Fotos: Bettine Frenzel
WIEN / Scala:
ADEL VERPFLICHTET von Dogberry & Probstein
Eine schwarze Komödie nach dem Roman von Roy Horniman
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 29. November 2025,
besucht wurde die dritte Vorstellung am 3. Dezember 2025
Der Klamotte verpflichtet
Wem bei dem Titel „Adel verpflichtet“ der alte englische Film mit Alec Guiness einfällt, der sollte ihn sich ja nicht wieder ansehen, bevor der zu dem gleichnamigen Theaterabend in die Scala geht. Hat die Komödie von 1949 ebenso elegant wie ironisch-satirisch die britische Nobelkaste aufs Korn genommen, so bestand der besondere Clou zudem darin, dass Alec Guiness nicht nur den Ich-Erzähler spielte, sondern auch alle seine adeligen Verwandten, die ihm im Weg standen, um endlich den Titel eines 11. Earl of Gascoyne zu erben. Dabei purzelten phantastische kleine Charakterstudien von der Leinwand, ebenso übrigens bei den beteiligten Damen, die unter Hüten und Schleiern beachtliche Entschlossenheit und sexuelle Ambitionen zeigten. Kurz gesagt, „Adel verpflichtet“ wird längst zu den besten britischen Filmen je gezählt.
Man kann sagen, dass sich nichts davon auf der Bühne wieder findet. Man muss sich darauf einlassen, dass das österreichische Autorenduo, das sich Dogberry & Probstein nennt (zwei komische Shakespeare-Figuren nebenbei bemerkt), sich zwar auf dasselbe Buch-Original zurück zieht, von dem der Film ausgegangen ist, aber dort gänzlich Verschiedenes von dem findet, was man auf der Leinwand sieht. Da wohl die wenigsten von uns „Israel Rank: The Autobiography of a Criminal“ von Ron Horniman (1907) gelesen haben und es wegen dieser Theateraufführung auch nicht tun werden, kann man nicht sagen, welche Version „stimmt“. Ist ja auch egal. Das Theaterstück steht für sich selbst.
Es sollte allerdings nicht „Adel verpflichtet“ heißen, sondern „der Klamotte verpflichtet“, denn diese ist das Stilprinzip der Autoren, die da ziemlich hemmungslos verfahren. Auch müssen bei ihnen wenige Schauspieler alle Rollen spielen, ein bewährtes. Immer öfter angewandtes Komödien-Bühnenprinzip, das schnelle Verwandlungen, Präzision und externe darstellerische Disziplin verlangt. Was letzteres betriff, so sind viele Szenen in der Regie von Robert Notsch so verschwankt, dass die ganze Bühne zu wackeln scheint. Auch wird vieles gar zu oft bemüht (etwa der Auftritt des Vaters des Helden als Mariachi-Sänger), dass es nur noch dumm und nicht mehr lustig wirkt.
Immerhin steht der Abend durch zwei Hauptdarsteller auf festen Beinen. Thomas Marchart als gebürtiger Victor Lopez, der sich geradezu mit Gelassenheit zum Earl hoch mordet, hat als einziger an diesem Abend eine Art Stil, der ihn in die Nähe der von Alec Guiness verkörperten Figur bringt, er versagt sich so weit irgend möglich dem Geblödel (außer, wenn er Cleopatra spielen muss…), schreitet mit Würde durch sein zugegeben höchst ungewöhnliches Schicksal.
In dieser Fassung erzählt er es seinem Henker, den Bernie Feit als Figur köstlich ausformuliert, ein sachkundiger Bewunderer der Tötungsarten.

Markus Tavakoli hat es auf sich genommen, alle Gascoynes, die nach und nach unnatürlich aus dem Leben scheiden, zu spielen, einige in aller Ausführlichkeit ,etwa als Schauspieler, der im Stummfilm Antonius verkörpert, oder die Suffragette Ughtretta Gascoyne (im Film Lady Agatha D’Ascoyne), und da muss er oft so sprudelnd aufdrehen, dass jede Präzision im Klamotten-Crash untergeht.
Auch die beiden Damen in vielen Rollen (Selina Ströbele und Lisa-Marie Bachlechner) sowie Simon Brader (u.a. als schrecklich distonierender mexikanischer Vater des Helden) sind zu Überaktion angehalten. Allerdings ist dies auch das vorgegebene Stilprinzip – die Pradler haben schließlich auch ihre Fans. Und manchmal darf im Theater ja auch der Unsinn losgaloppieren.
Renate Wagner

