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WIEN / Scala: DIE FRAU IN SCHWARZ

19.02.2023 | KRITIKEN, Theater
©bettina frenzel

Foto:  Theater Scala ©bettina frenzel

WIEN / Scala: 
DIE FRAU IN SCHWARZ von Stephen Mallatratt
nach dem Roman von Susan Hill
Premiere: 18. Februar 2023  

Unterhaltung muss sein, das weiß ein Theaterdirektor mit Weitblick, der auch an sein Publikum denkt, und  Bruno Max ist gewiß ein solcher. Er liefert an seinen beiden Bühnen in Wien und in Mödling einen ausgewogenen Spielplan, und da darf auch zwischendurch ein Thriller dabei sein – schließlich weiß man aus dem Kino, wie gut man sich dabei unterhalten kann, wenn man sich schrecklich gruselt.

Auf dem Theater ist das nicht so einfach zu erzeugen, und wenn es einmal gelingt, dann ist der Erfolg ungeheuer. Dem britischen Autor Stephen Mallatratt ist es gelungen, ein richtiges „Gothic Novel“, also eine klassische Gespenstergeschichte von Buchautorin Susan Hill auf die Bühne zu bringen. Wer immer innerhalb der letzten 30 und mehr Jahre in London war, wird „The Woman in Black“ im Londoner Westend gesehen haben, denn dort steht das Stück seit Juni 1989 ununterbrochen auf dem Spielplan (nicht ganz so lang wie die „Mausefalle“ der Agatha Christie, aber immer noch ein Fall für das „Buch der Rekorde“), Erst heuer im März läuft die Serie endgültig aus, womit es das Stück auf eine fast 34jährige ununterbrochene Theaterpräsenz gebracht hat.

Auch in Wien konnte man die schwarze Dame übrigens sehen, in den beiden englischsprachigen Häusern der Stadt (Vienna’s English Theatre 1989, und im leider nicht mehr existierendem International Theatre 2010), und dazwischen wurde es 2002 in der /(leider auch schon „verstorbenen“) Gruppe 80 gezeigt, Das sei vor allem deshalb erwähnt, weil es natürlich für jene Theaterbesucher am schönsten ist, die die Pointe nicht kennen…

Aber im Grunde kann man sich an einem „well made“ Schauerstück wie diesem immer erfreuen, wenn es gut genug gespielt wird, und das ist hier der Fall. Stephen Mallatratt hat sich als Äquivalent für den Ich-Erzähler des Buches den Trick einer  Rahmenhandlung einfallen lassen. Der alte Anwalt  Arthur Kipps will die schrecklichen Erlebnisse, die ihn seit Jahrzehnten quälen, bewältigen, indem er sie mit einem Schauspieler „spielt“ (auch eine Art von Therapie…).

In der Folge übernimmt der Schauspieler seine Rolle und Kipps spielt die flankierenden Figuren. Bis auf die „Frau in Schwarz“ natürlich, denn dieses Gespenst muss schon in Gestalt einer originalen Dame immer wieder auftauchen…

Kipps wurde einst von seiner Anwaltskanzlei in ein einsames englisches Küstenstädtchen geschickt, wo das „Gespensterhaus“ der verstorbenen Mrs. Alice Drablow noch einsamer (und bei Flut unerreichbar) da liegt. Dass es dort spukt, merkt Kipps bald, warum die „schwarze Dame“ erscheint und Angst und Schrecken verbreitet, das stellt sich im Lauf der Handlung heraus… Wenn man es richtig macht, und das geschieht hier, dann gibt es schon ein paar unterdrückte Entsetzens-Gluckser (und gar keine Lacher), wenn das Gespenst unvermutet auftaucht…

Das Stück gehört zu jenen, die kaum äußeren Aufwand brauchen –  hier reichen neben einer Kleiderablage ein Wäschekorb und zwei Sesseln, von den Darstellern (mit „Umbauverpflichtung“) selbst bewegt, um jede Szene zu versinnbildlichen, nur gelegentlich wird im Hintergrund ein Friedhof, einmal ein Kinderzimmer angedeutet. Sonst ersteht das schaurige Haus, die schaurige Landschaft, die schaurige Handlung mit Hilfe einer Geräuschkulisse (Toneffekte: Fritz Rainer) und durch die Darsteller wie von selbst.

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Beim Schlußappalus  Foto: Herta Haider

Die von Sam Madwar geleitete und ausgestattete Aufführung (für Kostüme, die schnelle Umzüge ermöglichen, sorgte Anna Pollack) läuft etwas langsam an, aber wenn man dann mitten im Stück ist, dürfen die Darsteller ihre ganze Brillanz ausspielen.

Thomas Marchart ist erst der Schauspieler, der Arthur Kipps mit großer Geste zeigt, wie’s gemacht wird, steigt aber dann voll in die Figur des jungen Anwalts ein, der schrittweise und wider Willen in eine Welt von Düsternis, Mystik und Horror hinein gezogen wird. Und Thomas Kamper, anfangs der alte, verzweifelte, verstörte Arthur Kipps, der nur vor sich hin flüstert, fährt zu einer Reihe von prächtigen Studien auf – Männer, die fast alle im Bann des Geisterhauses und der damit verbundenen Tragödie stehen. Eva-Christine Binder schafft es mit ihren stummen Auftritten als schaurige schwarze Dame jede Menge Gänsehaus zu erzeugen…

Es ist natürlich auch ein Schauspielerstück, und im übrigen verbreitet es das wohlige Gefühl des wienerischen „Gemmasifirchtn“…

Renate Wagner

 

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