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WIEN / Neue Oper Wien: EURYDICE – DIE LIEBENDEN, BLIND

Glorreiches Finale

 

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WIEN / Neue Oper Wien im MuseumsQuartier:
EURYDICE – DIE LIEBENDEN, BLIND von Manfred Trojahn
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 16. Oktober 2025,
besucht wurde die dritte Vorstellung am 21. Oktober 2025

Glorreiches Finale

Jene Wiener Opernfreunde, deren Interesse über das gängige Repertoire hinaus geht, wissen, was sie Walter Kobera verdanken. Seit über 30 Jahren leitet er mit nie versagendem Elan und größter Ambition die Neue Oper Wien, die in ihrer Aufarbeitung der Moderne für die Stadt unverzichtbar ist.

An der Schwelle seines im nächsten Jahr anstehenden 70. Geburtstags gibt Kobera nun die Leitung des stets vazierenden, nie an ein eigenes Haus gebundenen Ensembles ab. Als letzte Premiere wählte er die 2021 uraufgeführte Oper „Eurydice – Die Liebenden, blind“ von Manfred Trojahn, von dem die Neue Oper Wien schon „Enrico“ und „Orest“ gespielt hat, letzteres Werk noch bevor es an die Staatsoper kam. Und um einen antiken Mythos geht es auch in der Eurydice…

Niemand soll meinen, er kenne die Sage ohnedies, die meist nur von Orpheus handelt, der alles tut, um die an einem Schlangenbiss verstorbene schöne junge Gattin wieder ins Leben zurück zu holen. Dass die Liebe in die Unterwelt hinab steigt und den Kampf mit dem Tod aufnimmt, ist ein Thema, das die Menschen immer wieder fasziniert.

Bei Trojahn allerdings ist sozusagen alles anders. Erstens hat er sich Rilkes „Sonette an Orpheus“ als Basis des eigenen Librettos vorgenommen, und zweitens erzählt er – in der Verstrickung eines „modernen“ Frauenschicksals mit der Welt des griechischen Mythos – die Geschichte ganz anders. Die moderne Eurydice (von Beruf Schauspielerin) ist auf dem Weg ins Jenseits, und angeblich zieht ja den Sterbenden noch einmal ihr Leben vor den inneren Augen vorbei  – hier sieht man es. Die Liebe zu Orpheus, aber auch eine seltsame Beziehung zu Pluton, was dessen Gattin Proserpina nicht so behagt. Ihr Schicksal stolpert durch so viele Episoden, dass man als Zuschauer nicht unbedingt alle versteht, aber da man sich ja in der Irrealität befindet, ist das gewissermaßen auch nicht nötig. Am Ende schließt sich der Kreis, den Weg, den Eurydice da widerstrebend aus der Welt hinaus angetreten hat, muss sie nun wohl zu Ende gehen…

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Die Regisseurin Juana Inés Cano Restrepo hat in der Ausstattung von Dietlind Konold viele, bewegte Bilder geschaffen, manche auch verblüffend, die sich vor allem um die Titelheldin drehen, die von der Belgierin Laure-Catherine Beyers souverän (und auch in gutem Deutsch) gemeistert wird. Schließlich jagt Trojahn vor allem ihre Stimme in atemberaubende Höhen, und keinerlei Melodik hlft hier, sich die Kompliziertheit der Gesangslinie zu merken.

Da dürfen die anderen Sänger eher auf dem Boden bleiben  – Lena Belkina (in einem atemberaubenden Kostüm) als Proserpina, und zwei Baritone, wobei der Pluton des  Christoph Gerhardus auf der gewaltig auftrumpfenden, der Orpheus des Martin Achrainer auf der lyrischen Seite singt und agiert.

Walter Kobera hat das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich (dem er persönlich verbunden ist) für diese Produktion, die nicht mit einem Kammerorchester auskommt, engagiert und zaubert mit ihnen den unendlich vielseitigen Klangteppich von Trojahn, der sowohl in seiner artifiziellen Kunstfertigkeit wie seiner Gestaltungskraft herausfordernd ist. Kobera hätte sich kein glorreicheres Finale seiner Arbeit für die Neue Oper Wien wählen können.

 Es ehrt das Wiener Opernpublikum, dass der große Saal des MuseumsQuartiers auch bei der dritten Vorstellung noch stark gefüllt war. Ehrlicher Applaus für die Interpreten, vor allem aber für Walter Kobera. Er hat die Latte für seine Nachfolger, die Dirigentin Anna Sushon (seit längerer Zeit Studienleiterin am Haus) und den Sänger Alexander Kaimbacher, die ihm mit der Leitung der Neuen Oper Wien ab Jänner 2026 nachfolgen, sehr hoch gelegt.

Renate Wagner

 

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