WIEN / Naturhistorisches Museum:
KRIEG
Auf den Spuren einer Evolution
Vom 24. Oktober 2018 bis zum 28. April 2019
Der Krieg gehört ins Museum
„Der Krieg gehört ins Museum“, erklärt NHM-Generaldirektor Christian Köberl, und das wäre eine ideale Forderung. Real verwirklicht wird sie im „Naturhistorischen“, wo man eine bemerkenswerte Ausstellung aus dem Museum von Halle an der Saale übernommen und adaptiert hat. Was hier hinzugefügt wurde, heißt es, hätte für eine eigenen Ausstellung gereicht. Der tragische Höhepunkt kommt jedoch aus Halle: Eine Erinnerung daran, was vor 400 Jahren, 1618, begann, nämlich der 30jährige Krieg. Die Katastrophe von damals kann nicht besser demonstriert werden als mit einem Massengrab, in das man Gefallene nach der Schlacht von Lützen 1632 hinein warf – einen von ihnen immerhin mit ausgebreiteten Armen, Christus-gleich, zweifellos ein Zeichen. Die Nachwelt weiß es zu deuten. Der Erdblock mit den Toten, den man geborgen hat, stellt nun, vertikal an die Wand gestellt, das Zentrum der Ausstellung „Krieg. Auf den Spuren einer Evolution“ dar.
Von Heiner Wesemann
Streit, Kampf, Krieg Befragt man die Geschichte, dann scheint Krieg ein gewissermaßen unvermeidbarer Bestandteil des menschlichen Lebens. Allerdings ist zwischen verschiedenen Auseinandersetzungen zu unterscheiden – schließlich gibt es, wie die Ausstellungsgestalter festhalten, nicht weniger als 626 Definitionen des Begriffs „Krieg“… Es kann auch unter Tieren zu Aggressionen und Rivalitätskämpfen kommen, wo die Beteiligten kämpfen und einander töten, ohne allerdings die Familie und die Gemeinschaft mit hinein zu ziehen. Das bewusste Töten von Gegnern ist dem Menschen vorbehalten und reicht lange zurück. Nachdem man anfangs seine landwirtschaftlichen Gerate dazu benützt hatte, auf die „Feinde“ einzuschlagen, adaptierte man die Jagdwaffen und entwickelte sehr schnell Waffen als spezifische Tötungsgegenstände gegen Mitmenschen. Hieb-, Stich-, später Schusswaffen. Und dann auch den Schutz der Kämpfenden in Form von Rüstungen und Helmen. Die Kriege waren „ausgestattet“. (Von den Tötungsmethoden unserer Zeit ganz zu schweigen, die nicht in den Rahmen einer „archäologischen Spurensuche“ passen.)
Schon Kain und Abel Dass das Töten des Nächsten gewissermaßen integral zur Menschheitsgeschichte gehört, beweist schon die Erzählung von Kain und Abel, die in der Bibel bald nach der Vertreibung aus dem Paradies zu lesen ist. Die Archäologie kann schon vor 430 000 Jahren (!!!) an Skeletten gewaltsame Tode (mit Löchern im Kopf) feststellen. Die Ausstellung steuert Beweise aus Österreich bei, etwa von Aspern an der Zaya, wo es schon vor 7000 Jahren ein Massaker gab: Seit dieser Epoche, der Jungsteinzeit, waren Kriege die ständigen Begleiter der Menschheit.
Krieg ist nichts Heroisches Man hat bewusst darauf verzichtet, die Ausstellung mit heroischen Schlachtengemälden zu bestücken, wie sie das Heeresgeschichtliche Museum reichlich hätte beisteuern können. Nichts vom falschen Glanz, der zu lange beschworen wurde, um Menschen in den Tod zu schicken, ist hier zu finden. Vielmehr demolierte Menschenschädel- und Knochen und dazu die Waffen, die ihnen diese Verletzungen zugefügt haben. Auch ein schrecklich massakrierter Pferdeschädel ist zu sehen. Man geht heute noch weiter: Aus den Skeletten derer, die als „Kanonenfutter“ krepierten, kann man anhand forensischer Erkenntnisse einiges über die Realmenschen erfahren, die sie waren.
Wie Gustav Adolf starb Obwohl es in der Ausstellung grundsätzlich um den einfachen Mann geht, der milliardenfach in Kriegen gestorben ist, kommt man bei der Schlacht von Lützen doch nicht darum herum, vom Tod eines wichtigen Heerführers zu berichten. Schließlich starb in den sechs Stunden auf den Feldern zwischen Leipzig und Naumburg unter den 6000 anderen, die ihr Leben ließen, auch Schwedens König Gustav Adolf II. im Alter von erst 38 Jahren (und hinterließ den Thron seiner Tochter, der legendären Königin Christine). Die Ausstellung zeigt eine Nachbildung seines Lederwamses, das den kurzsichtigen Mann, der im Pulverdampf seine Orientierung verlor, nicht schützen konnte: Vermutlich haben die „Kaiserlichen“ gar nicht gewusst, wem sie da genügend Wunden zufügten, dass er noch am Schlachtfeld starb. Seine Getreuen fanden später die geplünderte Leiche. Auch zu sehen in der Ausstellung sind 2700 bleierne Gewehr- und Pistolenkugeln, die man in Lützen aus dem Boden geholt hat und in Form einer „Installation“ darbietet.
Weiter in den „Narrenturm“ Mit dem Narrenturm, der wirklich ein solcher ist (ein klassischer Rundbau) und sich tief hinten im Gelände des AKH findet, hat das Naturhistorische Museum ein neues Gebäude in seine Obhut bekommen, das man künftig für seine Objekte aus der Anatomie und der Pathologie benützen wird. Drei kleine Zellen-Räume werden nun schon im Zusammenhang mit der „Krieg“-Ausstellung „bespielt“ und widmen sich dem Ersten Weltkrieg von seiner schlimmsten Seite: Den Verwundungen, den Leistungen des Chirurgen Lorenz Böhler, der berühmt dafür war, Soldaten wieder „zusammenzuflicken“, und dem Alltag der Männer, die nach ihrer Heimkehrer aus dem Krieg nur noch mit Prothesen und Krücken existieren konnten.
Aus der Geschichte lernen Es gab , haben die Wissenschaftler errechnet, bisher rund 15.000 Kriege mit etwa einer Milliarde Kriegstoten auf der Welt, und das ist auch eine vage Zahl, denn man weiß ja nicht, was alles dazugerechnet oder weggelassen wurde (auch wenn Stämme in Papua Neuguinea einander beinahe ausrotten, ist das für sie ein Krieg). Die Ausstellung selbst stellt die Frage, ob man aus der Geschichte lernen kann – was die Geschichte selbst bisher eindeutig mit Nein beantwortet. Immerhin kann eine Ausstellung wie diese dem Krieg schlagartig jeglichen Heldenglanz nehmen. Und das mag schon ein Fortschritt sein.
Naturhistorisches Museum: KRIEG
Bis 28. April 2019
Täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr