gelang am ersten Abend dieser Serie überzeugend, Verbesserungspotenzial konnte man hingegen noch bei den Szenen mit dem Lerchenauischen Personal im zweiten Akt erkennen.

Was die Personenführung der Solisten anging, war die Sorge von Haus aus gering, denn Routiniers wie die leider nur selten in Wien gastierende Renée Fleming (bisher an der Staatsoper erst in drei Produktionen zu sehen, nämlich vor 18 Jahren in Don Giovanni und „Nozze“ sowie als Gräfin in Capriccio zuletzt im Vorjahr, ihre Feldmarschallin war also ein Wien-Debüt), die Französin Sophie Koch als Octavian und Peter Rose als Ochs sind Rosenkavalier-erprobt. Dazu kamen Mojca Erdmann als Sophie und der Herr Faninal von Adrian Eröd. Ein Traumensemble für den Richard Straus-Klassiker!

Trotzdem sind auch solche Luxusbesetzungen wie diese in der heutigen Zeit nicht unbedingt Selbstläufer, manchmal geht man trotz aller großen Namen mit einem schalen Gefühl nach Hause. Nicht aber nach diesem Opernabend. Und dafür war vor allem auch der Mann am Pult, sowie die Damen und Herren im Graben verantwortlich: Denn was Adam Fischer mit den Philharmonikern diesmal zu Gehör brachte, war wirklich zum Niederknien schön. Kräftig packte er zu Beginn des Vorspiels zu, um dann fließend in eine post-koitale Schwärmerei zu gleiten, die Tempi wechselten in der Folge öfter als gewohnt, aber immer zur Stimmung passend. Dazu Highlights wie das Solo des Konzertmeisters Rainer Küchl am Ende des ersten Aktes oder die Generalpause beim „Ecco“ und den perfekt einsetzenden dröhnenden Kontrabässen – Gänsehaut!

Dass Renée Fleming in sängerischer Hinsicht eine „primadonna assoluta“ ist, dürfte wohl unbestritten sein. Dass sie aber das Psychogramm der alternden Dame, der gerade der Liebhaber abhanden kommt, so nachdrücklich darstellen kann, konnte man von ihr nicht unbedingt erwarten. Mit ihrer profunden Pianokultur brachte sie das Publikum schon in ihrem Monolog ins Schwärmen, drei Vorhänge vor der ersten Pause sprechen für sich! Ihr Quinquin zeichnete sich durch forsches Draufgängertum aus, Sophie Koch ist für mich der unterschätzteste Octavian der Gegenwart. Gewaltig wie sie aufdrehen kann, im Spiel mit Fleming sitzt jede Geste, jede Berührung, jeder Blick.

Einen Baron Ochs auf Lerchenau als Engländer in Wien zu singen ist wahrlich kein Lercherl, zu viele berühmte Namen und lokale Größen kennt das Publikum. Aber Peter Rose machte dies im wahrlichsten Sinn des Wortes in der einzig richtigen Art und Weise: Er SANG ihn! Wenn es in den tiefen Keller ging, fühlte er sich zwar nicht ganz so wohl und verschenkte den einen oder anderen Ton, aber in der Höhe strahlte sein Bassbariton umso mehr. Der Verzicht auf Outrage und allzu peinliche Auftritte seien positiv vermerkt. Mojca Erdmann stand ich bisher etwas reserviert gegenüber und ich konnte den Hype um ihre Karriere nicht ganz nachvollziehen. Nach dieser Sophie musste ich aber meine Meinung revidieren, denn hier hörte man einen kraftvollen Sopran und eine selbstbewusste junge Frau und nicht das Hascherl aus reichem Hause. In der Rosenüberreichung merkte man aber schon, dass sie gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe schien, vor dem dritten Akt sagte man sie wegen einer Bronchitis an (hätte man schon vorher machen können!). Egal, auch sie tat das ihre dazu, dass im Schlussterzett die Tränen flossen!

Nicht ganz so im Mittelpunkt wie sonst stand Adrian Eröd als Faninal, aber ebenso wie Rose legte er seinen neureichen Wiener eher seriös an, in stimmlicher Hinsicht ließ er keine Wünsche offen! Aus dem übrigen Ensemble seien genannt: Jinxu Xiahou, der als Sänger die ideale Stimmfärbung mitbringt, Thomas Ebenstein als Valzacchi und Ulrike Helzel, deren Annina mit Witz und Sex-Appeal punkten konnte. Die enthusiastischen Publikumsovationen verteilten sich gerechterweise auf alle Künstler.

Ernst Kopica

 

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