Wiener Staatsoper 13.05.2025
Charles Gounod: ROMÉO ET JULIETTE – Anges du ciel! Ange du Bernheim!
Die letzte Vorstellung der Serie von Roméo et Juliette an der Staatsoper bildete einen wunderbaren Abschluss dieser Aufführungsserie.
Benjamin Bernheim. Foto: Wikimedia Comons)
„Was ist das für eine wunderbare Stimme?“ fragt Juliette so passend. Es ist jene von Roméo, und diese wunderbare Stimme gehört auch an diesem Abend wieder Benjamin Bernheim. Seit der Premiere der Flimm-Produktion vor 24 Jahren hat man den ein oder anderen wunderbaren Roméo (Marcelo Alvarez zum idealen Zeitpunkt seiner Karriere) als auch weniger gute und überforderte Roméos (Juan Diego Florez) gehört. Mit Benjamin Bernheim konnte die Wiener Staatsoper zweifellos den geeignetsten und besten Roméo anbieten, den diese Inszenierung erlebt hat.
Die vielen Vorzüge Benjamin Bernheims zu benennen, hieße eigentlich Eulen nach Athen zu tragen. Doch es schien, dass er an diesem Abend noch befreiter, ja, entfesselter sang, als in den beiden Vorstellungen zuvor. Man kann nicht genug bewundern, mit welcher Leuchtkraft sein geschmackvoller Tenor gesegnet ist, wie farbenreich er die Partie auszuloten weiß, wie herrlich er phrasiert und akzentuiert, und mit welcher Strahlkraft seine Spitzentöne ausgestattet sind. Die hohen Cs zelebriert er geradezu eindrucksvoll, als wollte er zeigen, wozu sein Qualitätstenor imstande ist. Und wahrlich, an diesem Abend wollte ihm einfach wieder alles gelingen. Die Wärme und die Noblesse seines Timbres unterstreichen die Verliebtheit als auch die adelige Abstammung dieses jungen Montague sogar noch. Nie verliert der Sänger seine Eleganz im Vortrag, ja, man vernimmt sogar das Lächeln in der zärtlich bebenden Stimme. Bernheim schafft es die Figur alleine schon mit vokalen Mitteln, die aus seiner hervorragenden Gesangstechnik resultieren, glaubhaft und authentisch zu gestalten. Er bietet viele Höhepunkte an diesem Abend. Einer von ihnen ist ganz sicher das Va! Repose en paix im Finale des zweiten Aktes, wo er völlig verträumt und geradezu entrückt die Stimme zärtlich zurücknimmt und die wunderbarsten Stimmfarben auspackt. Wie sagte die Dame neben mir so schön? „Die französische Sprache ist so eine wunderbare Opernsprache. Bei Bernheim ganz besonders.“
Aida Garifullina konnte sich im Laufe der Aufführungsserie stark steigern. Ihre Juliette ist allerdings keine fragile Person, das ist eine stimmlich schon stark zupackende Julia. Garifullina verfügt nicht über die flexible Juliette-Stimme einer Marina Rebeka oder den auch vokalen mädchenhaften Liebreiz wie man diesen bei Andrea Rost angetroffen hat. Garifullina muss sich alles ein bisschen schwerer erarbeiten. So ist ihr Sopran für die Koloraturen nicht (mehr) flexibel genug, die Spitzentöne benötigen viel Kraft. Gerade bei ihrer Auftrittsarie muss eine Juliette Leichtigkeit und Unbeschwertheit demonstrieren. Schließlich möchte sie „leben wie im Traum“. Das klingt hier alles zu schwerfällig. Im Laufe des Abends findet die Sopranistin allerdings mehr und mehr auch stimmlich in die Partie hinein. Auch wenn sie die dramatische „Poison-Arie“ gegen Ende achtbar meistert, ist da doch noch Luft nach oben. In den Duetten harmoniert sie gut mit Bernheim, die Chemie zwischen den beiden Sängern stimmt. Besonders ergreifend ist das Finale, in welchem Roméo und Julia, dank der ausgefeilten Lichtregie, gemeinsam ins ewige Licht eintreten können.
Die Hosenrolle des Stephano hat nun Patricia Nolz von Isabel Signoret übernommen. Ihr heller und gefälliger Mezzosopran, der durch ein leichtes, charmantes Vibrato unterstützt wird, steht der Partie gut. Ebenfalls noch positiv hervorzuheben ist der Frère Laurent von Peter Kellner während Stefan Astakhov hingegen als Mercutio stimmlich zu sehr auf die Tube drückt und die Arie der Königin Mab wenig Französisch anlegt.
In der ersten Aufführung konnte das Dirigat von Staatsoperndebütant Marc-Leroy Calatayud aufgrund so mancher Unausgewogenheiten noch nicht so recht überzeugen. Das lag sicher auch daran, dass er sich auf die akustischen Verhältnisse im Raum erst einstellen musste. Deutlich ausgeglichener dirigierte er nun das Orchester der Wiener Staatoper, und auch die so auffällige Zügigkeit hatte er abgelegt, was beispielsweise der melodisch so reichen und verträumten Musik des zweiten Aktes mehr als zu Gute kommt.
Die Aufführung wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Jubel für die Hauptrollensänger, besonders für Bernheim.
Nächste Saison wird Benjamin Bernheim eine seiner weiteren französischen Paradepartien in Wien singen – den Des Grieux in Massenets Manon. Bleibt nur noch zu hoffen, dass aus diesem Repertoire in Zukunft auch noch Faust, Hoffmann, Nadir und sein hinreißender Werther in Wien folgen werden …
Lukas Link