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WIEN / Museum Judenplatz: WIESENTHAL IN WIEN

19.09.2015 | Ausstellungen, KRITIKEN

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Alle Fotos zur Verfügung gestellt vom Jüdischen Museum

WIEN / Museum Judenplatz:
WIESENTHAL IN WIEN
Vom 20. September 2015 bis zum 8. Mai 2016

 

Streitbar in alle Richtungen

 

Es musste in diesem Fall das Museum am Judenplatz sein und nicht das Jüdische Museum in der Dorotheergasse. Denn am Judenplatz steht jenes Shoah-Denkmal von Rachel Whiteread, das Simon Wiesenthal nach jahrelangen Verzögerungen erstritten und durchgesetzt hat. Simon Wiesenthal, dem Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg so viel verdankt – egal, wie sehr er mit Bruno Kreisky, einer anderen Ikone der heimischen Gegenwartsgeschichte, zusammen krachen mochte. Im Jüdischen Museum am Judenplatz widmet man Wiesenthal nun eine kleine, aber feine Gedenkausstellung anlässlich seines 10. Todestags.

Von Heiner Wesemann

Simon Wiesenthal Geboren am 31. Dezember 1908 in Galizien, war Simon Wiesenthal ein Kind der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, sein Vater diente in der Armee des Kaisers, und er selbst hat, trotz Österreichs enger Bindung an den Nationalsozialismus, diesem Land nicht den Rücken gekehrt. Vielmehr hat es als Heimat erwählt, als er – nach Inhaftierung in nicht weniger als fünf Konzentrationslagern! – im Mai 1945 aus Mauthausen befreit wurde. Erst in Linz, dann in Wien widmete er sich der Aufgabe seines Lebens: Naziverbrecher aufzuspüren (er war entscheidend daran beteiligt, Adolf Eichmann vor Gericht zu bringen), allerdings nicht nach dem Prinzip der Rache, sondern der Gerechtigkeit. Man hat ihm seine Hilfe bei der Bereinigung der Geschichte nicht immer gedankt, aber nun, zehn Jahre nach seinem Tod am 20. September 2005 in Wien, ist sein Stellenwert in der Nachkriegsgeschichte restlos anerkannt.

Hüter der Erinnerungen Was weiß man von Simon Wiesenthal, außer dass er von seinem Dokumentationszentrum aus (in Wien zuerst per Adresse Rudolfsplatz, dann in der Salztorgasse) unermüdlich Geschichte aufarbeitete? Er hat gleich nach dem Krieg damit begonnen, sich um die „Displaced Persons“ zu kümmern – jene Juden, die nach ihrer Befreiung aus den Konzentrationslagern vor dem Nichts standen. In vielen Fällen hatten sie keine Menschen und Orte, zu denen bzw. an die sie zurückkehren konnten. Ihre Erinnerungen wurden für Wiesenthal die ersten Quellen seiner Arbeit.

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Die Materialsammlungen Der linke Ausstellungsraum zeigt dann in manchem Foto das unendlich schlichte Büro Wiesenthal mit Aktenordnern, Karteikästen und Archivschachteln, in denen Material zu einzelnen, gewissermaßen im Fokus stehenden Persönlichkeiten gesammelt war. Solche Archivschachteln hatte er übrigens nicht nur für Kurt Waldheim oder Friedrich Peter, sondern auch für seinen Leib- und Magenfeind Bruno Kreisky. Dieser hat ja nicht nur ihm, sondern vielen seinen jüdischen Landsleute Schmerzen bereitet, ob es seine Bereitschaft war, mit ehemaligen Nationalsozialisten politisch zusammen zu arbeiten, ob seine kritische Haltung Israel gegenüber ihm das Etikett des Palästinenserfreundes einbrachte. Wiesenthal stritt nicht nur hier, sondern auch heftig und politisierend im Rahmen der Kultusgemeinde – die Ausstellung setzt diesen besonderen Mann facettenreich zusammen, Bilder und Alltagsdokumente befragend.

Versöhnung möglich Wiesenthal hat sich nicht nur generell mit Österreich versöhnt („Ich fühle mich wirklich nicht als Fremder in diesem Land“, sagte er – und hat vielleicht damit vielen Juden die Heimkehr erleichtert), sondern war auch bereit, dort die Hand entgegenzustrecken, wo Verbrechen zugegeben und bereut wurden. Das zeigt der Film, der über ihn und Hitlers Star-Architekten Albert Speer gedreht wurde (Wiesenthal war übrigens auch Architekt!): Wo Speer bereit war, Schuld einzugestehen, und Wiesenthal bereit war, zu vergeben.

Und doch: der unermüdliche Jäger Aber dort, wo die Verbrecher untergetaucht waren, blieb ihnen Wiesenthal unerschütterlich auf der Spur: Es dauerte nicht weniger als 17 Jahre, bis das Material gegen die in die USA ausgewanderte KZ-Aufseherin Hermine Braunsteiner unanfechtbar war. So sehr, dass die USA sie an Deutschland auslieferten, obwohl sie mittlerweile schon die amerikanische Staatsbürgerschaft erworben hatte! Noch ein Filmbeispiel, das Wiesenthal als Nazi-Jäger zeigt: Er war gerne bereit, in dem US-Film „Die Akte Odessa“ (nach dem gleichnamigen Roman von Frederick Forsyth), nicht nur als Berater mitwirken, sondern sich auch von Shmuel Rodensky darstellen zu lassen. Es ging darin um die Suche nach Eduard Roschmann, den „Schlächter von Riga“ (gespielt von Maximilian Schell) und die Tarnorganisationen der Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg, und in der Ausstellung werden Szenenausschnitte gezeigt.

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Wiesenthal, der Architekt Simon Wiesenthal, der gelernte Architekt (er hatte in Prag und Lemberg studiert), hatte selbst schon im Jahre 1948 Detailpläne für ein großes Denkmal für 200.000 ermordete Juden für Jerusalem (wo er selbst seine letzte Ruhestätte gefunden hat) entworfen, das aber nicht verwirklicht wurde. Das „Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah“ (65.000 österreichische Juden wurden ermordet) wurde von der Stadt Wien unter der Ägide Michael Häupl errichtet, und Wiesenthal konnte die Enthüllung am 25. Oktober 2000 noch erleben. Heute zählt es zu den „Wahrzeichen“ der Stadt, nicht nur bei den „jüdischen“ Spaziergängen der Wiener Fremdenführer.

Gegenwart und Zukunft Das Projekt, das mit den Ausstellungsvorbereitungen parallel lief, nämlich Passanten von jüdischen Schülern nach Simon Wiesenthal befragen zu lassen, brachte unterschiedliche Ergebnisse – von ziemlich genauen Vorstellungen seiner Person und seinen Leistungen („Er hat Naziverbrecher verfolgt“) bis zu Ratlosigkeit. Die Ausstellung kann bei der Bewusstmachung helfen. Übrigens entsteht derzeit gerade in der Nähe der Seitenstättengasse das neue Simon-Wiesenthal-Dokumentationszentrum, dessen Fertigstellung im Lauf des nächsten Jahres erwartet wird.

Wiesenthal in Wien
September 2015 bis 08. Mai 2016, Museum Judenplatz.
Täglich außer Samstag 10 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis 17 Uhr
Katalog im Metroverlag

 

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