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WIEN / Renaissancetheater: TOM & HUCK

27.05.2021 | KRITIKEN, Theater
theater der jugend | tom & huck (renaissancetheater)

Foto: Rita Newman

WIEN / Theater der Jugend im Renaissancetheater:
TOM & HUCK nach Mark Twain
von Clemens Pötsch und Felix Metzner
Premiere: 26. Mai 2021

Tatsächlich, manchmal möchte man Autoren regelrecht in Schutz nehmen vor jenen, die sie „bearbeiten“, sich aber nur ihrer Namen und Reizworte bedienen und dann machen, was sie wollen. Die Absicht mag – vielleicht – noch gut gewesen sein, am Ende ist doch reinster und ärgerlicher Etikettenschwindel draus geworden.

Was das Theater der Jugend nach der Pandemie-Schließung nun „live“ im Renaissancetheater zeigt, trägt zwar den Titel „Tom & Huck“ (wo jedes Kind schon selig vor sich hin flüstern sollte: Tom Sawyer und Huckleberry Finn!), ist aber so weit von den Originalen entfernt, dass die Autoren Clemens Pötsch (Dramaturgie) und Felix Metzner (Regie) nicht einmal das Recht hätten, „nach Mark Twain“ auf den Theaterzettel zu setzen. Von den berühmtesten Jungen der amerikanischen Südstaaten in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts ist nichts mehr geblieben. Die Geschichte, die in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts verschoben wurde und höchstens noch behaupteter Weise in dem kleinen Städtchen St. Petersburg spielt, bietet nichts vom Original.

Dazu kommt als allerschlimmstes Verbrechen dem Original gegenüber, dass Huck Finn (unser vollmundiger Huck, der am Mississippi stromert und sich mit Sklaven anfreundet) – ein Mädchen geworden ist. Zweifellos nur eine wohl berechnete Verbeugung vor dem Zeitgeist, damit man alles auch ganz, ganz richtig macht. Aber Huckleberry Finn ist keine Pippi Langstrumpf, die ist als Mädchen gemeint, er als Junge, Wann bekommen wir nach all dem Gender-Wahn schlicht einfach die Geschlechter wieder zurück (ohne Wertung und Abwertung)?

Wir wollen gar nicht im Detail reklamieren, was alles nicht stimmt – und wenn bei Tom die zentrale Szene fehlt, wo er die Arbeit, seinen Zaun zu streichen, an seine Schulkollegen „verkauft“, dann hört sich alles auf. Dafür sind er und Mädchen „Finnea Huckleberry“ (da sträuben sich einem die Haare) keine Schatzsucher mehr, sondern wollen Raumfahrer sein. Und ist eine Tante Polly, die in einem Atomkraftwerk arbeitet, noch eine Tante Polly?

Aus diesen 60er Jahre-Motiven, die historischer wirken, als es ein Huck mit dem entlaufenen Jim auf einem Floß am Mississippi wären, basteln die Autoren ein neues Stück, das für Mark-Twain-Liebhaber keinerlei Reiz hat. Dass Kindertheater immer (wenn auch möglichst hintergründig) belehren darf, ist klar, so wird Underdog Huck dann in die Familie aufgenommen und Becky ist nicht einfach ein Mädchen, nein, sie ist so toll in Physik und Atomphysik und was immer, dass sie den Supergau eines Kraftwerks stoppen kann… nein, stopp, Kinder sind ja auch nicht blöde, dass man ihnen das vorsetzen kann.

Dass im Theater der Jugend immer gute Schauspieler unterwegs sind, weiß man, aber so richtig kindlich wirken Stefan Rosenthal (Tom), Victoria Hauer (Huck) und Runa Schymanski (Becky) allerdings nicht, das hat man schon besser gesehen. Die Erwachsenen scheinen aus einem Doris-Day-Film entkommen, und diese naiven Zeiten will man nun doch nicht herauf beschwören.

Dass es den Kindern im (notgedrungen nur) halb gefüllten Renaissancetheater gefallen hat, könnte man nach ihrem Applaus schließen. Aber höchstens jenen, die noch sehr naiv sind – und die noch nie ein „Tom Sawyer“ oder „Huckleberry Finn“-Buch in der Hand gehabt haben.

Renate Wagner

 

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