WIEN/ NEW YORK: LA TRAVIATA – Die Met im Kino – 14.4.2012
Man soll das Jahr nicht vor dem Ende loben, der Abschluss der MET-Übertragungen war kein Meisterstück, es war eher der künstlerische Tiefpunkt einer ansonsten gelungnen Saison. Welche Gründe Peter Gelb dazu bewogen haben, die wenig charmante Inszenierung Willy Deckers aus Salzburg 2005 zu übernehmen, sind schleierhaft, vielleicht war sie preisgünstig. Eine seltsame Personenführung passen genau zu dem kalten Ambiente, das nicht im mindesten Pariser Flair ahnen lässt. Auch die ständige Präsenz des Todes – hier pikanterweise in der Gestalt des Dr.Grenvil – macht die Szenerie nicht stimmungsvoller.
Musikalisch darf man auch einige Mängel feststellen. Fabio Luisi, der gerade dabei ist, durch zu häufige Präsenz seine Karriere, möglicherweise auch seine Gesundheit, zu gefährden, war an diesem Abend ein allzu unauffälliger Leiter eines nicht in Bestform agierenden Orchesters. Natalie Dessay bewies nach den vorangegangenen Auftritten in Aix und Wien, dass sie mit der Rolle der Violetta deutlich überfordert ist. Durch häufiges Forcieren verliert ihre in lyrischen Momenten immer noch intakte Stimme sehr an Wirkung. Dass sie gerade in den hohen Regionen die größten Schwierigkeiten hatte, ist für einen Koloratursopran ihrer Klasse ein Alarmsignal. Dmitri Hvorostovsky war erfolgreich bemüht, die bösen Facetten im Charakter Giorgio Germonts zu betonen. Seine kernige und zumeist auch wohlklingende Stimme war ein Lichtblick des Abends. Die beste gesangliche Leistung bot Matthew Polenzani als Alfredo. Sein wunderbar lyrischer Tenor war in allen Lagen bestens disponiert, das C der Stretta hat schon lange kein Sänger so mühelos gesungen. Dass man ihn als leicht schwachsinnigen Tölpel (Bastian Pastewka der Oper?) auf die Bühne stellte, hätte Verdi vermutlich im Grab rotieren lassen. Schwamm drüber, bis zum Star der neuen Spielserie wird genug Gras darüber gewachsen sein.
Johannes Marksteiner