WIEN / Österreichische Nationalbibliothek, Prunksaal:
GELIEBT, VERLACHT, VERGÖTTERT
RICHARD WAGNER UND DIE WIENER
Vom 23. November 2012 bis zum10. Februar 2013
Wehe, wie wenig Wonne ward mir…
Keine Frage, was im Jahr 2013 auf uns einstürzen wird, wenn der 200. Geburtstag eines der umstrittensten Künstler gefeiert wird, die es ja gab – Richard Wagner, vergöttert und verdammt bis heute, das unleugbare Genie mit dem anfechtbaren Charakter, der Mann, der nie aufgehört hat, für Erregungen zu sorgen. Die Österreichische Nationalbibliothek hat für Wien jedenfalls die Nase vorn, wenn man jetzt schon in Hinblick auf das Jubiläumsjahr die Geschichte von Richard Wagner und den Wienern erzählt. Diese ist lang, lebhaft und amüsant. Gegen die damaligen Turbulenzen wirken die heutigen geradezu ideenlos…
Von Renate Wagner
Zielort Wien Richard Wagner hat die Hauptstadt des Habsburger-Reiches zu seinen Lebzeiten mehrfach aufgesucht, auch zu längeren Aufenthalten, und stets hat er als Person und mit seinem Werk heftige Reaktionen evoziert. Im Prunksaal der Nationalbibliothek sind dazu leider nur acht Schaukästen unter der Kuppel aufgeboten – der dazu gehörige Katalog ist reichhaltiger. Aber jedenfalls wird das Essentielle der Beziehung zu Wien in eindrucksvollen Exponaten herausgearbeitet (wenngleich der Wagner-Aficionado viel mehr sehen möchte).
Tannhäuser und die Parodie… Als Neunzehnjähriger war Wagner 1832 erstmals nach Wien gekommen, und nach „Rienzi“ schien sein Talent „konventionell“ genug zu sein, dass die Wiener Hofoper sogar wegen eines Auftragswerks bei ihm anfragte. Dazu kam es nicht, dafür besuchte er die Stadt ausgerechnet im Revolutionsjahr 1848 wieder. Sein „Tannhäuser“ wurde 1857 in Wien gespielt, nicht in der Hofoper, sondern im heute nicht mehr existenten Thalia-Theater, und wie sehr diese Aufführung erregte, zeigte die Parodie, die Johann Nestroy kurz danach herausbrachte – und das Wiener Volkstheater parodierte nur, was heftig in aller Munde war. „Im Venusberg vergaß er Ehr und Pflicht, und ich, der Landgraf, komm‘ zu so was nicht“, ätzte Nestroy als Purzel… Wagner sah sich die Vorstellung in Wien übrigens an und lobte besonders den Komponisten Carl Binder, der seine Musik brillant „parodiert“ hatte.
Nestroy in seiner „Tannhäuser“ Parodie / Das nicht mehr existierende Thalia-Theater
Tränen für „Lohengrin“, Niederlage für „Tristan“ 1861 war für Wagner ein wichtiges Wien-Jahr – in dieser Stadt hörte er erstmals auf einer Bühne seinen „Lohengrin“ und war zu Tränen gerührt. Der Erfolg für den Komponisten war bedeutend, wenn sich auch Gegnerschaft formierte. Doch immerhin ließ Wagner sich im November 1862 für längere Zeit (mit kurzen Unterbrechungen) in Wien nieder: Die Villa in Penzing, Hadikgasse, wo er damals absolut luxuriös wohnte, existiert heute noch. Weniger gut ging es ihm an der Hofoper – die Wiener Philharmoniker sind vermutlich heute noch unglücklich darüber, dass ihre Vorgänger nach 77 Proben das Handtuch warfen – und „Tristan und Isolde“ damals nicht zur Aufführung brachten… Dass Wagner in seiner Wiener Zeit an den „Meistersingern“ arbeitete, hätte beinahe dazu geführt, den „Beckmesser“ statt dessen „Hans Lick“ zu nennen – zu „Ehren“ seines heftigsten Gegners auf Wiener Boden… Im übrigen „floh“ er aus der Kaiserstadt: Die aufgehäuften Schulden waren zu groß. Später erst stand König Ludwig II. von Bayern dafür ein.
Wien für Bayreuth Wagner kam dann noch 1872, 1875 und 1876 nach Wien, er gab Konzerte, um sein Bayreuther Unternehmen zu finanzieren, und damals waren seine Besuche mit den Ereignissen eines „Tollhauses“ zu vergleichen, so heftig reagierten Anhänger und Gegner auf ihn. Damals gab es bereits den „Wiener akademischen Wagner-Verein“, der ihm rote Teppiche ausrollte. Ohne Wiener Beteilung von Sängern und Dirigenten, vor allem von dem großen Jugendstil- und Wiener Werkstätte-Künstler Josef Hoffmann, wären die Bayreuther Anfänge kaum zu denken gewesen.
Bewunderer und Verehrer Es ist klar, dass große Künstler ihresgleichen erkennen. Ob Carl Goldmark oder Hugo Wolf, ob Brahms, der ihn sehr schätzte: Komponisten wussten um Wagners Genie. Gustav Mahler hat sich später an der Wiener Hofoper so sehr für Wagner eingesetzt, dass er – zu der Abneigung, die ihm persönlich entgegenschlug – sich jede Menge Feinde auch deshalb machte. Die ergreifendste Liebe und Bewunderung aber brachte Anton Bruckner („Oh Meister, ich bethe Sie an!“) Richard Wagner entgegen: Die Ausstellung zeigt ein Autograph von Bruckers „Dritter“ mit der Aufschrift „Wagner-Symphonie“ – er hatte sie dem verehrten Meister, der den großen Symphoniker kaum wahrnahm, gewidmet… Bruckner besaß sogar, wie man sieht, eine Schnupftabaksdose mit Wagners Porträt.
Die mächtigen Gegner Wien besaß einen mächtigen Musikjournalismus, und Männer wie Eduard Hanslick, Daniel Spitzer oder Max Kalbeck konnten gar nicht genug tun, Spott und Hohn über Wagner zu gießen. Die Ausstellung in der Nationalbibliothek ist auch reich an Karikaturen, mit denen man den Komponisten nach Möglichkeit lächerlich machte. „Wehe wie wenig Wonne ward mir wandernden Wiener Spazierwalt durch Wagners Walküre!“ höhnte Spitzer, und man zitierte in der ganzen Stadt amüsiert, wenn Hanslick von der „Marter“ schrieb, die „Siegfried“ ihm bereitet hätte, vom „entsetzlichen Deutsch“, das er vernommen hatte, von „ruheloser Modulation“, „ewig überspreizter Chromatik und Enharmonik“ – „und über das Alles zum so und so vieltenmale auch noch schreiben zu müssen.“
Wagner hat Wien überlebt Die Herren, die sich damals so bedeutend dünkten und es in ihrem Rahmen auch waren, konnten ärgerlich wirken wie Flohbisse: Auf die Dauer geschadet haben sie Wagner nicht. Wer würde noch den Namen Eduard Hanslick kennen, hätte er sich nicht auf ewig als Fußnote in die Biographie des Komponisten eingeschrieben? Wien war schon zu Lebzeiten des Komponisten eine leidenschaftliche Wagner-Stadt, und sie ist es geblieben. Schade, dass die Ausstellung dazu nicht doppelt oder dreimal so ausführlich ausgefallen ist…
Bis 10. Februar 2013, täglich außer Montag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr