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WIEN / Nationalbibliothek: ANTON BRUCKNER

Ein Faszinosum als Mensch und Künstler

21.03.2024 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Österreichische Nationalbibliothek / Prunksaal
ANTON BRUCKNER.
DER FROMME REVOLUTIONÄR
Vom 21. März 2024 bis 26. Jänner 2025

Ein Faszinosum als Mensch und Künstler

Wenn jemand berufen war, den 200. Geburtstag von Anton Bruckner (1824-1896) mit einer Ausstellung regelrecht zu „feiern“, dann die Österreichische Nationalbibliothek. Denn der Komponist hat der damaligen Hofbibliothek testamentarisch die Handschriften seiner Symphonien und anderer Kompositionen vermacht. Sie zählen heute zu den großen Schätzen der Musiksammlung, während Fotos, Briefe, dokumentarisches Material sich in weiteren Sammlungen des Hauses befinden. Man konnte also aus dem Vollen schöpfen, als man im Prunksaal die Ausstellung „Anton Bruckner.  Der fromme Revolutionär“ ausrichtete, die das ganze Jahr lang laufen wird. Der Titel verweist schon auf die Spannungen dieser hoch interessanten Persönlichkeit, deren Bild bei der Mitwelt und Nachwelt viele Metamorphosen durchwandert hat.

Von Renate Wagner

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Anton Bruckner     Der Lehrerssohn kam am   4. September 1824 in Ansfelden, Oberösterreich, zur Welt, und es gibt drei große Stationen in seinem Leben: St. Florian (wo er heute auch unter „seiner“ Orgel begraben ist), Linz, wo er zum Komponisten wurde, und Wien, das er sich mühselig, aber letztlich so nachdrücklich erobert hat wie mit seinen Werken die ganze Welt. Als er am 11. Oktober 1896 starb, war er hoch geachtet und berühmt, hatte den Weg vom meist bewunderten Organisten seiner Zeit (so wie Beethoven lange nur als brillanter Pianist wahrgenommen geworden war) zu einem Tonschöpfer genommen, dessen Modernität – einst angefochten – dann ebenso wenig außer Frage stand wie seine Genialität.

Dokumente eines Lebens    Schaukasten für Schaukasten kann man im Prunksaal des Leben dieses Anton Bruckner gewissermaßen nachgehen – die Kuratoren  Andrea Harrandt und Thomas Leibnitz haben von Bruckners Taufschein bis zu seinem Partezettel die wichtigsten Dokumente seines Lebens zusammen gestellt, Fotos zu Orten seines Lebens und Menschen, die ihm begegnet sind, dazu als ganz wichtige Beispiele seines Alltagslebens mehrere von Anton Bruckners verschieden großen  „Schreibkalendern“ aus verschiedenen Jahren, in denen er, recht gedrängt, äußere, aber auch „innere“ Termine verzeichnete.

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Neben einem Schwerpunkt auf Fotos und Partituren gibt es auch „Schmankerln“ – eine Schleife der Liedertafel „Frohsinn“, der Bruckner in Linz angehörte und wo viel „heimische“ Musik gemacht wurde, oder auch eine Streichholzschachtel aus dem Besitz des Künstlers, was wohl zu den „Devotionalien“ zu zählen ist…

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Der fromme…. Frömmigkeit ist als eine der Säulen in Bruckners Selbstverständnis zu betrachten, die Ausstellung zeigt ein Marienbild aus seinem Besitz, „dem lieben Gott“ hat er seine „Neunte“ gewidmet. Wie viel Zeit er mit seinen Gebeten verbracht hat , ist in seinen Kalendern notiert. Allerdings muss man das nicht unbedingt als pathologische Tätigkeit sehen, wie es oft (spöttisch) interpretiert wurde. In einem Beitrag im Katalog wird auch auf die Möglichkeit hingewiesen, der Künstler könne dies als „Meditation“ betrachtet haben – als etwas, woraus er schlicht und einfach Kraft schöpfte. Das „non confundar in aeternum“ (Ich werde in Ewigkeit nicht untergehen) aus seinem „Te deum“ steht auf seinem Grab in St. Florian.

