Wiener Staatsoper: 26.10.2012: „DER NUSSKNACKER“.
Foto: Barbara Zeininger
Während die Oper noch auf Gastspielreise in Japan weilt, kommt das Wr. Staatsballett mit den Wiener Balletttagen zum Zug: 11 Aufführungen von 5 verschiedenen Repertoire-Programmen in 3 Wochen sowohl in Staats- als auch Volksoper sind eine Meisterleistung in der dafür nötigen Proben- und Vorbereitungsarbeit.
In diesen Zeitrahmen fällt also auch diese „Nussknacker“-Vorstellung mit einem frischen, sehr gefälligen Protagonistenpaar, das am 12. des Monats sein Debut gab: Denys Cherevychko brilliert in der Doppelrolle Drosselmeyer/Prinz; Natalie Kusch ist sehr glaubwürdig als kindlich zarte Clara, die im Traum zur Frau erblüht. Wenn diesmal auch nicht alles ganz perfekt klappte (wie z.B. sekundenrasche Kleiderwechsel auf offener Bühne oder sich der Zauberstab erst spät entfaltet), so sind diese beiden jungen Tänzer ein sehr stimmiges Paar. Denys Cherevychko beweist als Erster Solotänzer seine Souveränität durch stupende Technik; er verfügt über eine wunderschöne Linie und hohe raumgreifende Sprünge. Auch im darstellerischen Spiel überzeugt er vor allem im ersten Akt optimal, den leicht tapsigen Onkel zu verkörpern, der dennoch leicht verschmitzt mit den Kindern herumulkt, aber sich dabei stets eine geheimnisvolle Aura bewahrt. Natalie Kusch gelingt es bestens, den Wandel vom Kind zur Frau sichtbar zu machen. Die zierliche Ballerina kann glaubhaft vermitteln, dass sie sich über die Nussknacker-Puppe freut, sich von Drosselmeyer angezogen fühlt und er daher in Claras Phantasie zum strahlenden Helden mutiert, weil sie sich ihn als Prinz in ihre erste Liebeserfahrung hineinträumt. Mit feiner Eleganz schwebt sie durch die beiden Pas de deux. Richard Szabó (Fritz) und Maria Alati (Luisa) ergänzen wunderbar als einander neckende Geschwister und sind ein temperamentvolles spanisches Paar. Dagmar Kronberger und Alexandru Tcacenco zaubern in exotischer Schönheit den Hauch arabischer Nächte herbei. Eine komische Note versprühen Rafaella Sant´Anna und Ryan Booth den russischen Tanz anführend; als Eltern sind sie entsprechend distinguiert und dezent. Von lebhafter Spritzigkeit dann der chinesische Tanz mit Davide Dato, Marat Davletshin und Trevor Hayden. Die kürzlich ernannte Solistin Kiyoka Hashimoto veredelt die Pastorale, in dem sie zusammen mit Dumitru Taran und Prisca Zeisel für stilvollen Tanz sorgt. Letztere führt mit Reina Sawai auch die glitzernde Schar der Schneeflocken an. Für große Begeisterung beim Publikum sorgen auch die Auftritte der Kinder der Staatsopernballettschule sowohl auf dem Weihnachtsfest als auch dann als kleine Ratten oder Soldaten. Bedrohlich der übergroße Rattenkönig von Attila Bakó und Martin Winter.
So wichtig es ist, die Werke von Rudolf Nurejew, dem bedeutenden Erneuerer des klassischen Balletts in aller wertschätzenden Tradition zu bewahren, so muss man dennoch zugeben, dass diese Choreographie extrem schwierig ist und nicht zu seinen besten zählt. Auch die dramaturgisch etwas unlogisch aufgebaute Handlung lässt weihnachtliche Stimmung nur beschränkt spürbar werden. Die großartigen Tänzer der Wiener Compagnie geben wie stets ihr Bestes – höchste Konzentration ist bei diesen diffizilen technischen Ansprüchen gefordert. Erstmals mit diesem Stück unter der Leitung von Koen Kessels stehend, ist das Orchester bemüht, das Ballettensemble in dieser überchoreographierten temporeichen Fassung zu unterstützen. Ein schöner und sehenswerter Ballettabend!
Ira Werbowsky