Foto: bettina_frenzel
WIEN / Scala:
DONADIEU von Fritz Hochwälder
Premiere am 5. Mai 2018,
besucht wurde die Vorstellung am 16. Mai 2018
Wo sind sie nur, die großen Herren des Theaters, die die „gut gemachten Stücke“ schrieben? Ob sie Fritz Hochwälder hießen oder Jean Anouilh (unvergessenen Angedenkens), selbst Tom Stoppard, der so etwas noch konnte – sie sind vergessen in einem Theaterbetrieb, der auf schlecht gemachte, chaotische Stücke als adäquaten Ausdruck unseres Zeitgeists setzt. Da muss man dankbar sein, wenn ein Theater wie die Scala einmal ein bisschen in die (österreich-eigene) Theaterhistorie hinabsteigt und Fritz Hochwälder hervorzaubert.
Nicht, dass „Donadieu“ sein bestes Stück wäre („Das Heilige Experiment“ und „Der öffentliche Ankläger“ sind beide spannender), aber es ist typisch für eine (moralische und vor allem allgemein gültige) Themenstellung und deren saubere Ausarbeitung. Diese Geschichte aus den französischen Hugenottenkriegen birgt Themen, die – leider und furchtbarerweise – unvergänglich sind: blutige Religionskriege, die Frage nach der Vergeltung von Kriegsverbrechen, schließlich das ewige „Vae victis“, die tragische Chancenlosigkeit der Besiegten immer und überall.
Hochwälder verlegt das stringente Geschehen in das Schloß eines protestantischen Adeligen, dessen Gattin bei einem Massaker der Katholiken getötet wurde – und dem der Täter, der Mörder, der Schlächter (da dachte der Jude Hochwälder 1953 noch an die so unmittelbaren Nazi-Verbrechen) ins Haus schneit. So einfach wird es mit der Rache nicht, und der Autor bringt typische Szenen von Gewalt und Bedrängnis, die normale Menschen treffen, die zwischen die Fronten der Ideologien geraten.
Bernie Feit / Foto: bettina_frenzel
Es ist ein historisches Stück, manchmal mehr behäbig als spannend, aber Bruno Max als Regisseur tut nichts, es künstlich zu verfremden: Das ist eine Geschichte, die in einem soliden Rahmen solide erzählt wird, wobei er und Marcus Ganser als Bühnenlösung das Geschehen diesmal in die Mitte des Gesamtraums stellen und das Publikum an zwei Seiten vis a vis platzieren. Dort, wo Hochwälder holzschnittartig verfährt, versucht es der Regisseur hier und dort mit Psychologisierung, ohne dass die klare ideologische Linie des Ganzen verlassen würde. Immerhin – gerade Bernie Feit als Dichter, der zu den Hugenotten geflüchtet ist, weil er den Katholiken moralisch verdächtig war, darf immer wieder (mit seiner meisterlich klaren Sprache) für Comic Relief sorgen… aber nicht zu sehr. Es ist eine bitterböse Geschichte.
Clemens Aap Lindenberg ist der durch den Mord an seiner Frau gebrochene Mann, der zur Rache schreiten will, aber von der Geschichte (der Krieg ist aus, die Hugenotten sind unterlegen) daran gehindert wird: Wenn er nicht nachgibt, metzelt man seine Leute. Das ist eine kleine Handvoll, Margot Ganser-Skofic als riegelsame, auch ein wenig boshafte Haushälterin, Alina Bachmayr-Heyda als stille Tochter, Roger Murbach als Pfarrer, der Finne Kari Rakkola als schwedischer Hauptmann, Robert Elsinger als Bedienter, und wie das bei gut gemachten Stücken so ist, hat jeder seine genau umrissene Funktion.
Dirk Warme, Wolfgang Lesky Foto: bettina_frenzel
Auf der anderen Seite die beiden katholischen Offiziere, die da ins Haus schneien, und hier herrscht Gleichgewicht: Dirk Warme glaubt man den skrupellosen Mörder, Wolfgang Lesky glaubt man (und das ist weit schwieriger!) den Mann von Anstand, der das Richtige tut.
Natürlich ist das Ganze ein bisserl gestrig und ein bisserl „brav“ (ist Bravsein schlimm?). Aber es fragt sich, ob ein klares Drama wie dieses dem Publikum nicht mehr mitgibt als das zerfranste Stückwerk, das uns heutzutage von Palmetshofer bis Schmalz angeboten wird…
Renate Wagner