Musikverein EDITA GRUBEROVA ALS STRANIERA VON BELLINI –TOLLKÜHNES ROLLENDEBÜT ZUM JUBILÄUM
(8.Februar 2013)
Ich kann mich an nichts Vergleichbares erinnern. Zum 45jährigen Bühnenjubiläum wählte Edita Gruberova ein halsbrecherisches Rollendebüt einer Opernrarität von Vincenz Bellini, an die sich einst nicht einmal die Callas gewagt hatte. Und versetzte als „La straniera“ – die Unbekannte – ihr Publikum in Raserei und Ekstase Wie im vergangenen Sommer in München wiederholte sie ihren Triumph nun im Goldenen Musikverein und bewies einmal mehr, welche emotionale Wirkungen von ihrem Singen heute ausgehen, dessen technische Qualitäten im Grunde von niemanden bestritten wird. Und die Gruberova ist in Höchstform, die Koloraturen
glitzern, die Piani schwelgen und die Farben in der Mittellage sind vielfältiger geworden. Am Ende springt das gesamte Publikum beim Schlussakkord von den Sitzen, es regnet Blumen und die Begeisterung erfasst auch die Langzeit-Fans, die diesmal geschlossen anwesend waren. Geleitet wird die konzertante Bellini-Oper von Pietro Rizzo, der deutlich jünger als das Bühnendebüt der Gruberova sein dürfte.
Als Orchester agiert einmal mehr sehr solide das Münchner Opernorchester, der Chor nennt sich Philharmonia-Chor Wien und wird von Walter Zeh geleitet. Bellini wiederholte 1829 übrigens mit „La straniera“ den Pirata-Erfolg an der Mailänder Scala. Die Handlung ist schaurig romantisch – Eifersucht und Missverständnisse (ein Kuss zwischen unerkannten Geschwistern), falsche Anklage
und Selbstmord des Liebhabers – zuletzt ist „La straniera“ wieder Königin aber allein…
Die Partner gehören zur Gruberova-Familie, die seit einigen Jahren Konzerte organisieren, CD-Einspielungen erreichen und vor allem in München und Wien agieren: Mit der italienischen Mezzo-Sopranistin Sona Ganassi steht eine hervorragende Partnerin zur Verfügung, die auch schon bei Norma und Anna Bolena überzeugte. Jose Bros, der Tenor aus Barcelona, ist einmal mehr ein glaubhafter „Liebhaber“, leider verführt ihn sein Temperament dazu, zu oft zu forcieren. Die Stimme verliert dann sofort an Qualität und wirkt
gefährdet. Überraschend gut schlägt sich der Bariton. Paolo Gavanelli mag zwar zu lyrisch für den Valdeburgo sein, aber
das Publikum überschüttete ihn wie das ganze Ensemble unter Pietro Rizzo mit Applaus.
Wer das Ereignis nachholen will: am 18.Februar 2013 gibt es im Musikverein eine zweite Vorstellung, dann muss man zwei Jahre warten bis Roland Geyer das Stück samt Gruberova, Kostümen und Kulissen aufführt. Doch was plant Dominique Meyer? War die Norma alles? Warum gibt es keine Anna Bolena mit der slowakischen Diva – Edita Gruberova gibt offenbar die richtige
Antwort…
Peter Dusek