sirene“-Operntheater mit einer Uraufführung: Kammeroper „MarieLuise“ von Gernot Schedlberger (Vorstellung: 3. 1. 2013)
Foto: sirene operntheater
Das „sirene“-Operntheater, das von Kristine Tornquist und Jury Everhartz geleitet wird und schon einige Erstaufführungen dem Wiener Publikum bot, brachte am Silvestertag im Palais Kabelwerk in Wien-Meidling die Kammeroper „MarieLuise“ des oberösterreichischen Komponisten Gernot Schedlberger (geb. 1976) zur Uraufführung.
Das Libretto des Werks in 17 Bildern verfasste Kristine Tornquist, die auch selbst Regie führte. Der Inhalt in Kurzfassung: MarieLuise sind siamesische Zwillinge, die sich als Spezialistinnen fürs Gemeinsame fühlen. Als sie sich politisch betätigen (für die Partei der „Gelben“ und für die der „Violetten“), werden sie Konkurrentinnen und auf grausame Art und Weise mit den Mechanismen der Macht – von der Kampfabstimmung bis zur Intrige – konfrontiert. Als Luise zulässt, dass sie gegen Marie ausgespielt wird, geht Marie in Opposition, die auch dann nicht endet, als der Ausflug in die Politik längst wieder zu Ende ist. Nach der operativen Trennung der siamesischen Zwillinge wacht Luise allein auf und fragt sich, ob sie nicht Marie ist. Und wo ist eigentlich Marie, ihr zweites Ich?
Kristina Tornquist – sie hatte auch die Idee zu dieser Kammeroper – inszenierte das Werk sehr anschaulich, wobei als Prolog ein Sprecher in der Rolle des Dr. Z (Klaus Rohrmoser rezitierte sehr wortdeutlich) über Mathematik von der Zahl 1 als kleinste Einheit der ganzzahligen Mathematik bis ins Unendliche (Zitat: „Das Unendliche ist die große Unbekannte, sozusagen das Trauma dieser Mathematik.“) philosophierte.
Sein Schlusssatz zum Publikum: „Sie haben das Zählen erfunden. Also zählen Sie weiter, Ich erzähle.“ Sehenswert das Bühnenbild von Andrea Költringer, das eine riesige schwarze Wand voller mathematischer Formeln zeigte, deren Teile so verschoben werden konnten, dass die Darsteller in verschieden großen Fenstern sichtbar wurden. Die zeitgemäßen Kostüme – vor allem Arztkittel – entwarf Markus Kuscher.
Warum der Sprecher eine Schildkröte bei sich trug, die er auch einmal über den Boden kriechen ließ, blieb unergründlich. Zwar ist die Schildkröte ein kosmogonisches Symbol, also für die Lehre von der Entstehung des Weltsystems, andererseits gilt sie unter anderem als Sinnbild des Hauses und wird auch als Symbol der Frau gesehen. Nun, vielleicht ist das die Verbindung zu den weiblichen siamesischen Zwillingen?
Die Darsteller der siamesischen Zwillinge waren in rosa Seidengewänder gehüllt und sahen einander in der Tat zum Verwechseln ähnlich. Marie und Luise wurden von den beiden Mezzosopranistinnen Iwona Sakowicz und Salina Aleksandrova stimmlich wie schauspielerisch überzeugend gegeben. Alle anderen Sänger hatten Doppelrollen: der Tenor Richard Klein spielte den Politiker Albin Fux und den Arzt Dr. Chop, der Bass Johannes Schwendinger den Politiker Alexander Falk und den Arzt Dr. Dimezza, die beiden Baritone Johann Leutgeb und Günther Strahlegger agierten als Prof. Hirsch und Dr. Neher sowie als Dr. Bock und Dr. Morcellier. Gerhard Hafner spielte einen Friseur und einen Reporter der „Tagesparole“, Lisa Rombach eine Reporterin des „Täglich Heute“ und die Operationsschwester Dolores. Es gab also
zum Schmunzeln viele „sprechende“ Namen bei den diversen Rollen, die allesamt ordentlich besetzt waren.
Die im modernen Stil gehaltene Partitur wurde von dreizehn Musikern, die als „Das Rote Orchester“ firmierten, unter der Leitung des Komponisten Gernot Schedlberger wiedergegeben, wobei der erste, humorvoll gehaltene Teil des Stücks vor allem durch Bassklarinetten illustriert wurde und gegen Ende die Musik der Melancholie des Schlussteils adäquat entsprach.
Das Publikum zollte trotz gewisser Längen des ohne Pause gespielten fast zwei Stunden dauernden Werks allen Mitwirkenden lang anhaltenden Applaus.
Udo Pacolt, Wien – München