WIEN / Österreichische Nationalbibliothek / Prunksaal:
BEETHOVEN
MENSCHENWELT UND GÖTTERFUNKEN
Vom 19. Dezember 2019 zum 19. April 2020
Liebhaber, Sonderling, Titan
Wenn über einen Komponisten so unendlich viel geforscht wurde wie über Ludwig van Beethoven, kann man anlässlich seines 250. Geburtstags zwar in die gebührende Ehrfurcht und Bewunderung ausbrechen, wirklich Neues wird es nicht zu erzählen geben. Aber auch das Alte hat viele schöne und besondere Aspekte, wie die Ausstellung im Prunksaal der Nationalbibliothek unter dem Titel „Menschenwelt und Götterfunken“ zeigt. Hier konnte man mit rund 100 Objekten Leben und Werk nachzeichnen und mit wenigen Ausnahmen auf eigene Bestände zurück greifen.
Von Renate Wagner
Beethoven vor Wien Als Ludwig van Beethoven, geboren im Dezember 1770 in Bonn (getauft am 17. Dezember), Sprössling einer Musikerfamilie, 1892 nach Wien aufbrach, nur in der Absicht, hier Unterricht bei Joseph Haydn zu nehmen, kannte er die Stadt (er war 1787 hier gewesen und hat vermutlich Mozart getroffen) und hatte Beziehungen. Maria Theresias jüngster Sohn, Maximilian Franz, war Kurfürst von Köln, hatte ihn zum Zweiten Hoforganisten ernannt und schickte ihn mit einem Stipendium nach Wien. Unter den Freunden, die ihm 1892 ins Stammbuch schrieben, war der Graf Waldstein, der die immer wieder zitierten Worte fand, er möge „Mozarts Geist aus Haydns Händen“ erhalten – und niemand konnte ahnen, dass sich das auf das glorreichste verwirklichten sollte. Kurz, trotz seiner Jugend empfing die Stadt Wien den noch nicht 22jährigen Musiker und Komponisten mit offenen Armen. Und er blieb bekanntlich die restlichen 35 Jahre seines Lebens hier.
Menschenwelt Kurator Thomas Leibnitz hat Wert darauf gelegt, das Bild des privaten Beethoven, dessen Image in der Nachwelt das eines mürrischen Einzelgängers ist, zurecht zu rücken. Sicher, ihm mangelte Schliff und Schleim der Wiener Umgangsformen, selbst sein Lehrer Haydn kam mit dem ungestümen Selbstbewusstsein des jungen Mannes nicht zurecht. Und ein Notenkopist, der es gewagt hatte, einige Triolen zu verändern, musste sich von Beethoven (in einer Anmerkung am Rand der Partiur) einen Esel nennen lassen. Auch focht er um seine Rechte. Aber er wusste auch, mit wem er es zu tun hatte und wo er sich benehmen musste: Die Ausstellung ist reich an Beethoven-Briefen, die meisten chronisch unleserlich. Aber wenn er an den höchst gestellten seiner Gönner, Erzherzog Rudolf (ein jüngerer Bruder von Kaiser Franz I.), schrieb, bemühte er sich sichtlich, einigermaßen lesbar zu schreiben. „Viel Spaß mit Beethovens Handschrift“ wünschte der Kurator (bei der Presseführung) den Besuchern.
Was ein Dokument erzählt Die Ausstellung ist reich an Dokumenten, Bildern, Drucken, und einige sagen mehr als andere. Etwa der so genannten „Rentenvertrag“ aus dem Jahre 1809 (aus der Wien Bibliothek im Rathaus hinüber in die Nationalbibliothek gewandert). Freilich, dass drei Mäzene, besagter Erzherzog Rudolf und die Fürsten Lobkowitz und Kinsky, bereit waren, Beethoven ohne Gegenleistung (!!!) 4000 Gulden Jahresgehalt zuzusichern, das hatte natürlich einen Hintergrund. Der Stiefsohn Napoleons, Jerome, damals König von Westfalen, wollte Beethoven „abwerben“. Undenkbar für Wien – man tat alles, ihn zu halten (was ja auch gelang). Es beweist sowohl, wie hoch das Ansehen der Künstler, aber auch, wie groß das Musikverständnis der Wiener damals war. Kein Stipendium heutzutage, um das man betteln und für welches man Werke garantieren muss, ist damit zu vergleichen. So steigt man tief in die damalige Welt hinein.
