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WIEN / Scala:
BURKE & HARE
Eine Ballade über Angebot und Nachfrage
Schwarze Komödie von BRUNO MAX
Uraufführung
Premiere: 28. September 2024
Und treibt mit dem Entsetzen Scherz…
Das Schlimme an der Sache ist: Sie ist wahr. Vielmehr war wahr im Edinburgh des Jahres 1828, wo zwei kleine irische Ganoven zu Massenmördern wurden. Als Protagonisten der „West Port Murders“ gingen William Burke und William Hare in die Geschichtsbücher und Schauerballaden ein. Hintergrund: Leichenraub bzw. Leichenbeschaffung durch Mord, angeregt von der Tatsache, dass rivalisierende Institutionen – die Universität von Edinburgh mit Dr. Alexander Monro und das private Anatomieinstitut von Dr. Robert Knox – mehr Leichen benötigten, als der freie Markt hergab. „Burke & Hare“ klingt nach einer Firma, und gewissermaßen waren sie das auch – im Beschaffungsgewerbe,,,
„Eine Ballade über Angebot und Nachfrage“ hat Bruno Max folglich sein neues Stück „Burke & Hare“ genannt, und obwohl auf der Bühne gemordet und hingerichtet wird, ist es ihm als sein eigener Regisseur doch gelungen, all dies im Rahmen einer schwarzen Komödie nie degoutant ausufern zu lassen. Nicht vergessen – den Namen „Theater zum Fürchten“ hat die Scala in der Wiedner Hauptstraße immer noch im Untertitel.
Max ließ sich von den überlieferten Fakten ebenso inspirieren wie von Elementen der berühmten Verfilmung der Geschichte im Jahre 2010. Einiges hat er verändert – so hat Charles Darwin damals wirklich in Edinburgh Medizin studiert, allerdings bei Monro, während er im Stück als Assistent von Knox fungiert. Aber für eine schwarze Komödie muss man keine exakten historischen Forschungen anstellen, solange das Geschehen auf der Bühne stimmt. Bruno Max hat kleinteilig gearbeitet, viele Kurzszenen, die (auch dank der Drehbühne, die sich das kleine Haus leistet) fugenlos in einander übergehen und in schneller Folge in verschiedenen Welten spielen. Da sind die rivalisierenden Professoren, da ist die Pension von Hare und seiner Frau, da ist Burke mit seiner Geliebten Helen, deren Theateraufführung von „Macbeth“ er finanziert, da sind die Volks- und Straßenszenen, die durchaus einiges von hektischem Lokalkolorit vermitteln (und dass das Hängen von Verbrechern zur Volksbelustigung gehörte, das war damals überall der Fall…)
Da ist also William Burke (Thomas Marchart), nicht ganz so gewissenlos wie sein Kollege, aber aus Geldgier durchaus bereit zu morden – tatsächlich hat es seine „Methode“, sich auf Menschen zu legen und sie zu ersticken, den Fachausdruck „Burking“ hervor gebracht. Pfiffiger und skrupelloser geht William Hare (ein köstlicher Bernie Feit) vor, und seine Ehefrau Lucky (Stephanie-Christin Schneider) macht mit erschreckender Kaltblütigkeit mit. Helen McDougal hingegen (Lisa-Carolin Nemec) hat nur ihre Theaterkarriere im Kopf und wie sie Burke dafür das Geld aus der Tasche ziehen kann. Ein wirklich farbiges Quartett.
Aber Jörg Stelling als stets empörter Munro und Christopher Korkisch als stets voll Galle zappelnder Knox bringen als rivalisierende Professoren ihrerseits viel Farbe (und akademisches Gekeife) ins Spiel, Max Kolodej ist jener Gehilfe Charles Darwin, der erst im Epilog viele Jahre später als der große Wissenschaftler kenntlich wird, Robert Notsch hat sich einen geistig armen Tölpel ein wenig von Pichowetz (seligen Angedenkens) im „Kaisermühlenblues“ abgeschaut. Ein großes Ensemble wird von noch einigen Damen und Herren komplettiert, die für alle restlichen Rollen zur Verfügung stehen.
Das Premierenpublikum zeigte sich weniger von menschlicher Schlechtigkeit verschreckt als vom Theaterspaß unterhalten.
Renate Wagner