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WIEN Staatsoper Charles Gounod FAUST

19.03.2017 | KRITIKEN, Oper
Borras als Faust und Anita Hartig als Marguerite. Faust in "eleganter" Feinzwirn

Jean-Francois Borras als Faust und Anita Hartig als Marguerite. Faust in „elegantem“ Feinzwirn

Wiener Staatsoper
Charles Gounod      FAUST
18.März 2017
25.Aufführung nach einer Idee von Nicolas Joel und Stéphan Roche

 

Es hätte besser ausgesehen, wäre es bei einer Idee geblieben

Keine Frage, nach der Erkrankung des vorgesehenen Regisseurs Nicolas Joel vor fast neun Jahren wäre es besser gewesen, die damalige Premiere gleich abzusagen oder den damals längst engagierten Sängern zuliebe die Aufführung konzertant zu geben. Dazu kam noch erschwerend hinzu, dass auch der Ausstatter Andreas Reinhardt starb und durch Kristina Siegel ersetzt werden musste.
Und so stellt die jetzige Direktion eine Inszenierung „nach einer Idee“ in die Auslage, die ohne die Kenntnis dieser Vorgeschichte hinsichtlich Bühne und Regie die Gastvorstellung einer Provinzbühne zu suggerieren imstande ist. Wenigstens dafür hätte es einer Einlage im Programmheft bedurft, die erklären hätte können, warum man sich trotz dieser widrigen Umstände zur nochmaligen Aufnahme einer so beliebten Oper in das Repertoire entschlossen hat. Dazu hätte der damals erkrankte Nicolas Joel, aber auch das Publikum ein Anrecht gehabt.

Denn dass diese Oper sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, war nicht zuletzt auch am Schlussapplaus zu merken, der jener Fülle an melodischen Einfällen des französischen Komponisten gerecht wurde, wenngleich auch deren Wiedergabe durch Simone Young mehr die Dramatik des Stoffes durch sorgfältiges und stringentes Dirigat betonte, der französische Anteil des Stücks an Esprit und Spritzigkeit dabei jedoch zu kurz kam. Dass dabei auch der Chor der Wiener Staatsoper unter Thomas Lang schmetternd klang, lag wohl daran, dass sie Soldaten des deutschen Spätmittelalters darstellten.

Luca Pisaroni als eleganter Mefisto

Luca Pisaroni als eleganter Mefisto

Rachek Frenkel als Siebel in Liebesnöten

Rachel Frenkel als Siebel in Liebesnöten

Gleich sieben Debüts in allen Rollen kann das Haus in dieser Serie diesmal vorstellen. Mit der Erwähnung seiner außerordentlichen Eleganz, seinem modischen Auftreten sei die Aktion des Höllenfürsten namens Luca Pisaroni bei dessen Erscheinen an diesem Abend umrissen, musikalisch wirkte er eher wie Leporello nach einer Umschulung durch das AMS, so wenig wirksam klang der so beliebte Bassbariton in den für ihn so ungewohnten aber notwendigen tiefen Lagen eines Bassisten. Da fehlte es an schauerlicher Höllenglut der Tiefe und dem ironisch Zersetzenden seines Vortrages. Da sind wir bei derartigen Rollen in Wien leider verwöhnt worden mit den klingenden Namen berühmter Bassisten!
Und da fehlt bei Jean-Francois Borras vieles zu einem hinreißenden Liebhaber. Nicht nur figürlich, nein auch modisch. Hätte ihm Méphistophélès nicht auch so feines Zwirn anpassen können wie er es selbst trägt? So sieht Faust aber aus wie in einen Kartoffelsack gesteckt und das erklärt sicher nicht den Erfolg, der sich stückbedingt bei seiner Angebeteten ergibt, denn auch gesanglich ist er, obwohl selbst Franzose, an diesem Abend nicht von französischer Eleganz angekränkelt, das Federnde, der Esprit des Vortrags wurden durch hörbare Anstrengung zu sehr überlagert, Töne, mehr im Gaumen produziert als auf dem Atem getragen.

Wenigstens Anita Hartig konnte Empathie erzeugen für ihre Nöte als sitzengelassene Frau und Geächtete, sie erkämpfte sich das mit sicheren, manchmal auch harten und überdramatischen Tönen. Ihre anfängliche Koketterie wirkt nicht überzeugend, die Leichtigkeit beim Anblick der Juwelen ist eher gebremst vom Misstrauen, auch jene zur neu entfachten Liebe, aber mit fortschreitendem Drama entwickelt sich ein überzeugendes gesangliches Portrait ihrer Ängste und ihrer Verzweiflung,

Mit den restlichen Debütanten konnte man zufrieden sein: Orhan Yildiz gab einen fast überzeugenden Valentine, Clemens Unterreiner einen in jeder Beziehung beweglichen Wagner, Rosie Aldridge eine traurig-komische Witwe Marthe, während Rachel Frenkel mehr aus der Rolle des Siebel herausholen sollte.

Der begeistert klingende Applaus konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die derzeitige Präsentation der Oper Gounods in dieser Darbietung ideenlosem Rampentheaters ohne Spur einer theatralischen Phantasie nicht dem Rang dieses Opernhauses entspricht. Auch die Tatsache, dass diese Inszenierung der Vorgängerdirektion Holender zu „danken“ ist, kann als Argument nicht dienen, das Werk überhaupt in der Form zu zeigen. Und diese Inszenierung, noch dazu in verstümmelter Form, d.h. ohne Walpurgisnachtszene zu bringen, zeigt nicht gerade Ehrfurcht vor dem Werk dieses Französischen Komponisten.

 

Peter Skorepa
MerkerOnline

Fotos: Copyright M.Pöhn- Wr.Staatsoper

 

 

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