WIEN / Römer Museum:
KELLERGESCHICHTEN
Ein rätselhaftes römisches Gebäude am Bauernmarkt
Ein Heiligtum?
Ein Kerker?
Eine Schatzkammer?
Die Ausstellung ist wirklich sehr klein. Sie umfasst einen schlauchartigen Raum im ersten Stock des Römer Museums, wird folglich „Kabinettausstellung“ genannt. Aber für die Wiener Stadtarchäologie ist es wichtig, dass man am Bauernmarkt einen 450 m² großen Keller aus der Römerzeit entdeckt hat, den man zeitlich im 4. Jahrhundert nach Christus einordnet. Auch für ein Römerlager ist ein solcher unterirdischer Raum groß. Und wofür diente er? Die Antwort ist noch nicht gefunden, es gibt verschiedene Möglichkeiten. Das zeigt das vom Wien Museum betriebene Römer Museum nun unter dem Titel „Kellergeschichten“ mit Bildern, Objekten, erklärenden Skizzen und textlichen Erläuterungen.
Von Renate Wagner
Die Wiener Stadtarchäologie Man erinnert sich, vor Jahren war auch der Michaelerplatz offen und man konnte auf darunter liegende Schichten der Stadt blicken, wobei die Römer noch von zahlreichen Epochen überbaut wurden. Dennoch sucht man in Wien immer wieder nach Römerresten – es ist allerdings selten, dass man etwas so Spektakuläres findet wie diesen übergroßen und gut erhaltenen, massiv gebauten Kellerraum, 30 mal 15 Meter groß und 5 Meter tief, Lage: Ecke Jasomirgottstraße.
Alle Fotos: Wien Museum
Die „logische“ Antwort Das Legionärslager Vindobona war eine der Grenzfestungen an der Donau, mit denen sich das Römische Reich von den Germanen jenseits des Flusses abschottete, gleichzeitig aber die unterdrückten Völker der Provinzen, die hier der römischen Herrschaft unterlagen, in Schach hielten. Mit einem Wort: eine permanente Krisen-Situation. Wobei das Lager, im ersten Jahrhundert angelegt, im Lauf der Zeit zu einer ummauerten Festungsstadt mit Zivilisten und normalem Alltagsleben geworden war. Eine solche Anlage brauchte ein Gefängnis. Und dass dieser Kellerraum in der Nähe der Kaserne lag, spricht dafür. Auch dass es ein kleines Fenster knapp über dem damaligen Boden gab. Tatsächlich sprechen die meisten Indizien für diesen Verwendungszweck.
Rätsel für die Wissenschaft Aber was bedeutete die Säule vor dem Fenster? Wieso war in den Keller ein Korridor eingebaut? Beides würde auf einen sakralen Zweck hindeuten. Da der Raum später mit Bauschutt aller Art aufgefüllt wurde, kann man nicht sagen, ob hier gefundene Objekte zu dem Keller gehört haben und zufällig hierher geraten sind. Nicht zum ersten Mal fühlt man sich in der Archäologie wie in einem Kriminalroman. Und die Wissenschaft hält auch andere Verwendungsmöglichkeiten als einen Kerker für möglich – etwa einen Mithras-Tempel oder auch eine Schatzkammer. Am Ende war es sogar ganz prosaisch nur ein Getreidespeicher.
Nur der Anfang Die Ausstellung versucht also, den Status Quo der Erkenntnisse über dieses „neue Puzzlestück der Stadtgeschichte“ darzustellen. Für die Archäologen ist die Arbeit noch lange nicht zu Ende. Viele offene Fragen sind noch im Kontext dessen zu behandeln, was man sonst von der Spätantike bzw. über Vindobona der damaligen Zeit weiß. So spannend kann die Vergangenheit sein.
Römer Museum
Hoher Markt 3, 1010 Wien
Eine Außenstelle des Wien Museums
KELLERGESCHICHTEN,
Kuratorisches Team_ Sophie Insulander, Michaela Kronberger, Martin Mosser, Kristina Adler-Wölfl
Dienstag bis Freitag, 09:00 bis 17:00
Samstag und Sonntag, 10:00 bis 17:00
Seit 26. Juni 2025,