ZÜNDENDE OPERNNOVITÄTEN VON PETER MAXWELL DAVIES UND ANNE LEBARON
Wiens Opernszene ist wirklich erstaunlich. Immer wieder gelingt es der „Off-Szene“, in einer Stadt der Tradition wichtige Impulse zu setzen. Die diesmal in der Wiener Kammeroper agierende „Musikwerkstatt Wien“ unter der Leitung ihres rührigen Dirigenten Huw Rhys James punktet mit zwei Einaktern, die am Ende enthusiastisch gefeiert werden wie ansonsten Neuinszenierungen von Janacek oder Britten. Die beiden Stücke „Miss Donnitthorne’s Maggot“ des Briten Peter Maxwell Davies und „Sucktion“ der US-Komponistin Anne LeBaron stammen von zwei unterschiedlichen Generationen und können auch vom Inhalt und Stil her kaum unähnlicher sein. Der Monolog einer am Hochzeitstag sitzen gelassenen Kapitäns‘ Braut – ihr Name ist der Operntitel – wurde bereits im Jahr 1974 beim Adelaide-Festival in England uraufgeführt. Und die trashige TV-Soap-Parodie „Sucktion“ – hier verliebt sich eine TV-süchtige „Putze“ in ihren Staubsauger – kam vor 7 Jahren in Los Angeles heraus. Formal sind sich die beiden Stücke gar nicht unähnlich – Frauenmonologe kommen offenbar schon seit Schönbergs Erwartung wegen der geringen Grundkosten bei den Intendanten gut an (+ kammermusikalisch besetztes Orchester) . Aber während die Kapitäns-Braut in ihrem Haus in völlige Isolation geraten ist, zeigt die TV-wütige „Putze“ wirkliche originelle Gefühlsäußerungen – zumindest gegenüber dem neuen Stabsauger, den der sonst offenbar frustrierte Ehemann schickt, weil er wieder einmal dienstlich zum vereinbarten Date nicht kommen kann! Während der Einakter von Peter Maxwell Davies auf einer konkreten Geschichte in Indien aus dem Jahr 1856 zurückgeht, macht sich die Oper „Sucktion“ von Anne LeBaron über die heutigen Mediengewohnheiten von Soap-Fans lustig, die es offenbar ja mehr als genug gibt.Der erste Einakter ist ein „Wahnmonolog“ einer verrückt gewordenen „alten Jungfer“, die im Brautkleid vergeblich auf ihren Verlobten – einen alten „Seebären“ wartet. In der Titelrolle überzeugt in der Regie des Franzosen Benjamin Prins (Bühnenbild Thomas Kurt Mörschbacher, Kostüme Dritan Kosovrasti) die österreichische Mezzosopranistin Annette Schönmüller. Leider versteht man den Text sehr schlecht – Singen hat eben nichts mit Wortdeutlichkeit zu tun. Und auch die Ausstattung ist karg – im Zentrum eine riesige Plastik-Stola .Gesamteindruck: interessant aber zu konventionell. Auch der zweite Einakter lebt vom „inneren Monolog“ einer Putzkraft – „Ich putze Dreck und schaue im Fernsehen ebenfalls Dreck…“Die Österreicherin Anna Maria Birnbauer ist diesmal die ausdrucksstarke Solistin! Sie singt mit etwas scharfer Höhe – aber sie erzielt Wirkung! Zunächst dominiert das zwanghafte Wiederholen der TV-Sucht (samt Zitaten aus TV-Serien) – doch dann wird es umwerfend komisch und unerwartet surreal. Die „Putze“ Irona bekommt einen leibhaftigen Staubsauger in Gestalt eines TV-Schönlings à la Reich und Schön – köstlich in der „stummen Rolle“ Christian Ariel Heredia. Und fast kommt es zur körperlichen Vereinigung.. Wie gesagt – am Ende großer Jubel, spontane Begeisterung und ehrlicher Jubel. Die Musik-Werkstatt Wien und Huw Rhys James haben einmal mehr einen echten Clou gelandet!
Peter Dusek