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WIEN / Spielraum: AUS DER LUFT GEGRIFFEN oder DIE GESCHÄFTE DES BARON LABORDE

07.04.2022 | KRITIKEN, Theater

baron laborde spielraum~1
Foto: Barbara Pálffy

WIEN / Spielraum: 
AUS DER LUFT GEGRIFFEN
oder DIE GESCHÄFTE DES BARON LABORDE
von Hermann Broch
Premiere:  6. April 2022 

„Die Hölle der Wirtschaft, die gab es gestern, die gibt es heute, die wird es morgen geben“ – diese Erkenntnis, an der nicht zu rütteln ist, formulierte Hermann Broch (1886 – 1951), Sohn aus jüdisch-wienerischem Haus, der jahrzehntelang in der familiären Textilbranche tätig war, also wusste, wovon er sprach. Als Schriftsteller hoch geehrt, wenngleich nie so breiten-populär wie Musil oder Joyce, mit denen er für seine Romane „Der Tod des Vergil“ oder „Zeit der Schuldlosen“ immer wieder verglichen wird, spielte das Theater in seinem Leben eine vergleichsweise geringe Rolle. Auf den Bühnen gehalten hat sich – und auch das selten gespielt – „Die Erzählung der Magd Zerline“, weil dies ein so brillanter Monolog für eine nicht mehr ganz junge Darstellerin ist.

Die Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre wollte Broch auf dem Theater behandeln. In seinem Trauerspiel „Die Entsühnung“, 1934 in Zürich uraufgeführt (und weitgehend vergessen), landet der Held im Selbstmord. Als Broch daraufhin „Aus der Luft gegriffen oder Die Geschäfte des Baron Laborde“ in Form einer Boulevard-Komödie schrieb, an sich auch ein „Wirtschafts-Thema“, setzte er auf leichtfüßige Heiterkeit rund um tiefe moralische Fragwürdigkeit. Zu seinen Lebzeiten fand sich kein Theater dafür, die Uraufführung fand 1981 statt, das Burgtheater zog 1983 gleich nach – mit Michael Heltau in der Titelrolle. Seither hat man Hermann Broch auf unseren Bühnen nicht gesehen.

So wird schon die Neugierde den Theaterfreund in die Kaiserstraße 46 treiben, wo das Theater „Spielraum“ (in den Räumlichkeiten des einst legendären Erika-Kinos) nun diese Komödie anbietet. Und so sehr Gerhard Werdeker und ein best gelauntes Darsteller-Sextett sich auch mühen – man begreift schon, warum das Stück (Boulevard hin oder her) keine Theaterkarriere gemacht hat. Zu wirr und hektisch ist die Handlung, und wenn Broch auch klar macht, wie undurchsichtig die „Luftgeschäfte“ sind, die in der Finanzwelt getätigt werden (heute zweifellos genau so wie einst), so versteht man doch diesbezüglich meist „Bahnhof“…  Die einzige wirkliche Erkenntnis besteht darin, dass sich niemand ein Gewissen aus seinen Betrügereien macht. Letztendlich agieren die sechs Personen des Autors zu verrückt-erratisch, dass man eigentlich nur wild gewordene Marionetten vor sich hat. Das Ergebnis? Ein schönes Chaos.

Regisseur Gerhard Werdeker  lässt in einem witzigen Spielkarten-Bühnenbild von Anna Pollack seine Protagonisten geradezu choreographisch herumtänzeln – noch eine Drehung, noch ein Wechselschritt -, um klar zu machen, dass an diesem Gleichnis einer durch und durch korrupten Gesellschaft nichts ernst  zu nehmen ist. Martin Purth als Hochstapler „Baron Laborde“ glaubt man den mit allen Wassern gewaschenen Schurken ohne weiters, wobei es ihm gelingt, in seiner Wendigkeit nicht einmal unsympathisch zu werden. RRemi Brandner ist der Präsident eines Bankkonzerns, der überall Geschäfte wittert, auch wenn er weiß, dass es weder das Öl noch die Traktoren gibt, mit denen er auf Labordes Rat handeln würde. Bankdirektor Ruthart (Mario Klein) hat seine Zweifel an den Geschäften, macht aber trotzdem mit. Und ein witziger Hoteldirektor (Christian Kohlhofer) beobachtet nicht nur, sondern spielt bei der Sache auch mit – wenn es um Erotik geht.

Denn da sind noch zwei Damen, sehr am Geld interessiert, sehr cool erwägend, welcher der verfügbaren Männer der finanziell potenteste ist. Das überlegt auch Agnes (Valentina Himmelbauer), die Tochter des Bank-Präsidenten, aber die wildeste Show als berechnendes Weibchen darf Dana Proetsch als „Baronin Stasi“ hinlegen, von der man nie wissen wird, ob sie mit Laborde nun eigentlich verheiratet war oder nicht. Egal, sie verlässt ihn sowieso.

Es gibt einigen schrillen Unterhaltungswert an diesem hektischen Abend, der allerdings nie zu wirklichen Erkenntnissen über die Abgründe des Kapitalismus und seiner Manipulatoren führt. Man muß den „Baron Laborde“ nicht spielen, aber wer neugierig ist, dem mag es Spaß machen, ihm zu begegnen.

Renate Wagner

 

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