Eine Stadt – ein Künstler Mit wem Beethoven in Wien verkehrte, wo seine Werke aufgeführt wurden, wo er wohnte, all das ist Thema der Ausstellung, wobei man natürlich nicht alle seiner 68 (!!!) Adressen in Wien nachvollziehen konnte, auch nicht die rund 20 im Wienerwald und Umgebung. Vieles ist dennoch im Bild zu sehen, die Zeitgenossen, die Wohnorte (auch das „Schwarzspanierhaus“, in dem er am 26. März 1827 gestorben ist). Auch ganz „Privates“ findet Platz. Eines der „aufgebauschtesten“ und tragischsten Elemente von Beethovens Leben war der gnadenlosen Kampf, den er um die Vormundschaft seines Neffen Karl führte, was den jungen Mann seelisch fast zugrunde richtete. (Im Film von Ewald Balser und Oskar Werner gespielt, ist diese Episode sehr populär geworden.)
Wir wissen es immer noch nicht Beethoven, von der Mitwelt höchst bewundert, wurde von der Nachwelt in einen schier unfaßlichen Geniekult gegossen, der ihn allerdings – taub, verschlossen, düster – menschlichen Gefühlen entrückt zeigt. Wie bei allen großen Komponisten (Mozart, Schubert, Wagner) wurde versucht, dieses Bild durch Frauengeschichten aufzuweichen und zu romantisieren. Ein im Nachlass gefundener Brief (Original in Berlin) aus dem Jahr 1812, an eine unbekannte Dame, kein Name, keine Unterschrift, ist legendär geworden. Schnell hat man sie die „Unsterbliche Geliebte“ genannt, unendliche Recherchen angestellt, jede Menge von Theorien gewälzt. Bloß – wer sie wirklich war, weiß man noch immer nicht. Unter den zahlreichen „Verdächtigen“ scheint die ungarische Adelige Josephine Brunsvik, der Beethoven einige Jahre Klavierunterricht erteilte, für Kurator Thomas Leibnitz die wahrscheinlichste Kandidatin. Aber – was Genaues weiß man nicht, es gibt mehrere andere Damen, die in Frage kämen. Und nichts ist für einen Mythos schöner als ein Rätsel, das sich nicht lösen lässt…
Götterfunken: Die Neunte Beethoven, das Genie. Unter Goldplättchen, die man „installationsartig“ in den Prunksaal der Nationalbibliothek platziert hat, liegt die Leihgabe aus der Staatsbibliothek zu Berlin: Die Originalpartitur des Finales der 9. Sinfonie, D-Moll op. 125, wo sich die berühmtesten Textzeilen („Freude schöner Götterfunken“ und „Seid umschlungen Millionen“) finden. Denkt man daran, dass Beethoven diese Noten geschrieben hat und was sie weltweit bewirkt haben, dann wird man als Bewunderer des Komponisten (und wer ist das nicht) in leiser Andacht versinken…
Beethoven digital Die Nationalbibliothek bietet zum Beethoven-Jahr die Digitalisierung all ihrer Beethoven-Bestände (Briefe, Handschriften, Erst- und Frühdrucke, Porträts, Plakate, Fotos von Beethoven-Denkmälern und Druckgrafiken), die alle in dem Webportal „Beethoven Digital“ frei zugänglich sind.
Österreichische Nationalbibliothek / Prunksaal:
BEETHOVEN
MENSCHENWELT UND GÖTTERFUNKEN
Bis zum 19. April 2020,
täglich außer Montag, 10 bis 18 Uhr,
Donnerstag bis 21 Uhr
Katalog im Residenz Verlag