Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN / Renaissancetheater: WUTHERING HEIGHTS – STURMHÖHE

30.03.2017 | KRITIKEN, Theater
Szenefoto

Alle Fotos: Rita Newman

WIEN / Theater der Jugend im Renaissancetheater:
WUTHERING HEIGHTS – STURMHÖHE
nach Emily Brontë von Thomas Birkmeir
Premiere: 29. März 2017

Die Braven und Angepassten schaffen nur selten große Kunstwerke. Emily Brontë (1818-1848), die gerade 30 Jahre alt wurde (und von der es hieß, dass sie bewusst willentlich starb, weil sie ärztliche Hilfe verweigerte), muss für ihre Familie eine ziemliche Plage gewesen sein. Und für die Mitwelt ein sagenhafter Schock: 1847 erschien (unter Pseudonym) ihr einziger Roman „Wuthering Heights“ (zu Deutsch als „Sturmhöhe“ bekannt), der alle Erwartungen an Frauenliteratur und „Liebesromane“ unterwanderte. Tragische Liebe durfte ja sein, aber sie hatte romantisch und unter edlen Charakteren abzulaufen.

Weder Catherine Earnshaw noch Heathcliff sind solche, im Gegenteil, beide wirken in ihrer Exzentrik auf Normalmenschen eher erschreckend – ihr egoistisches, manipulatives, besitzergreifendes Wesen, sein Außenseitertum, das durch elende Behandlung durch die Umwelt dann in blanke Grausamkeit umschlägt. Zu viel für eine bürgerliche Gesellschaft, die damals Romane las. Interessant allerdings für die Nachwelt.

Wenn Thomas Birkmeir „Wuthering Heights – Sturmhöhe“ nun in höchst geschickter eigener Bearbeitung auf die Bühne des Renaissancetheaters bringt, mutet er einem jugendlichen Publikum (als Alter ist 13 + vorgesehen) einiges zu. Nicht nur elende Familienverhältnisse und schäbige, verrottete Menschen, auch jede Menge körperlicher und seelischer Grausamkeit. Demütigungen, Beleidigungen, Enttäuschungen, Besessenheit, Sadismus, Rache… kaum etwas, das die junge Miss Brontë ausgelassen hat, also muss es der Regisseur auch nicht.

Und Birkmeir zieht noch – das ist vielleicht ein bisschen penetrant – einen weiteren Strang in die Handlung, um das Stück heutiger und interessanter zu machen. Heathcliff ist an sich ein verlorener Waisenjunge, der von Mr. Earnshaw auf den Straßen von Liverpool aufgelesen und heimgenommen wird, sehr zum Missfallen eines Teils seiner Familie (nur Catherine nimmt sich des Jungen an und macht ihn zu ihrem „Sklaven“ – eine gegenseitige Beziehung, die an Besessenheit grenzt).

Bei Birkmeir muss Heathcliff ein Ausländer sein, der von dem Boot erzählt, mit dem er übers Meer gekommen ist… ein Flüchtling, kurz gesagt, der so schlecht behandelt wird, wie es Flüchtlingen oft ergeht. Besteht die Moral (in diesem Fall der Bearbeitung) in der Erkenntnis: Seid nicht böse zu ihnen, sonst werden sie böse? Vielleicht funktioniert diese simple Aussage bei Jugendlichen. Tatsache ist, dass der erste Teil des Abends vor allem auf die Demütigungen von Heathcliff hinausläuft, und dass das eigentlich schwer mit anzusehen ist. Der zweite Teil handelt dann von der Besessenheit Catherines und endet mit ihrem Tod.

Birkmeirs Bearbeitung ist fraglos sehr geschickt, zumal er sich mit dem halben Werk begnügt, die nächste Generation ist ausgespart, aber zweifellos sind Catherine / Heathcliff der stärkste Teil der Geschichte. Die Reduktion auf sieben Personen (die manchmal auch schattenhaft in anderen Nebenrollen auftreten) funktioniert, Nelly Dean bleibt, wie im Roman, die Erzählerin, und im übrigens sind neben dem bösen Bruder und dem Geschwisterpaar Linton nur noch der alte Joseph dabei – der Diener, der mit seinem Katholizismus nervt, der den unmoralischen Agnostikern entgegengestellt wird, aber durch die fast parodistische Gestaltung von Florian Stöhr kaum positives Gewicht erhält. Für dieses ist einzig und allein Elisabeth Findeis als treue Dienerin Nelly zuständig, die alles versteht und alles verzeiht.

Szenefoto

Luka Dimic als Heathcliff wandelt sich auch optisch überzeugend vom struppigen, von allen getretenen Naturkind zum gnadenlosen, sadistischen Herrenhausbesitzer, das hat Kraft und Stil. (In Birkmeirs Fassung wird impliziert, dass er sich nach Catherines Tod erschießt, im Roman überlebt er sie um Jahrzehnte und macht eine weitere Generation unglücklich. Der „Gespenster“-Effekt, dass sie ihm erscheint, stimmt und macht „Wuthering Heights“ nicht nur zum Psychodrama, sondern auch noch zu einer Gothic Novel.)

Felicitas Franz ist von Catherines Jugend an so hyperaktiv-hektisch, dass sie später keine Schwierigkeit hat, sie als Borderline-Persönlichkeit mit geringem Realitätsbezug und hochgradiger, aggressiver Hysterie zu gestalten. Pascal Groß ist ihr hochmütiger, bösartiger Bruder, Jürgen Heigl ihr knieweich-freundlicher Ehemann und Aline-Sarah Kunisch die Frau, die meint, Heathcliff durch Liebe zähmen zu können, und dabei fast zugrunde geht.

Kurz, eine rundum unerfreuliche Geschichte, die sich als Buch im stillen Kämmerlein leichter rezipiert als auf der Bühne, wo die ganze Brutalität des Geschehens direkt auf den Zuschauer zukommt. Wobei die Bühnenbildlösung von Vanessa Achilles-Broutin mit einer starken Bühnenbodenschräge, in die eine Drehbühne eingearbeitet ist, die sich nicht nur dreht, sondern auch hebt und senkt, überaus eindrucksvolle Effekte bietet. Die Kostüme von Irmgard Kersting wandern quer durch die Zeit.

Etwas mehr als zwei Stunden Spieldauer, die vor Intensität platzen. Das Premierenpublikum zeigte sich sehr beeindruckt.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken