Wiener Staatsoper: COSÌ FAN TUTTE am 2.3.2012
Anita Hartig
Ursprünglich war es nicht geplant, dass die Inszenierung von Roberto de Simone überhaupt zur 51. Aufführung kommt. Doch nach den etwas durchwachsenen Neuinszenierungen der beiden anderen Da Ponte-Opern hat man in der Direktion umgeschwenkt und eine Neuproduktion erst einmal auf Eis gelegt. Was man zu sehen bekam ist ein sehr gefälliges Bühnenbild, schöne, der Originalzeit, in der das Stück spielt, entsprechende Kostüme und einen Repertoireabend, der unterm Strich besonders bei den Gastsolisten einige Wünsche übrig ließ.
Die positive Überraschung des Abends war für mich Benjamin Bruns, der die Ensembles dominierte und mit seinem kraftvollen, lyrischen Tenor zu gefallen wusste. Ich hatte ihn vorher noch nie in einer größeren Rolle gehört und war sehr angetan. Dass ich mir bei einem Mozart-Tenor etwas mehr Schmelz in der Stimme wünsche, wäre meine kleine (individuelle) Einschränkung, aber mir gefielen auf der anderen Seite seine leicht metallischen Klänge und seine klare Stimme sehr. Eine sehr erfreuliche Leistung!
Niemand würde annehmen, dass Anita Hartig die Rolle der Despina nicht wirklich liebt (ein Interview mit ihr wird in der April-Ausgabe des Merkers erscheinen), so sehr schien sie in der Rolle aufzugehen. Eine tolle Bühnenpräsenz und die von allen Sängern des Abends am besten geführte „Mozartstimme“ trugen zu ihrem persönlichen Erfolg bei.
Der dritte der „heimischen“ Besetzung, Adam Plachetka, überzeugte mich schauspielerisch – im Gegensatz zu Ferrando ließ er den Guglielmo als etwas sensibleren Charakter erscheinen. Seine Stimme ist gut geführt – und dieser ungemein sympathische Sänger hat ja noch genug Zeit, um sich mit dieser Rolle noch etwas intensiver auseinanderzusetzen. Nachdem er in dieser Saison auch den Don Giovanni und den Figaro gesungen hat muss man vergleichend bemerken, dass er die beiden anderen Rollen schon mehr verinnerlicht hat.
Natale de Carolis war – man muss es leider so hart sagen – in keinster Weise ein der Wiener Staatsoper entsprechender Don Alfonso. In Ensembles ging er unter, hatte zum Beispiel bei „Soave sia il vento“ unüberhörbare Intonationsprobleme und er wirkte irgendwie verloren auf der Bühne. Die alberne Perücke trug auch nicht wirklich dazu bei, in dieser Gestalt den Spielgestalter, den Philosophen zu sehen, er wirkte wie eine Karikatur des kürzlich verstorbenen Lucio Dalla.
Ich erinnere mich noch, als vor einem Jahr zwei Ensemblesängerinnen kurzfristigst für die Rollen der Fiordiligi und Dorabella einspringen mussten – und teilweise herbe Kritiken einstecken mussten. Nun waren zwei Gäste aufgeboten und ich muss sagen, dass beide die in sie gesteckten Erwartungen nicht erfüllten. Während Barbara Frittoli im zweiten Akt sich stabilisierte, nachdem zu Beginn ein doch sehr starkes Vibrato zu hören war, kann man mit Laura Polverelli nicht zufrieden sein. Ihre Tiefen waren nahezu unhörbar, schauspielerisch war sie auch nicht überzeugend. Man muss da gar nicht so weit in die Vergangenheit zurückgehen, um „Hausbesetzungen“ a la Garanca oder Kirchschlager nachzuweinen…
Sagen wir einmal „sehr interessante Tempovorstellungen“ – die hatte Jérémie Rohrer. Der junge Dirigent schaffte es, ziemlich uninspiriert das Staatsopernorchester zu leiten und brachte unter anderem bei der Felsenarie die Sänger immer wieder in Bedrängnis. Sorry Monsieur, in der Staatsoper sind wir andere Mozart-Dirigate gewöhnt!Martin Schebesta hat den Staatsopernchor für seine kurzen Einsätze gut vorbereitet.
Die Vorstellung hatte insgesamt Licht und Schatten – das Licht war aber auf der Seite der Wiener Ensemblemitglieder, was sehr erfreulich ist. Der Schlussapplaus steigerte sich beim Erscheinen von Benjamin Bruns und Anita Hartig, es gab eine kurze Missfallenskundgebung gegen Rhorer.
Kurt Vlach