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WIEN/ Staatsoper: ALCESTE

18.11.2012 | KRITIKEN, Oper

WIENER STAATSOPER:  „ALCESTE“ am 18.11. 2012


Veronique Gens. Foto: Barbara Zeininger

Kommt es zu einer Gluck-Renaissance in Wien? Schön wäre es! Unter Direktor Dresen gab es „Iphigénie en Aulide“. In der Ära Holender kam es nicht zum geplanten Gluck-Zyklus. Aber das Theater an der Wien begann mit einem Zyklus und hat es bis jetzt zu 4 Werken gebracht – und es ist zu hoffen, dass die Sache weiter geht. In der Staatsoper hatte nun Direktor Meyer Glück mit Gluck.

Christof Loy ist sicher ein kluger Regisseur, auch wenn man mit seiner „Frau ohne Schatten“ in Salzburg und mit der „Donna del lago“ im ThadW nicht begeistert war. Er kann die Sänger und die einzelnen Choristen gut führen. Seine Idee, den Chor als unmündige Kinder auftreten zu lassen, ist allerdings gewöhnungsbedürftig, denn „mon enfants“ bedeutet ja nicht die eigenen Kinder, sondern die Untertanen. Loy weiß auch mit den Balletteinlagen umzugehen, in der französischen Oper sind es integrale Bestandteile. Während Torsten Fischer im Haus an der Wien alle Ballettteile radikal streicht. Gut ist auch seine Idee, zum großen Ballettfinale, dass alle durch das dunkle Tor des Todes gehen müssen, weil alle Menschen einmal sterben müssen. Die Bühne von Dirk Becker ist nur ein einfacher weißer Raum, rückwärts mit Schiebetüren, die geöffnet das königliche Schlafzimmer, dann eine Art von Veranda, das Sterbezimmer der Alceste, dann die Unterwelt und schließlich zum dunklen Tor des Todes wird. Ursula Renzenbrink schuf Kinderkleidung für den Chor, Admète trägt einen Anzug, schön und majestätisch aber ist Alceste angezogen.

Dirigent Ivor Bolton und das Freiburger Barockorchester bekamen zu Recht ganz großen Beifall. Ihnen gelang so etwas wie ein ideales Gluck-Klangbild. Sehr lobenswert! Auch vom Gustav Mahler Chor war man sehr angetan, auch wenn die Chorsänger als kleine Kinder herum hüpfen mussten.

Mit ihrer großen, schlanken Gestalt und einer wahrlich königlichen Haltung erlebte man Veronique Gens in der Titelrolle. Ihr schönes Timbre passt wunderbar für Gluck. Ihre Stimme ist mehr lyrisch als dramatisch. Das war bereits in ihrer zarten ersten Arie „Grand Dieux“ zu hören. Natürlich kann man das berühmte „Divinités du Styx“ viel dramatischer singen, aber auf ihre Weise machte sie es schön. Piano, eigentlich pianissimo erklingt er erste Teil der 2. Akt-Arie „Ah, malgré moi“. Das sang sie ganz beseelt und zart. Ich hörte von ihr kein störendes Vibrato, wie in einigen Kritiken zu lesen war. Ihre Rolle ist sehr groß und viel verlangend und sie ist fast ständig auf der Bühne im Einsatz. Ihr Ehemann Admète, für den sie opfert, ist der junge Tenor Joseph Kaiser. Auch er ist groß und schlank und hat eine junge, sympathische Erscheinung. Seine Stimme klingt zusagend, er kann sich auf der Bühne bewegen und agieren, so z. B. als er erfährt, dass seine Frau sich für ihn geopfert hat. Ich denke, man wird noch viel von ihm hören. Der Rezensent erlebte ihn bereits als Lenski und als Romeo.

Adam Plachetka beeindruckt als Hercule recht stark. Er ist es, der Alceste aus der Unterwelt zurück holt. Man kann es so sagen, endlich bekam Clemens Unterreiner mit dem Oberpriester eine große Rolle, die seiner starken Begabung entspricht. Er bewährte sich auf beste Weise und lässt die Erwartungen für seine Zukunft weiter steigen. Alessio Arduini bestätigte den Eindruck, der er als Schaunard in der Salzburger „Bohemé“ machte, ganz nachdrücklich. Diesmal war er als Herold, Apollon und 4. Koryphäe eingesetzt.

Als 2. und 3. Koryphäe erfüllten Ileana Tonca und Juliette Mars ihre Sache recht gut. Die Qualitäten von Benjamin Bruns/Évandre und 3. Koryphäe waren bereits mehrfach zu erleben. Ja, man kann sagen, das Hausensemble der Staatsoper ist sehr gut aufgestellt. Als Stimme des Orakels hörte man Kiril Chobanov aus dem Hintergrund.

Das Gluck weitgehend ungewohnte Publikum ließ sich stark begeistern und zeigte dies im Klatschen und Bravorufen, besonders für Gens, Kaiser und Bolton samt Orchester. Es ist zu hoffen, dass der Direktor sich auch weiterhin diesem Komponisten widmen wird.

Martin Robert BOTZ

 

 

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