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WIEN / Off Theater . UNGEREGELT

Witz statt Wut

30.04.2025 | KRITIKEN, Theater

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Foto: Wagner

WIEN / Off Theater /  Open Box:
UNGEREGELT
Von und mit Jo Bertl, Anne–Sophie Delmas, Amina Mostageer
Ein „Luna“ Projekt
Premiere: 30. April 2025 

Witz statt Wut

Menstruationsprobleme? Also bitte! Jede Frau auf Erden plagt sich ungefähr 40 Jahre ihres Lebens damit. Schmerzen, Krämpfe, lähmende Erschöpfung? Ist doch normal. Mach nicht so ein Theater darum. Bist Du hysterisch oder hast Du ein Aufmerksamkeitsdefizit, weil Du Dich so aufführst?

Manche Frau mag dergleichen schon gehört haben – und schmerzlich bemerkt, dass die Mitwelt mit diesem „schmutzigen“ Detail des weiblichen Körpers und weiblichen Lebens möglichst wenig zu tun haben möchte. Dabei sind Vernichtungsschmerzen, wie sie rund zehn Prozent (!) der Frauen quälen, keine Einbildung. Mittlerweile gibt es endlich eine Diagnose: Sie lautet Endometriose und hat einen Nachteil. Man kann sie noch nicht heilen, weil sich die Medizin erst seit kurzem damit beschäftigt…

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Drei junge Schauspielerinnen (eine von ihnen wohl eine „Betroffene“, sie sagen natürlich nicht, wer), haben sich nun über das Thema hergemacht, ohne Scheu, blutige Fakten beim Namen zu nennen. Aber wenngleich sie angesichts dessen, wie mit betroffenen Frauen umgegangen wird, zweifellos Groll und Wut hegen, haben sie sich dafür entschieden, das Thema mit Witz und Selbstironie anzugehen. Es wäre der billige Weg gewesen, die Mitwelt, die Ärzteschaft und auch das Schicksal bitter anzuklagen und sich als Opfer darzustellen. Jo Bertl, Anne–Sophie Delmas und Amina Mostageer zeigen hingegen, wie man mit dem Problem auch umgehen kann.

Sie haben sich den Text selbst geschrieben und haben sich auch selbst inszeniert – eine bemerkenswerte Leistung, die in eineinviertel Stunden im Off Theater Premiere hatte und verdient stürmischen Applaus erntete. Denn „Ungeregelt“ hat viel von einem hoch unterhaltsamen Kabarett, ohne sein Thema deshalb zu verraten.

Sie beginnen mit der Geschichte eines Prinzeßchens namens Mathilda, das alles hat – nur, um zu entdecken, dass durch Privilegien im Leben ihr das ganz normale Frauenschicksal nicht erspart bleibt. Die unerträglichen Menstruationsschmerzen treiben sie von einer Ärztin zur nächsten, die alle bloß alles für „normal“ erklären und vermuten, die junge Dame wolle sich wichtig machen. So schlimm wird’s doch nicht sein…

Bis der Abend sich von der Realsatire auf die Metaebene begibt. Das gebeutelte Prinzeßchen sieht sich plötzlich mit ihrem personifizierten Körper konfrontiert, der seiner Besitzerin eine Menge zu sagen hat. Und schließlich gesellt sich noch Endometriose persönlich zu ihnen, die Dritte im Bunde, die man leider nicht los werden kann.

Dass es keine Lösung gibt, wissen die drei jungen Schauspielerinnen selbst. Aber dass man mit einem Leiden besser umgehen kann, wenn man es kennt (und, verdammt noch mal, akzeptiert), ist wohl klar. Außerdem muss man sich nicht mehr sagen lassen, dass man der Mitwelt aus Geltungssucht etwas vorjammert. Und vielleicht fällt Ärzten und Pharmaindustrie eines Tages etwas ein, das zehn Prozent der Frauen dieser Welt von dieser Last befreit…

Was die drei jungen Schauspielerinnen auf leerer Bühne, mit nur drei Sitzhockern, leisten, ist bemerkenswert. Nicht nur das trotz ihrer Jugend ausgereifte Können. auch die Art, wie sie das Thema gestalten und präsentieren. Sie sind dauernd in Bewegung, wechseln die Rollen, interagieren mit Präzision, beziehen gelegentlich das Publikum mit Witz ins Geschehen ein, das zusätzlich viel des gängigen Zeitgeists  aufs Korn nimmt. Anne Sophie Delmas als Mathilda bringt Schmerz teils ironisch, teils aber auch beklemmend echt herüber, Jo Bertl legt als „Körper“ hinreißende Dialekt-Passagen ein, in denen sie auch das Publikum anspricht, und  Amina Mostageer  stellt  sich als ganz große Komödiantin vor.

Theater sollten sich um diese Produktion (von den Damen selbst unter dem Namen „Luna“ auf die Bühne gestellt)  reißen. Sie hat etwas zu sagen und ist außerdem höllisch unterhaltsam.

Renate Wagner

 

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