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WIEN / Scala: RAIN MAN

24.03.2023 | KRITIKEN, Theater
©bettina frenzel

Fotos:  ©bettina frenzel

WIEN / Scala: 
RAIN MAN von Dan Gordon
Premiere: 18. März 2023
Besucht wurde die vierte Vorstellung am 23. März 2023 

Wer „Rain Man“ sagt, sagt Dustin Hoffman, der für seine Darstellung des autistischen Raymond Babbit in dem gleichnamigen Film von Barry Levinson 1989 den hoch verdienten  „Oscar“ als bester Hauptdarsteller erhielt. Darüber hinaus war von „Rain Man“ nie die Rede, so überraschte es, der Geschichte auf einmal auf Bühnenbrettern zu begegnen.

Dabei ist das ein geschickter Fake – der Film war zuerst, und erst 2009 hat der amerikanische Autor und Drehbuchautor  Dan Gordon (der am Film selbst gar nicht beteiligt war) ein Theaterstück daraus gemacht, das sich inhaltlich ziemlich genau an die Vorlage hält (natürlich Szenen, die nicht auf die Bühne zu bringen waren, ausblendet), nur ein paar Modernisierungen einfügte (die Summen, um die es im Film ging, wurden um einiges erhöht).

Mit seiner Thematik passt die Geschichte natürlich in unsere Zeit – einst bestand die Faszination von „Rain Man“ darin, sich mit einem Behinderten zu befassen, was damals noch nicht so programmatisch betrieben wurde wie heute (nämlich gar nicht). Natürlich ist der Autist des Films ein wahrer Wunderknabe, der Zahlen schneller verarbeitet als ein Computer – und im übrigen in Hoffmans Gestalt zu einer Art kostbaren Geschöpf wie aus einer anderen Welt wurde…

Im übrigens bekommt man die doch recht kitschige Geschichte von einer aufkeimenden Bruderliebe geboten, die den anfangs „bösen“ Bruder evident zu einem besseren Menschen macht – rührendes Kinoschmalz, aber natürlich das, was man gerne zum Thema macht, erachtet man doch Zuneigung in der Familie als rares Gut, das es  zu pflegen (und propagieren) gilt.

Wie bringt man Kino auf die Bühne? In der Scala hat sich Marcus Ganser schon vielfach als besonders talentierter Bühnenbildner erwiesen. Diesmal übertrifft er sich selbst. Auf der Drehbühne (auf die ein räumlich so kleines Haus stolz sein kann) braucht es nur wenige Versatzstücke, die wahre Arbeit leisten die Hintergrundprojektionen und Videos, Computer-Spielereien von Rang, toll in der Stimmung, jeglichen gewünschten „Ort“ herbeizaubernd. Und es geht unglaublich schnell. Allein die Optik gibt dem von Felix Metzner inszenierten Abend besonderes Flair. Besonders drollig, wie sie im Auto über Amerikas Highways brausen, die neben und hinter ihnen vorbei ziehen…  Leopold Selinger gibt den autistischen Raymond, und vielleicht wäre er wirkungsvoller, wenn er leiser agierte, nicht dermaßen als Nervensäge, sondern eher als tragisch-poetisches Geschöpf, gefangen in dem Käfig seines Gehirns.

Aber eigentlich ist ja der Bruder die Hauptrolle (Tom Cruise im Film) – man lernt diesen Charlie Babbit als Mann am Randes des finanziellen Untergangs kennen (in einer köstlich-hysterischen Büroszene zu Beginn), wo auch kein Zweifel daran besteht, wie halbseiden dieser junge Mann ist. Philipp Stix bekommt ihn prächtig in den Griff – der den behinderten Bruder „entführt“, um an die Erbschaft des Vaters zu kommen. Dann bei der Annäherung an dieses brüderliche Alien-Geschöpf echte Zuneigung aufzubauen, ohne in die Kitschfalle zu treten, ist schon  ein kleines Kunststück.

©bettina frenzel

Eine besonders sympathische Ergänzung ist Selina Ströbele als Charlies Freundin Susan, ein Geschöpf mit so schöner Seele, wie man es hoffentlich gelegentlich auch im Leben findet, nicht nur auf der Bühne, wo sie mit Raymond mit aller menschlichen Zartheit umgeht.

Einen Mann, der Raymond hüten soll und es voll Anteilnahme, nicht nur des Geldes wegen tut, spielt Christoph Prückner, und aufopfernd arbeiten sich Sibylle Kos und Ildiko Babos sowie Hendrik Winkler verwandlungsfreudig durch zahlreiche Nebenrollen.

Auch die vierte Vorstellung war gut besucht, das Publikum ließ sich von der schnurgeraden Aussage des Stücks gern beeindrucken und wollte gar nicht mit dem Klatschen aufhören.

Renate Wagner

 

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