Musiktheater an der Wien Johann Strauss (Sohn): DAS SPITZENTUCH DER KÖNIGIN 22.1.2025 (Premiere am 18.1.2025):
Copyright: Werner Kmetitsch
Gleich mehrere Librettisten bearbeiteten Heinrich Bohrmanns musikalisches Lustspiel Cervantes für die dreiaktige Operette von Johann Strauss (Sohn), seine insgesamt siebente. Die Uraufführung fand am 1. Oktober 1880 im Theater an der Wien statt und auf Grund des durchschlagenden Erfolges wurde die Operette sogleich in Hamburg, Berlin, München, Prag, Budapest, Stockholm und sogar in New York gespielt. Auf Grund der Anspielungen auf Kronprinz Rudolf, der sich und seine Geliebte Baroness Mary Vetsera 1889 auf Schloss Mayerling erschossen hatte, sollte das Stück nicht mehr gespielt werden, hielt sich aber noch bis1890 und den Folgejahren im Stadttheater und der Arena in Baden bei Wien. Folgt man Dominik Troger in seinem Premierenbericht, dann erfolge 1901 sogar eine Neuinszenierung dieser Operette am Theater an der Wien. Der junge portugiesische König Sebastian I. wird in diesem Stück durch amouröse Abenteuer gleich Rudolf von Habsburg gezielt von politischen Aktivitäten ferngehalten. Es dauerte dann mehr als ein Jahrhundert, bis das Spitzentuch der Königin wieder szenisch an der Staatsoperette Dresden am 27. April 2007 aufgeführt wurde. Das Produktionsteam erstellte nun aus den drei vorhandenen Fassungen, nämlich der Zensur-, der Souflage- und der US-amerikanischen Fassung, eine eigene Spielfassung für das MusikTheater an der Wien… Zur Handlung: Wir schreiben das Jahr 1557. Portugal steht unter der Knute des skrupellosen und machtgeilen Premierministers Graf Villalobos, der das Land an die spanische Krone veräußern möchte. Der Ruin Portugals droht, da sich der junge König weder für Politik noch für seine Königin interessiert, sondern ausschließlich für delikate Trüffelpasteten und außereheliche Abenteuer. Den Dichter Cervantes verschlägt es nach Lissabon, wo er sich in die Staatsgeschäfte einmischt, das Land rettet und dabei reichlich Inspiration für seinen satirischen Roman Don Quichotte erhält. In Ermangelung eines Mobiltelefones musste man zu jener Zeit eine geheime Nachricht anderweitig verbreiten. Hier ist es ein Spitzentuch, auf den die in Cervantes verliebte Königin geschrieben hat: „Die Königin liebt dich, doch bist du nicht König“. Der Dichter aber missversteht den Text und glaubt die Königin wolle damit nur ihren Gatten zurückgewinnen. Und wie bei Othello landet das Tuch in den falschen Händen. Der intrigantische Premierminister gibt es dem König, der den Schluss zieht, seine Frau habe ein Verhältnis mit dem Dichter. In Rage geraten verbannt er sie in ein Kloster und verbietet Cervantes noch länger an seinem Hof zu verweilen. In der Nähe des Klosters betreibt Cervantes ein Gasthaus. Nachdem er erfahren hat, was geschehen war, will er das Königspaar wieder versöhnen. Wie zufällig macht der König gerade in dieser Schenke Rast und seine Gattin serviert als Bedienung verkleidet seine Lieblingsspeise. Der Monarch erkennt sie und glücklich kehrt das Königspaar an seinen Hof zurück. Die Handlung wird zügig als spritzig-frivole Revue auf einer Drehbühne von Timo Dentler in Form eines großen Ringelspiels (Hermann Leopoldi „Schön ist so ein Ringelspiel“) vorgeführt, für die Jacques Offenbach Pate gestanden haben könnte. Zahlreiche bekannte Melodien erklingen, die Strauss in bester Manier eines Vivaldi oder Rossini später weiterverwertet hat, so der bekannte Walzer Rosen aus dem Süden op. 388 oder der Romanze, Wo die wilde Rose erblüht.
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Die Regie des steirischen Regisseurs Christian Thausing hätte angesichts der gegenwärtigen politischen Situation in Österreich auf jeden Fall mehr Biss vertragen, zumal dieses Stück als politische Satire angelegt war. Schlagworte wie „Ibiza“ und „Volkskanzler“ reichen da wohl nicht ganz aus. In leicht modernisierten historisierenden Kostümen von Okarina Peter bewegen sich die Figuren dieses portugiesischen Hofes in habsburgischer Walzerseligkeit. Die komplizierte Story allein kann nicht als Grund herangezogen werden, dieses Stück nicht aufzuführen, hat doch sogar der große Verdi schwache verwirrende Libretti vertont, etwa Ernani oder il trovatore. Im zweiten Teil hebt sich dann das Dach des Karussells und das Windrad einer Mühle wird sichtbar. Großartige Rollen wurden an diesem Abend von hervorragenden Sängerdarstellern interpretiert. Allen voran der Tenorbuffo Michael Laurenz als intriganter Premier, der mit einem Quartett korrupter Minister, Bassbariton und Schauspieler Alexander Strömer als zweiter Intrigant und Kriegsminister Marquis de la Mancha y Villareal, der libanesische Tenor Carl Kachouh als Polizeiminister, Tenor Daniel Llano Cano als Justizminister und Bass David Neumann als Finanzminister gegen die ihm verhasste Welt wettert. Dicht gefolgt in der Gunst des Publikums wird er von Mezzosopran Diana Haller in der Hosenrolle des verfressenen Königs von Portugal. Tenor Maximilian Mayer gibt den erotisierenden Cervantes im Stile eines Don Juan, während der ungarische Tenor István Horváth als Hauslehrer des Königs Don Sancho den komischen Part formvollendet erfüllte. Koloratursopran Beate Ritter als Vertraute der Königin Donna Irene ist stimmlich souverän und äußerst spielfreudig. Die Königin wurde von Sopran Elissa Huber larmoyant gestaltet. Regina Schörg ergänzte rollengerecht als liebessüchtige Obersthofmeisterin der Königin, Marquise von Villareal, mit ihrem dramatischen Charaktersopran. Tenor Ilyà Dovnar gefiel in der Rolle des Tanzmeisters. In der animalischen Tanzchoreografie von Evamaria Mayer waren Erick Aguirre, Franziska Gaßmann, Katharina Glas, Miriam Lechlech, Armando Rossi, Lukas Ruziczka und Beatriz Scabora als Affe, Frosch, Fuchs, Hund, Nashorn und Zebra zu bewundern. Der Arnold Schoenberg Chor unter der Leitung von Erwin Ortner trug einen großen Teil zum vokalen Erfolg des Abends bei. Das Wiener Kammerorchester wurde vom litauischen Dirigenten Martynas Stakionis umsichtig, aber wenig inspiriert geleitet. Während der Zitate aus Bizets Carmen flackerte allerdings für einen kurzen Moment ein Leuchtfeuer aus dem Orchestergraben in den Zuschauerraum. Am Ende der Vorstellung wollte der Schlussapplaus kaum ein Ende finden, sosehr zeigte sich das Publikum von den Darbietungen der Künstler begeistert.
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Harald Lacina