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— Revolutionär    Wie unermüdlich Bruckner sein „Handwerk“, die Musik, erlernt hat, beweisen frühe Arbeiten, Abschriften anderer Werke (zu Übungszwecken), vor allem aber das so genannte „Kitzler-Studienbuch“, das seine Arbeiten nach Aufgaben seines Lehrers Otto Kitzler zeigt (dessen Name heutzutage nicht durch seine Arbeit als Dirigent und Cellist bekannt geworden ist, sondern dafür, dass Bruckner Unterricht bei ihm nahm und sehr viel dabei gelernt hat). Als Bruckner sich dann als Komponist betätigte, konnte seine Inspiration sich auf profundestes Handwerk stützen. In Wien (wo er seinen Lebensunterhalt stets als hoch geschätzter Lehrer verdiente) geriet Bruckner in einen Hexenkessel der Musikwelt, wo die Konservativen ihren Gott in Johannes Brahms fanden, während die Progressiven sich der „Zukunftsmusik“ von Richard Wagner anschlossen. Bruckner, dessen Wagner-Verehrung in der Ausstellung thematisiert wird, galt als Wagnerianer, als damals Moderner und wurde heftig angefeindet – bis die Zeit auch für ihn und sein Werk sprach. Woran sich bis heute nichts geändert hat. Wahre Musikfreunde wird  angesichts der zahlreichen Handschriften von Bruckners Symphonien und anderen Kompositionen ein besonderes Gefühl der Ehrfurcht überkommen.

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Ein neues Bruckner-Bild?    Bei der Pressekonferenz gefragt, ob es ein „neues Bruckner-Bild“ gäbe, konnten die Kuratoren nur darauf verweisen, dass es um die Interpretation bekannter Tatsachen geht. Dass Anton Bruckner, der Mann aus der „Provinz“, keinem „Künstler-Bild“ 19. Jahrhunderts entsprach, dass er sich der mondänen Weltstadt Wien weder in seiner Sprache noch in seiner Kleidung oder seinem Verhalten anpasste, wurde verspottet, verlacht, verhöhnt. Dass in diesem Bestehen auf sich selbst und seine Individualität Stärke wohnte, sieht man heute. Interessant auch die Fotos durch die Jahrzehnte (bis zum Sterbebett) –  der kleine, kräftige Mann hat sich kaum verändert, blieb immer er selbst. Fast wirkt er fremd, wenn er sich einmal in Nobelkleidung warf, um sich auf einem Foto mit dem Franz-Joseph-Orden zu präsentieren…Dass er Unglück mit seinen Frauen-Beziehungen hatte… die Ausstellung stellt die Damen, um die er vergeblich warb, in Bildern vor. Eigentlich haben sie für das, was das Genie Bruckner war, keine Rolle gespielt.

Instrumentalisiert in Extremen   Der volkstümliche „Musikant Gottes“, der Mann der Moderne, später der „Klassiker“, erfüllte für die Nachwelt, die das Gespött über ihn lange tradierte (teilweise bis heute), verschiedene Funktionen. Für die Nationalsozialisten war er ein „deutscher Musiker“ schlechthin.

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Als seine Büste 1937 in dem (schon von König Ludwig I. errichteten) Walhalla-Tempel bei Regensburg aufgestellt wurde, kam Adolf Hitler persönlich und ließ sich in andächtiger Pose davor fotografieren. (Vielleicht hat er, der Österreich so hasste, dass er die „Ostmark“ daraus machen musste, angesichts dieses Mannes an die gemeinsamen Wurzeln einer Kindheit in Oberösterreich gedacht). Österreich hat Bruckner auf Geldscheinen, Münzen und Briefmarken verewigt, in Oberösterreich tragen zahlreiche Musik-Institutionen seinen Namen. Für Bruckner-Bewunderung braucht es keinen äußeren Anlass mehr.

Österreichische Nationalbibliothek / Prunksaal
Josefsplatz 1, 1010 Wien
ANTON BRUCKNER.
DER FROMME REVOLUTIONÄR
Kuratiert von Dr. Andrea Harrandt und Dr. Thomas Leibnitz
Vom 21. März 2024 bis 26. Jänner 2025
Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr,
Donnerstag: 10 bis 21 Uhr
In den Monaten Juni, Juli, August und September zusätzlich Montags: 10 bis 18 Uhr

 

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