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WIEN / Scala: REVANCHE

15.06.2022 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Bettina Frenzel

WIEN / Scala:
REVANCHE von Anthony Shaffer
Premiere: 14. Juni 2022

It’s Summertime, und da wurde früher in Wien auch schon mal Boulevard gespielt. Die alten Sitten sind zwar verloren gegangen, aber die Scala versucht mit „Sleuth“ so etwas Ähnliches – Krimi-Unterhaltung nämlich.

„Sleuth“ ist der Originaltitel, unter dem man „Revanche – Mord mit kleinen Fehlern“ eigentlich kennt, denn zwei Verfilmungen waren so grandios besetzt (Laurence Olivier / Michael Caine, und dann, Michael Caine in der Olivier-Rolle und Jude Law in der ursprünglichen Caine-Rolle), dass kaum jemand daran vorbei gegangen ist. Das hat natürlich auch einen für einen Krimi fürchterlichen Nachteil: Wer die Pointe des Stücks kennt, bei dem werden sich Spannung und Überraschung in Grenzen halten. Und doch – es schadet nichts. Das Ganze ist einfach zu gut gemacht…

Sie waren Zwillingsbrüder: Peter Shaffer, der viele Stücke geschrieben hat, war dank „Amadeus“ der allzeit berühmtere, aber Anthony Shaffer, sonst exzellenter Drehbuchautor (wie gut war sein „Tod auf dem Nil“ im Vergleich zur elenden Neuverfilmung!), erdachte „Sleuth“ nicht nur fürs Kino, sondern auch für das Theater. Die Geschichte zweier Männer, die einander auf Leben und Tod bekämpfen. Um eine Frau. Und um der eigenen Ressentiments willen.

Das Stück ist very british, auch in der Tendenz einer dem Wetten verfallenen Nation, vieles als Spiel zu betrachten (ein Hauch von Pirandello weht herüber – so ist es, ist es so?), dazu mit ihrer Vorliebe für Nonsense. Regisseur Sam Madwar lässt sich darauf am wenigsten ein, weil er genau weiß, dass einem österreichischen Zuschauer dazu viele Voraussetzungen fehlen. (Schon wenn sich die beiden Männer mit einem Glas Gin zuprosten, „Zum Wohl von Queen Mum“, muss man wissen, dass die alte Dame als Gin-Specht galt). Also geht es vor allem um den Krimi. Und um das ganz, ganz böse Spiel der Demütigung.

Denn der überaus eitle Kriminalautor Andrew Wyke mag sich zwar gar nichts mehr aus seiner Ehefrau machen, aber dass sie ihm mit einem italienischen Friseur davon läuft, das verträgt er nun gar nicht. Er lädt Milo Tindle aus dem einzigen Grund ein, um an ihm sein Mütchen zu kühlen. Die Situation eskaliert bis … aber man sollte denjenigen, die das Stück nicht kennen, nicht den schaurigen Spaß verderben.

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Die Mischung aus Psychothriller und Humor ist dem Regisseur fraglos geglückt, wobei er ja auch ein gefragter Bühnenbildner ist, der seinen Luxus-Krimi-Autor in ein höchst nobles Ambiente versetzt. Interessant, dass die Darsteller eigentlich gegen den Strich besetzt sind – weder verfügt der Krimi-Star über angeborene große Suada, noch würde man dem Gegner den italienischen Loverboy glauben, der eine (wie man hört: oberflächliche) Frau von einem immerhin reichen Mann wegholt.

Aber Johannes Terne (einst oft in Emmy Werners Volkstheater, dann gelegentlich im Burgtheater zu sehen) erobert sich die komödiantische Traumrolle mit giftsprühender Intensität und im Lauf der Begebenheit mit zunehmender Wut-Verzweiflung. Und Otto Beckmann steht als Gegner seinen Mann – wenn er seine besten Momente auch in der Verkleidung hat… aber auch da darf man nicht spoilern.

Das Premierenpublikum zeigte sich entzückt, schlicht und einfach gut unterhalten worden zu sein.

Renate Wagner

 

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