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WIEN / Scala: BRASSED OFF

20.10.2016 | KRITIKEN, Theater

Brassed off  Christian Kainradl, Eszter Hollosi
Foto: Theater Scala

WIEN / Scala:
BRASSED OFF von Paul Allen nach einem Film von Mark Herman
Ein Projekt des Stadttheaters Mödling in Kooperation mit der Blasmusik Mödling
Premiere: 20.
Oktober 2016

Vor genau 20 Jahren, 1996, war “Brassed off” ein wichtiger Meilenstein in einer ganzen Reihe britischer Filme, die sich mit dem damaligen sozialen Elend im Land (Lieblingsfeindin: Margaret Thatcher) auseinander setzten, dies aber auf so kulinarische Weise taten, dass man des Unterhaltungseffekts wegen Hunderttausende ins Kino zog. Also hat Paul Allen prompt ein Theaterstück aus dem Film von Mark Herman gemacht, was damals für die Briten sinnvoll gewesen sein mag.

Zwanzig Jahre später in Wien tut sich das Stück überraschend schwer, obwohl ihm die Scala alle Sorgfalt und Liebe einer vorzüglichen Aufführung angedeihen ließ. Aber erstens interessiert sich wohl selbst in England niemand mehr für das tragische Ende der englischen Braunkohlenzechen, zweitens ist die Dramaturgie des Ganzen höchst bescheiden (endlose Wiederholungen von Szenen), drittens die Moral so dick aufgetragen, dass man mit der Sache nicht glücklich werden kann.

Nun gut, die Bergarbeiter sehen sich nicht nur in ihrer Existenz bedroht (und ihre tapferen Frauen demonstrieren für sie), sie machen auch Musik. Bilden eine Blasmusikkapelle. Das war damals der Clou des Films, und Bruno Max konnte für seine Vorstellung (die an seinem Zweittheater in Mödling Premiere hatte) immerhin Profis hinzuziehen, die Blasmusik Mödling, die wirklich flott in ihre Instrumente schmettern – und wer kann schon dem „Florentiner Marsch“ von Julius Fucik widerstehen? Ich bestimmt nicht, und das Publikum auch nicht, und bevor das Ende des Stücks in Tränen versinkt (ungeachtet der zutiefst wahren Aussage: „Wären wir verdammte Seehunde oder verdammte Wale, dann würden jetzt alle auf die Barrikaden gehen – sind wir aber nicht. Wir sind ja nur Menschen.“), wird man mit einer Zugabe einigermaßen fröhlich entlassen.

Dabei ist das Stück, so geschickt der Humor eingeflickt wird, wirklich tragisch. Arbeitslosigkeit, Menschen, die infolge der Gier der Konzerne auf die Straße gesetzt werden, das zerreißt einem das Herz. Das möchte man eigentlich nicht so schön verkitscht und „aufbereitet“ sehen.

Aber sei’s drum, Bruno Max hat hineingebuttert, was er an starken Schauspielern hat – den großartigen Georg Kusztrich, den nicht minder großartigen Leopold Selinger, den nicht minder großartigen Bernie Feit, wer zählt die Namen? Man leidet mit dem Elend, das Christian Kainradl wider Willen seiner Familie aufbürden muss, und lächelt über die 13jährige Sheila (prächtig ausgewogen gespielt von Carina Thesak), die als Erzählerin fungiert, man bewundert die starken Frauen Christina Saginth, Sybille Kos, Eszter Hollosi, und das junge Liebespaar, das seine Probleme so liebenswert hinstellt (Jacqueline Rehak und Wolfgang Fahrner), mag man auch.

Aber sie alle wären doch in einem besseren Stück auch einzusetzen gewesen? Andererseits mögen die Wiener Märsche, und die gibt’s an diesem Abend reichlich…

Renate Wagner

 

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