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WIEN / Musik Theater an der Wien: DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN

das schlaue füchslein plakat

WIEN / Musik Theater an der Wien im MuseumsQuartier:  
DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN von Leoš Janáček
Premiere: 15. Oktober 2022,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 17. Oktober 2022

Eine rappelvolle zweite Vorstellung von Leoš Janáčeks „Das schlaue Füchslein“ im Theater an der Wien –Ausweichquartier im MuseumsQuartier zeigte, dass die durchwegs guten bis hymnischen Premierenkritiken ihre Wirkung getan haben. Besser hätte, so hieß es, der Einstand von Stefan Herheim als neuer Intendant seines nunmehrigen Musik Theaters an der Wien – und hier als sein eigener Regisseur –  nicht ausfallen können. Aber ist das wirklich so? Ist das nicht ein aus Versatzstücken puzzleartig zusammen gesetzter Abend, dessen einzelne Elemente man schon zu oft gesehen hat, geschweige denn, dass sie sich zu einem wirklich überzeugenden Gesamtbild zusammen fügen?

Natürlich will niemand heutzutage mehr eine niedliche Tieroper. Als Dominique Meyer 2014 Otto Schenk erlaubte, dergleichen auf die Bühne der Staatsoper zu bringen, mit dem denkbar „echtesten“ (und sündteuren) Wald, diente das nur als Beweis dafür, was nicht mehr geht. Obwohl Schenk etwas bewies, was mittlerweile verloren gegangen ist – nämlich Vertrauen in das Stück. Denn worum geht es erstens und letztens? Um die Natur, um Tier und Mensch in der Natur, um den ewigen Kreislauf, der auch der Zerstörungswut des Menschen widersteht. So einfach und dabei sinnvoll wäre das.

Heutzutage müssen Regisseure – auch wenn Stefan Herheim sicher niemand ist, der an Zerstörungswut leidet – immer ihren Kommentar dazu geben. Hinterfragen. Anreichern. Ob das Publikum es verstünde, wenn man es nicht in Interviews und Programmheftartikeln gründlich erklärte, bleibt eine offene Frage.

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Fotos © Theater an der Wien / Monika & Karl Foster

Und welche Mittel werden eingesetzt? Wie oft hat man schon gesehen, von Herheim selbst und anderen, dass der „Schöpfer“ (in diesem Fall Leoš Janáček)  selbst durch sein Werk schreitet (in diesem Fall meist erstaunt). Wie oft hat man nicht schon erlebt, dass überdeutlich vorgeführt wird: Liebe Leute, das ist alles nicht echt, das ist Theater! Darum verschwindet der Wald, der zu Beginn auf einen Vorhang projiziert wird, und weicht einer Arbeitshalle, wo alle beschäftigt sind, Theater teile zusammen zu setzen, bis man langsam in die Handlung gerät.

Und da wird das Puzzle komplett. Wie neu ist es, dass Leute nicht tun, was sie sagen – die Hennen behaupten, Eier zu legen, hier sitzen die Damen an Nähmaschinen. Sicher eine „Umsetzung“ der weiblichen Nützlichkeit, aber warum muss ich mich im „Schlauen  Füchslein“ mit den Bildern befassen, die sich ein (sicherlich gescheiter) Regisseur ausgedacht hat – macht mich das gescheiter, das Stück besser? Und gar am Ende, wenn der Förster, statt einfach über sein Schicksal nachzudenken, plötzlich zum Bildhauer wird und an einer (übrigens wirklich erschreckend hässlichen) Skulptur eines offenen Herzens arbeitet? Natürlich geht es um Herz – aber so? (Oder soll die Form an das Janáček-Denkmal in seiner Geburtsstadt erinnern?)

