WIEN / Staatsoper / KINDEROPER | AGRANA STUDIOBÜHNE | WALFISCHGASSE:
CINDERELLA
WIENER FASSUNG FÜR KINDER
ERSTAUFFÜHRUNG AN DER WIENER STAATSOPER
Premiere: 28. Jänner 2018
„The proof of the pudding is in the eating“, sagen die Engländer und haben natürlich recht damit. Da hat man die kleine Alma Deutscher nun live erleben dürfen, da hat man sehr viel über sie gelesen, da gibt es Kostproben im Internet… aber falls man nicht seinerzeit im Casino Baumgarten war (die Unterzeichnete hat es, aus welchen Gründen auch immer, versäumt), kannte man „Cinderella“ nur aus zweiter Hand. Jetzt will man es endlich wissen. Nun, Sonntag Vormittag, war es in der Kinderopern-Dependance der Staatsoper so weit: Die „Wiener Fassung“ von Alma Deutschers Oper, explizit für kleine Kinder eingerichtet, hatte in der Walfischgasse Premiere.
Eineinviertel Stunden lang die Aschenputtel-Story, halb auf unsere Zeit eingerichtet, halb noch im Märchenland, mit gesprochenen Dialogen, einer Menge Sprechgesang und vielen Arien. Was die Musik betrifft, so stimmt, was Hauptdarstellerin Bryony Dwyer sagte: Man hörte immer wieder wetterleuchten, woher es kommt, Hauptinspirationsquelle: deutsche Klassik und Romantik, mit einer Prise Italiener … und man muss gar nicht zweifeln, dass Alma das oft sogar ironisch zitierend einsetzt. Sie will, dass Musik schön sei, und daran hält sie eisern fest, außer die Dramaturgie zwingt sie dazu, die böse Stiefmutter, die bösen Schwestern kreischen zu lassen oder den Ball mit einer gewaltigen Kakophonie enden zu lassen… schließlich hat Griselda ja Cinderellas Komposition gestohlen, da muss es ja im Inneren der Heldin turbulent zugehen.
Sonst – nur der Schönheit geweiht, eine durchgehend tonale, melodiöse Musik, die in ihren Arien keine Angst hat, die Sänger ganz schön zu fordern, und die in der Orchestersprache immer wieder aufhorchen lässt, weil die junge Komponistin Spaß daran hat, mit Soloinstrumenten zu spielen. Einziger Nachteil bei der Premiere: Wenn man ziemlich hinten saß, also vor dem Orchester, das bekanntlich in der Walfischgasse nicht vor der Bühne, sondern hinter dem Zuschauerraum postiert ist, war es doch recht laut, auch zum Schaden der Sänger. Immerhin ließ Dirigent Witolf Werner die Qualität dessen, was Alma Deutscher da in kindlichem Alter Erstaunliches geschaffen hat, wirkungsvoll erklingen.
Copyright: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Man muss zugeben, dass die Wiener Fassung (ohne die ganze Oper zu kennen) wirkungsvoll gekürzt ist, denn es ist alles drin: Cinderella in einem Opernhaus arbeitend, als unglückliche Notenkopistin, obwohl sie eigentlich Komponistin sein will (Alma Deutscher selbst, ein bisschen wie ein zartes Zauberwesen aus einer anderen Welt, spielt – in Mozart-Hosen – ein eigenes Violinsolo, das quasi als Cinderellas Inspiration zu deuten ist).
Dann Stiefmutter und Stiefschwestern, fiese Weiber mit witziger Musik. Dann Abgleiten ins Märchen, ein geschickter Minister (da ist ihr wirklich eine Figur geglückt, die an den Dandini bei Rossini erinnert), der den König überredet, abzutreten und den ein wenig versponnenen Prinzen ran zu lassen. Dieser soll allerdings dafür heiraten. Also – ein Ball zwecks Brautschau. Und weil bei der poetischen Alma Deutscher ohnedies alle Intellektuelle sind, ist er ein Dichter… Und beim Sängerwettbewerb auf dem Ball sollen die Damen möglichst Selbst-Komponiertes bieten.
Noch eine prächtig komische, aber nicht schrille Figur: die Fee Emeline, die fest ihre Hand über Cinderella hält, die natürlich nicht zum Ball gehen darf, von der Fee ein Ballkleid bekommt und als Draufgabe die Gedichtentwürfe des Prinzen, was das Komponieren für unsere verzückte Heldin leicht macht… Ball, böse Überraschung, als die Schwester ihr ihre Melodie gestohlen hat (sie aber wie Beckmesser über einen falschen Text legt und Unsinn daraus macht), Ball zu Ende, der Prinz muss seine Geliebte, die er gleich ins Auge gefasst hat, suchen, Mutter und Schwestern wollen es verhindern… aber nur Cinderella kann (wie Löwenherz bei Blondel) das Lied, das der Prinz anstimmt, fertig singen.
Kurz gesagt, alles drin in den eineinviertel Stunden – und obwohl die Vorstellung durch keinerlei Applaus unterbrochen wurde, waren doch die Kinder höchst beteiligt und wollten dem Prinzen unbedingt sagen, wo die böse Familie die Cinderella versteckt hatte…
Am Ende lässt Regisseurin Birgit Kajtna als kleine Reverenz an Alma Deutscher das glücklich liebende Paar Springschnur springen (das ist bekanntlich für sie eine Quelle ihrer Inspiration) – und wenn die beiden das nicht richtig können, gibt es einen Lacher. Üben, üben, üben, so schwer wie singen kann das nicht sein.
Die Aufführung als solche ist in einer Art schlichtem Pawlatschentheater gehalten und absolut gelungen. Christina Feik stellt eine Menge drehbarer Teile auf die Bühne, mit denen man ohne weitere Schwierigkeiten vom Opernhaus, wo die „reale“ Handlung spielt, in die Märchenwelt abdriften kann… braucht nur eine Drehung. Kostümbildnerin Janina Müller-Höreth hat sich besonders bei den bösen Schwestern ausgetobt, das mit Lampen besetzte Ballkleid von Cinderella wirkt ein bisschen seltsam.
Agiert wird mit Laune, auch mit parodistischer Überzeichnung, aber die Jagd nach den Lachern wird nie billig. Bryony Dwyer, ganz junge Frau von heute (in T-Shirt und Hosen), hat die Herzlichkeit der Cinderella und singt sich durch die Register, die ihr die Komponistin gnadenlos auferlegt. Äußerst witzig ist Simina Ivan (im Hosenanzug) als cool-bissige Stiefmutter, und Caroline Wenborne (in Rot) und Ulrike Helzel (in Gelb) legen als Stiefschwestern auf Teufel komm raus los. Auch die freundliche Fee Emeline gewinnt durch Bongiwe Nakani höchst drolligen Charakter und setzt auch noch im stummen Spiel Pointen.
Bei den Herren schießt Rafael Fingerlos den Vogel ab, ein dumpfer Bühnendiener in der Opernwelt, ein witziger, geschmeidiger Leiter des Liebesspiels im Märchen, das alles noch mit schönem Bariton. Auch der König von Dan Paul Dumitrescu ist lustig – und Pavel Kolgatin als Prinz darf klassische Tenorkantilenen schmelzen, wie es sich ein Sänger nur wünschen kann.
Am Ende viel Begeisterung bei Groß und Klein. Man würde nicht so weit gehen und sagen, dass diese „Cinderella“ der Rossini’schen „Cenerentola“ Konkurrenz macht, aber im Rahmen dessen, was Alma Deutscher erreichen wollte, ist sie vollinhaltlich am Ziel angekommen.
Renate Wagner