WIEN / Staatsoper
ARABELLA von Richard Strauss
49. Aufführung in dieser Inszenierung
2. Februar 2019
Wotan im falschen Film?
„Eine Spieloper, fast eine Operette“ – so charakterisierte Hugo von Hofmannsthal sein Libretto zu Arabella. Natürlich ist keine Operette daraus geworden, aber wenn Tomasz Konienczny die Bühne betritt und seine mächtige, sehr speziell gefärbte Stimme erschallen lässt, beschleicht einen doch kurz der Verdacht, ob sich hier nicht tatsächlich ein Heldenbariton in eine wienerisch angehauchte Operette verirrt haben könnte. So erschreckend groß wirkt zunächst der gebotene Kontrast. Nun, man hat ihn erst jüngst als Wotan in Wagners Ring intensiv erlebt, das erklärt Einiges; doch sein befremdlich wirkender Auftritt erhält auch hier seine Berechtigung: Mandryka, der reiche Mann aus den Wäldern von Slawonien, ein Bär von einem Mann, der en passant erzählt, das er eben erst einen Zweikampf mit einer Bärin überstanden hat, platzt mit seinem ländlichen Flair wie ein Exot in die – in der Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf – gar nicht mehr ganz so feine Wiener Gesellschaft der ach so verrückten 20er Jahre. Hinter seiner rauen Schale steckt allerdings, wie sich alsbald herausstellt, ein empfindsamer und edler Charakter. Stimmlich will es ihm aber nicht recht gelingen, diese Zartbesaitetheit ebenso überzeugend umsetzen. Als donnernder Brautwerber mit Ecken und Kanten aber ist er einfach umwerfend. Man versteht, warum eine junge, lebenslustige Frau „aus dem Kaiser seiner Hauptstadt“ sich seinem Bann nicht entziehen kann und sich flugs bereit erklärt, ihm aufs Land zu folgen, und warum der Schlussapplaus gerade bei ihm so kräftig ausfallen wird.
Gut, dass mit Emily Magee in der Titelpartie eine Sängerin aufgeboten wird, die Konieczny nicht nur darstellerisch, sondern auch gesanglich Paroli bieten kann. Zugute kommt ihr dabei wohl auch ihre Erfahrung in Opern Richard Wagners (Lohengrin, Meistersinger). Als Arabella steht die dramatische Sopranistin derzeit jedenfalls ziemlich einzigartig da. Eine starke Frau – gerade auch im großmütigen, liebenden Verzeihen.
Arabellas verzweifelter Verehrer, der happyendlich in dem Armen ihrer Schwester landet, ist Daniel Behle anvertraut, der als Matteo ein gelungenes Rollendebüt hinlegt. Sein erster Auftritt 2007 an der Staatsoper – als Nemorino – erwies sich als nicht sehr nachhaltig, erst sein Auftritt als Matteo bei den Salzburger Osterfestspielen 2014 wurde als „Empfehlung“ für zukünftige Auftritte an der Wiener Staatsoper gewertet. Es dauerte allerdings noch weitere vier Jahre, bis es nun dazu gekommen ist. Er könnte in Hinkunft öfter kommen; gerne möchte man ihn in einer Mozartoper erleben, doch auch seine exquisit arrangierte Winterreise in einem Solistenkonzert wäre eine spannende – und lohnende – Sache.
Alle weiteren Partien – sieben davon in recht gewichtigen Rollen – sind aus dem Haus besetzt: ein weiterer Beweis für ein gut bestelltes Ensemble. Chen Reiss – in einer der ihr wie auf den Leib geschneiderten Hosenrollen- singt als Zdenka/Zdenko voll Anmut und lässt durchklingen, dass Arabellas Schwester unter ihrem tragischen Geschick leidet, auch wenn sie das nicht offen zeigt. Wolfgang Bankl ist ein profilierter Graf Waldner, Stephanie Houtzeel als Gattin eine elegante – besser noch: mondäne Frau, die sich gut in Szene zu setzten weiß. Die Fiakermilli ist mit der fulminant auftretenden Daniela Fally besetzt, ihre Leistung in der gar nicht einfachen Partie belegt, warum sie immer wieder dafür eingesetzt wird: Jodeln auf höchstem Opernniveau.
Das Terzett der Grafen und Verehrer Arabella ist mit Michael Laurenz (Elemér), Rafael Fingerlos (Dominik) und Peter Kellner (Lamoral) gut rollendeckend bestückt, Laurenz und Kellner sind zudem Rollendebütanten. Dirigent Axel Kober am Pult des Staatsopernorchesters leitet – nach seinem ausnahmslos positiv bewerteten Staatsoperneinstand im Ring – erneut eine musikalisch wunderbar austarierte, spannende Aufführung. Kober empfiehlt sich als vorzüglicher Kapellmeister im besten Sinn des Wortes: präzise, stets wachsam und überaus hellhörig. Man spürt, dass die Musiker unter seiner Leitung aufblühen und sich mit Leidenschaft, Können und Liebe der Musik von Richard Strauss widmen. Begeisterter Applaus – wieder einmal deutlich über die sonst üblichen fünf Minuten hinaus andauernd.
Manfred A.Schmid