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WIEN/ Neue Oper: WOYZECK 2.0 – TRAUMFALLE von Markus Lehmann-Horn

26.04.2012 | KRITIKEN, Oper

Großer Erfolg der Neuen Oper Wien mit Uraufführung: „Woyzeck 2.0 – Traumfalle“ von Markus Lehmann-Horn

(Vorstellung: 25. 4. 2012)


Jennifer Davison als Klara und Johann Leutgeb als Georg im Psychothriller „Woyzeck 2.0 – Traumfalle“ (Foto: Armin Bardel)

In der Wiener Kammeroper wurde die Uraufführung der Oper „Woyzeck 2.0 – Traumfalle“ von Markus Lehmann-Horn, die bei einem internationalen Musiktheaterwettbewerb der Neuen Oper Wien in Kooperation mit dem Musikverlag Doblinger den ersten Preis errang, zu einem großen Publikumserfolg. Markus Lehmann-Horn, 1977 in München geboren, erhielt ab 1984 Klavier- und Gitarrenunterricht. Ab 2000 studierte er auch Komposition, wobei er im Herbst 2007 die Meisterklasse bei Heinz Winbeck in Würzburg besuchte. Er erhielt verschiedene Preise und Auszeichnungen, zuletzt den Paul-Hindemith-Preis 2011. Die Handlung der Oper in 13 Bildern, deren Libretto der Komponist nach einer Novelle von Michael Schneider selbst verfasste: Klara, eine erfolgreiche Theaterschauspielerin, die eben die Marie in „Woyzeck“ gespielt hat, begegnet nach einem ersten Briefkontakt dem Häftling Georg, der das Leiden der von ihr bewunderten Bühnenfigur des Woyzeck widerspiegelt. Sie ist von der Wahrhaftigkeit Georgs, der seine Frau im Affekt erstochen hat, fasziniert und wird so zur Grenzgängerin zwischen zwei Welten: dem „Kunstraum“ der Bühne und dem Schauplatz einer modernen Haftanstalt. Indem sie sich der Illusion einer unbekannten Leidenschaft hingibt, entfernt sie sich immer weiter von der Welt der Bühne und deren Protagonisten. Als Georg kurze Zeit später freikommt und von Klara aufgenommen wird, beginnt sich das Verhältnis Opfer-Täter nahezu umzukehren. Klara erkennt in einer albtraumhaften Nacht die Illusion ihrer Liebe und fürchtet plötzlich den Mörder Georg. Sie versteckt sich vor ihm und flüchtet zurück in den Theaterbetrieb.

Alexander Medem inszenierte das Werk als musikalischen Psychothriller mit spannender, dichter Atmosphäre, wobei er auf satirisch- kritische Weise das derzeitige Regie-Unwesen der Theaterwelt beleuchtete. In die gute Personenführung wurde auch einige Male der Publikumsraum der Kammeroper mit einbezogen. Für die Ausstattung der Bühne war Gilles Gubelmann zuständig, der mit mehreren hintereinander aufgebauten weißen Rahmen eine treffliche Tiefenwirkung erzeugte. Für das kreative Lichtdesign zeichnete Norbert Chmel verantwortlich.

Eine beeindruckende Leistung bot die attraktive amerikanische Sopranistin Jennifer Davison, die sowohl stimmlich wie auch schauspielerisch die Rolle der Klara glänzend bewältigte. Man nahm ihr den Star der Bühne genauso ab wie ihre Liebes-Illusionen und ihr Helfersyndrom. Ein kleiner Wermutstropfen ihre geringe Wortdeutlichkeit in einigen Gesangssequenzen. Der Bariton Johann Leutgeb strahlte als Georg allein aufgrund seiner Größe eine Bedrohung aus, die er durch subtiles Spiel noch zu verstärken wusste. Der junge Tenor Wilhelm Spuller karikierte die Rolle des Theaterregisseurs Grünberg, indem er sie stark überzeichnete. Köstlich die aus Puerto Rico gebürtige Mezzosopranistin Celia Sotomayor als Dame in Lila, die mit fulminanter Stimme und ulkiger Bühnenpräsenz ihren Partnern der Schauspieltruppe die Show stahl. In weiteren Rollen waren noch der polnische Bariton Tomasz Piętak, der Wiener Bariton Sebastian Huppmann und der Vorarlberger Bassbariton Michael J. Schwendinger zu hören, die allesamt mit großer Spielfreude aufwarteten.

Die illustrative Musik des Komponisten, die in vielen Szenen mit ungewohnten Klangfarben aufwartete, wurde vom Orchester amadeus ensemble-wien unter der routinierten Leitung von Walter Kobéra gekonnt wiedergegeben. Ergreifend das Zwischenspiel, als Klara auf der Bühne das Essen bei Kerzenschein für den aus der Haft entlassenen Georg vorbereitet, das musikalisch zu den Höhepunkten der Oper zu zählen ist.

Das begeisterte Publikum applaudierte allen Mitwirkenden am Schluss frenetisch, einige Bravorufe gab es verdientermaßen für Jennifer Davison und den vom Dirigenten auf die Bühne geholten Komponisten.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

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