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WIEN/ Staatsoper: CHE GELIDA MANINA. Ensemblemitglieder sangen Ausschnitte aus Werken von Puccini und Verdi

25.06.2020 | Konzert/Liederabende, Oper


Das Ensemble. Foto: Kurt Vlach

WIEN/ Staatsoper: CHE GELIDA MANINA

Ensemblemitglieder sangen Ausschnitte aus Werken von Puccini und Verdi

Wiener Staatsoper, 24.6.2020

 Auch an der Wiener Staatsoper nahm die Direktion jede Gelegenheit wahr um – so weit wie möglich vom Gesetzgeber zugelassen – den Spielbetrieb im Juni wieder aufzunehmen. Die teilweise absurden Regeln sehen bis Ende Juni für Indoor-Veranstaltungen eine maximale Besucheranzahl von 100 Personen vor (unabhängig davon, wie groß der Veranstaltungsraum auch sei). Da Flugzeugreisen keine „Indoor-Veranstaltungen“ sind (oder eine ganz einfache Reise mit der U-Bahn) gelten diese Regeln nicht. Aber was soll’s – kommen wir zum Thema der Besprechung zurück.

Es war eine sehr gute Idee seitens der Direktion, dass man im Rahmen einiger Konzerte dem „Rückgrat“ des musikalischen Betriebes, dem Ensemble, Gelegenheit gegeben hat durch die diversen Musikstile, die hier aufgeführt werden, zu führen. So spannte sich der Bogen über Mozart, der französischen und slawischen Oper über Werke von Richard Strauss, Alban Berg bis schlussendlich zum Thema des heutigen Abends, Werke von Verdi (mit Schwerpunkt auf die mittlere und spätere Phase) bis zum Verismo (repräsentiert durch Cilèa und Puccini).

Bedingt durch den Direktionswechsel unterliegt auch das Ensemble einigen Änderungen, sodass es auch die Gelegenheit war, einige liebgewonnene Sänger zum letzten Mal (zumindest für die nächste Zeit) an der Staatsoper zu hören. Sänger aus 14 verschiedenen Ländern und 4 Kontinenten waren zu hören – ein Zeichen wie international der Opernbetrieb in den letzten Jahrzehnten geworden ist.

Den Abend eröffnete Lukhanyo Moyake mit „O figli miei“ aus Macbeth. Er zeigte, dass er sichere Höhen hat, berücksichtige meines Erachtens aber nicht, dass er kein Orchester vor sich hatte, das er übertönen musste, sondern nur von Luisella Germano am Klavier begleitet wurde (die allen Sängern eine sichere Begleitung war). Fortissimo bis zum Abwinken – da blieb leider wenig Raum für die eine oder andere Nuance..

Nur um es klarzustellen – „sichere Begleitung“ ist als großes Kompliment gemeint! Germano, seit 8 Jahren für die Solo-Wiederholungen an der Staatsoper verantwortlich, war – wie soll man sagen – das musikalische Rückgrat des Abends und eine wunderbare Unterstützung – besonders wichtig bei dem Ausschnitt aus Rigoletto, wo sie alle vier Sängerinnen und Sänger pro-aktiv „managte“ !!!!

Es folgte danach ein Block aus dem italienischen „Don Carlo“ – und gleich einer meiner drei persönlichen Höhepunkte des Abends. Jongmin Park, einer der wirklich Shooting Stars der letzten Jahre (dessen Abgang aus dem Ensemble mir sehr leid tut), interpretierte die große Arie des Filippo II., „Ella giammai m’amo“ mit seiner samtigen Stimme, die ihm ein ganz spezielles, ich möchte sogar sagen „menschliches“ Timbre gibt. Die Tiefen sind vorhanden – natürlich wird er noch einige Zeit und Lebenserfahrung brauchen, um die gleiche Wirkung wie die Spitzenbässe jenseits der 50 Jahre zu erzielen. Szilvia Vörös, die ja als Einspringerin in „Les Troyens“ einen großen persönlichen Erfolg feiern konnte, setzte mit einer gut gelungenen Arie der Eboli (O Don Fatale) fort. Ihr Vertrag geht noch bis 2022. „O Carlo, ascolta“ wurde von Samuel Hasselhorn wie heißt es so schön – „rollendeckend“ interpretiert.

