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WIEN / Scala: DER TOLLSTE TAG

12.01.2023 | KRITIKEN, Theater
©bettina frenzel

©bettina frenzel

WIEN / Scala: 
DER TOLLSTE TAG
von Peter Turrini, frei nach Beaumarchais
Premiere: 12. Jänner 2023 

Wenn ein Autor sich das Werk eines Kollegen vornimmt, um es zu „bearbeiten“, signalisiert er, was ihm daran nicht passt. Peter Turrini, immer auf „scharf“ gepolt, war „Der tolle Tag“ von Beaumarchais zweifellos zu harmlos. Das erklärt sich historisch  – natürlich musste der Dichter jede Menge Zugeständnisse machen, bevor sein Stück über die Hochzeit des Figaro am 27. April 1784 im noch feudalen Paris der totalitären Bourbonen- und Adels-Herrschaft zur Uraufführung kommen konnte. König Ludwig XVI,, der vielleicht gar nicht so dumm war, wie er wirkte, hatte das „Revolutionäre“ daran gerochen, wenn hier ein Diener den Aufstand gegen einen Grafen probte – aber das Ganze sich natürlich mit der Hochzeit des Figaro am Ende in Wohlgefallen auflösen musste… Und gar erst bei Mozart / Da Ponte, wo die Handlung sich ins Neckisch-Spielerische zurück gezogen hat, in alle Ewigkeit von wunderbarer Musik verklärt.

Peter Turrini war gerade 27 Jahre alt, als er mit dem „Tollsten Tag“ seine Bearbeitung von Beaumarchais’ Stück vorlegte, und er durfte am Ende in den Zuschauerraum rufen lassen, was dem Vorgänger verwehrt war: „Revolution“! Er hat Sprache und Handlung zeitgemäß brutalisiert, lässt Figaro den Grafen umbringen, dichtet Figuren (wie den Intriganten namens Bazillus) dazu.  Die Gräfin darf ein Statement als unbefriedigte Frau abgeben (lange bevor das „Gendern“ und diesbezügliche Nörgeln selbstverständlich war), Cherubin ist kein verliebt zappelnder Page, sondern unsympathisch spekulativ, und so bleibt eigentlich nur Titelheld Figaro als einigermaßen anständiger Mensch – der dann zum Mörder wird…

Kein angenehmes Stück, das Peter M. Preissler für die Scala inszeniert hat. Am besten gelingt ihm die Gerichtsszene, schon bei Turrini leicht kabarettistisch in der Darstellung einer durch und durch korrupten Justiz (für eine Aufführung von heute leicht mit ein paar erkennbaren Phrasen aus unserer Polit-Welt anzureichen). Da erreicht uns die Unbehaglichkeit, die das Stück durchaus erzielen möchte.

Es dauert allerdings eine zeitlang, bis es so weit ist. Das Bühnenbild (Marcus Ganser) führt mit einem großen, sich öffnenden Kubus in ein Niemandsland, die Kostüme (Sigrid Dreger) in vollem Durcheinander erst recht, wo ist man da eigentlich? Man versteht nicht, was es soll, dass Mozarts „Figaro“-Handlung da von nicht sonderlich interessanten Figuren nacherzählt wird. Philipp Stix als Figaro ist ein guter Sprecher, der in Lena Antonia Birke eine blasse  Susanne hat. Die Gräfin von Christina Saginth definiert sich nur durch ein seltsames schwarzes Gewand, bis sie ganz am Ende zu einem einigermaßen eindrucksvollen Monolog kommt. Und der immer so präsente Hermann J. Kogler als Graf ist die längste Zeit nur der Herr in Reithosen, der schlechte Laune hat. Und auch der berechnende Cherubin des Alduin Gazquez sucht in dieser so gar nicht verorteten Inszenierung vergeblich seinen Platz. So erzählt sich diese Geschichte nicht.

Wenn Preissler allerdings die Nebenrollen extrem ausstattet, übertreibt er jedes Mal, am schlimmsten bei der Studie von Volltrunkenheit, in der Bernie Feit als Antonio fast peinlich herumbrüllt (in seiner zweiten Rolle, als Schreiber bei Gericht, ist er hintergründiger, diskreter und viel besser). Sibylle Kos als Marcelline und Leopold Selinger als Dr. Bartholo wanken wie Lemuren herbei, die eben aus einer Gruft gestiegen sein könnten, und Raimund Brandner als debiler Diener des Grafen wirkt ähnlich. Randolf Destaller, ganz in Schwarz, spielt den Intriganten wie eine Bilderbuch-Karikatur, Florian Lebek als Richter ist einfach eine Lustspielfigur.

Sicher, wenn das Stück in Richtung brutaler Gewalt Fahrt aufnimmt (laut Turrini kann dem Grafen eine Vergewaltigung nur Spaß machen, wenn er peitschen darf und das Opfer sich wehrt), gewinnt der Abend an Intensität, aber viel zu spät. Am Ende ist es dann kurz und bündig schlecht ausgegangen. Viel mehr ist es nicht gewesen.

Renate Wagner

 

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