Foto: Bettina Frenzel
WIEN / Scala:
DIE ZOFEN von Jean Genet
Premiere: 18. März 2017,
besucht wurde die Vorstellung am 22. März 2017
Man könnte meinen, die Scala habe eine Aufführung von Jean Genets „Die Zofen“ zum Jubiläum angesetzt – das 1947 uraufgeführte Stück ist unglaubliche 70 Jahre alt. Und man versteht die einstige Berühmtheit. Da hat sich Genet, der Underdog, für die Underdogs interessiert, die geknechteten Bediensteten, und er ließ sie Rollenspiele exekutieren, wie er sie im Gefängnis kennen gelernt hatte, und er mischte Haß und Unterdrückung mit Verbrechen, wie er es in der Zeitung las – und das alles war einst sehr radikal und sehr neu und bürgerschreckig herausfordernd.
In Wien hat man die „Zofen“ schon lange vor allem als virtuoses Dreipersonen-Stück für Starbesetzungen gesehen – 1975 gastierten die Züricher bei den Festwochen, Hans Neuenfels inszenierte mit Elisabeth Trissenaar, Rosel Zech und Nicole Heesters. Im Jahr 2000 machten sich im Akademietheater Gert Voss und Ignaz Kirchner den Spaß, die beiden Zofen zu spielen, und Kirsten Dene stürmte als Gnädige Frau herbei. Zuletzt gab es 2008 eine Wiener / Berliner Co-Produktion, in der Luc Bondy Sophie Rois, Caroline Peters und Edith Clever auf die Bühne schickte und dem Stück im Duktus müder alter Frauen jegliche Schärfe und Härte austrieb.
Wenn Babett Arens nun die „Zofen“ in der Scala auf die Bühne schickt, ist kein dezidiertes Regiekonzept zu erkennen, nur dass die Zofen von zwei jungen Frauen gespielt werden und die Herrin ein Herr ist, der starkes Transvestiten-Hautgout verströmt, völlig legitim für den bekennenden Schwulen Jean Genet und auch für das Stück, das immer schon nach Belieben Cross-Gender besetzt wurde.
Was sieht man nun? Zwei hektische junge Frauen, ausreichend differenziert mit Johanna Withalm als sperrige Solange und Johanna Rehm als sinnlichere Claire. Dass das Rollenspiel, das den ersten Teil umfasst (Claire als Herrin, Solange als Zofe variieren Unterdrückung und Aufbegehren) nicht mehr so funktioniert wie früher, wird schmerzlich klar – weder das Bösartige noch das Absurde der Situation fesselt wirklich.
Mit dem Auftritt der Gnädigen Frau in Gestalt von Wolfgang Lesky, zickig, aber durchaus glaubwürdig, kommt etwas harte Klarheit ins Geschehen, aber die finale Tragödie – Claires bewusster Selbstmord – greift auch nicht wirklich. Das Stück hat sich abgenützt. An den Darstellern, die ihren verdienten Beifall entgegennahmen, lag es wohl kaum. Irgendwann wälzt sich die Zeit über jeden hinweg, und wer einst ein aggressiver Revolutionär war, ist heute nur noch ein Dramatiker von gestern.
Renate Wagner