Das bekannte Quartett aus Rigoletto, „Un di, se ben rammentomi”, war der erste von drei Auftritten des Jinxu Xiahou (Duca), begleitet von Zoryana Kushpler, die während der vergangenen 13 Jahre ein verlässliches Mitglied des Ensembles war und von Richard Strauss über Richard Wagner bis hin zu Schönberg, Verdi, Mascagni, Rossini und Offenbach in kleineren, aber auch in größeren Partien eine große Stütze war. Andrea Carroll verkörperte die Gilda, während Rigoletto von Clemens Unterreiner dargestellt wurde. Es ist müßig zu schreiben, dass er den anderen drei Sängern in Bezug auf Bühnenpräsenz haushoch überlegen ist, sein Outfit war italienisch inspiriert. Seine Stimme hat in der Tiefe an Volumen gewonnen – und ich bin wirklich gespannt, wohin ihn seine künstlerische Entwicklung führen wird. Ich habe weiter oben die Internationalität des Ensembles erwähnt – und das ist auch gut so! Trotzdem freut es mich als Stammgast, auch ein klein wenig heimisches Flair zu haben – und deshalb bin ich dankbar, dass Unterreiner auch weiterhin der Staatsoper treu bleibt.

Mit Ryan Speedo Green wurde das Publikum in den sechs Jahren, wo er hier tätig war, nie wirklich warm, was sicherlich nicht mit der Person des sehr sympathischen Sängers zusammenhängt. Seine Interpretation von „O patria.. O tu Palermo“ aus der Sizilianischen Vesper dürfte unter Umständen die Vorbehalte bestätigt haben – während der forte-Stellen zeigte er wenig Probleme, doch jedes Mal, wenn er die Stimme zurücknahm, fühlten sich die Töne unsauber an.

Mit Auftritten aus Falstaff präsentierten sich Pavel Kolgatin und Hila Fahima, ohne jedoch einen wirklich bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Damit war dann der Verdi-Teil abgeschlossen und das „eiskalte Händchen“, Namensgeberin des Abends, kam zum Einsatz.

Jinxu Xiahou gelang eine sichere Interpretation (immerhin hat er diese Arie ja auch im „wirklichen Opernleben“ mehrmals mit Erfolg gesungen), wobei es besonders bei den Auszügen aus „La Boheme“ einem schmerzlich bewusst wurde, dass ein Klavier nur ganz rudimentär die Wirkung eines Orchesters ersetzen kann. Bei Puccini darf es doch schwelgerisch sein, oder?  Nur ein kurzes Gastspiel an der STOP wurde Valeriia Savinskaia zuteil, die im Rahmen eines Stipendiatenvertrags seit 2019 tätig war. Die Sängerin ist noch jung und braucht meiner Meinung nach noch einige Zeit, vorzugsweise an kleineren und mittleren Häusern, um Stimme und Interpretation reifen zu lassen.

„Acerba voluttà“ aus Adriana Lecouvreur brachte den nächsten Höhepunkt des Abends. Monika Bohinec, die dankenswerter Weise auch weiterhin dem Wiener Publikum erhalten bleibt, beeindruckte mit einer ausgereiften Interpretation, schönen Phrasierungen und wirklich beeindruckenden tiefen Tönen. Hoffentlich wird sie in der Zukunft nicht nur auf die diversen „Hexen-Rollen“ reduziert werden, sondern auch anderswertig glänzen können. Ebenfalls wirklich gut gelungen war dann „Chi il bel sogno“ aus La Rondine. Valentina Nafornita lieferte einen sehr guten Auftritt ab. Ich habe das Gefühl, dass im aktuellen Stadium ihrer stimmlichen Entwicklung etwas dramatischere Rollen besser zu ihrer Stimme passten. Und ja, das Auge hört auch mit –sie sah an diesem Abend phantastisch aus…

Mit einem Ausschnitt aus Puccinis letzter Oper, Turandot, wurde der Abend dann beschlossen. Samuel Hasselhorn, Jinxu Xiahou und Leonardo Navarro als Ping, Pang und Pong zeigten ihr komödiantisches Talent – ich glaube herausgehört zu haben, dass aus „O mondo, pieno di pazzi innamorati“ (Oh Welt, ausgefüllt mit verrückten Liebhabern) ein „O mondo, pieno di pazzi maschere“ wurde. Ich glaube, dass ich damit richtig liege, sangen die drei diese Textstellen doch mit den Mund-/Nasenschutzmasken, die sie dann abschließend auf den Boden schleuderten.

Der Abend endete nach genau 75 Minuten (im Gegensatz zu dem Konzert, dem ich am Tag vorher im Musikverein beiwohnte gab es keine Zugaben) und die Künstler wurden mit wohlwollendem Applaus verabschiedet.

Ich hoffe inständig, dass ab September wieder eine Art Normalbetrieb beginnen kann…

Kurt Vlach

 

 

 

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