Und da ist dann noch die Idee, in diese Opern andere Opernfiguren hinein zu bringen. Den Kenner beschäftigt es nur kurz – rechts sind Mimi, Butterfly, Tosca, Turandot mit ihren Herren, Puccini stark vertreten, links Otello, Aida, sicher ein paar Donizetti-Königinnen. Dann sichtet man auch noch Oktavian und Sophie (würde man sich langweilen, wäre dieser Quiz durchaus eine Beschäftigung), aber tatsächlich wirken diese Choristen weniger wie die bekannten Opernfiguren, sondern wie Statisterie aus einem Märchen, als wäre man plötzlich in einer Kinderoper. Allerdings nur, bis ein riesiger Schredder-Pflug kommt und alle Herrschaften einfach vernichtet. (Keine Angst, am Ende sind sie ohne Erklärung wieder da,) Dann wird ein Wagen in Sargform herein gefahren, in dem sich Fleischstücke befinden und eine total blutige, zerrissene Leiche hervorgezogen wird. Das später erschossene Füchslein legt sich dann selber in den Sarg… und so hat man seine Horrorwendug.

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Davor war es allerdings, vor allem im zweiten Teil, ganz lieblich. Sogar mit Wald. Zwar begegnen sich Füchslein und Fuchs weiß gewandet (er ganz chic mit Hut und Stock), aber als die künftige Paarung ausgemacht ist, erscheinen sie im tierischen Fell. Da ist die Lieblichkeit  und Putzigkeit dann gar nicht zu vermeiden (ob es um heftiges Schwanzwedeln geht oder ums Kinderkriegen), wie Herheim überhaupt immer wieder das Kindertheaterartige des Stücks betont, mal herzig, mal grob (Kinder mit Riesen-Holzköpfen). Zwischendurch sitzt Füchslein auch wie Frau Luna auf einem Halbmond in luftigen Höhen…

Wie gesagt, es ist ein Puzzle, ein Ideen-  und Assoziationskosmos der Art, wie er die Regisseure immer glücklicher macht als das Publikum. Aber was man Stefan Herheim zugute halten muss: willkürlich ist das Ganze sehr wohl, aber nicht destruktiv, im Gegenteil. Trotz einiger Schockelemente hat man doch immer den Eindruck, dass der Regisseur liebevoll mit einem Werk umgegangen ist, das er liebt. Was er erzählt… daran kann sich jeder für sich die Zähne ausbeißen.

„Das schlaue Füchslein“ ist kein Virtuosenstück für Sänger, viel zu sehr überbordende Ensembleoper, um jemanden eindeutig in den Mittelpunkt zu stellen. Alle machen ihre Sache gut, Mélissa Petit als Füchslein und Jana Kurucová als ihr Mann, ebenso Milan Siljanov als schönstimmiger Förster. Besondere Beachtung findet der viel beschäftigte Ya-Chung Huang, der nicht nur Janáček ist, sondern auch ein trauriger Hund und der Schulmeister beim Kartenspielen mit Förster und Pfarrer (Levente Páll) und noch ein paar Figuren. Die anderen, inklusive des Arnold Schoenberg Chores (Leitung: Erwin Ortner), sind vielfach beschäftigt, den gelegentlich auftretenden Wald (viel bewegte Bühne Silke Bauer / mäßig einfallsreiche Kostüme Doris Maria Aigner) noch weit ausführlicher zu bevölkern als vorgesehen.

Sie tun es in schwelgerischer musikalischer Pracht, die von der litauischen Dirigentin Giedrė Šlekytė mit Hilfe der Wiener Symphoniker bemerkenswert entfesselt wird, in instrumentaler Feinarbeit und filigraner Zartheit, wo nötig, aber prachtvoll aufschwingend in den Zwischenspielen. Das hört sich wunderbar an.

Wer allerdings die Geschichte des „Füchsleins“ nicht kennt und sie ohne im Programm nachzulesen (wo sie übrigens ganz „konventionell“ berichtet wird) nach dieser Aufführung richtig erzählen kann – der verdiente ein Kompliment. Viel Beifall der vollen Halle.

Renate Wagner

 

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