Wien/ Museum für Angewandte Kunst (MAK): „ICH WILL MICH NICHT AN DIESE REGELN HALTEN“ – ein musikalisches Stationentheater zum internationalen Frauentag
Museum für Angewandte Kunst (MAK)
Bericht über für die Aufführung am 22.03.2025 aus der Aufführungsserie 08.03, 15.03 und 22.03.2025, jeweils 15:45-17:45
Eine Koproduktion von www.maezenatentum.at und www.beseder-theater.com unterstützt vom Österreichischen Zukunftsfonds, der Stadt Wien und dem MAK.
Susanne Höhne, Vivienne Causemann, Jaschka Lämmert, Gebhard Heegmann, Gernot Heinrich, Anna Hauf, Katharina Adamczyk, Irene Suchy, Johanna Mertinz, Michael Mautner © Elisabeth Dietrich-Schulz
Viele Frauen und indirekt auch einige Männer werden im musikalisches Stationentheater zum internationalen Frauentag im MAK zum Leben erweckt.
Es beginnt mit himmlischer Musik „O viridissima virga / O allergrünster Zweig“ von Hildegard von Bingen, Vokalsatz: Michael Mautner. Die Akustik in der Neo-Renaissance-Eingangshalle des MAK ist ausgezeichnet. Das Ensemble Reihe Zykan + ist auf der Empore platziert. Rund 80 Personen im Parterre lauschen andächtig.
Die Publikumskarawane setzt sich in Bewegung. Es gibt viel zu wenige Klappstühle und der Raum bei den einzelnen Stationen ist für rund 80 Personen zu gering.
Was aber an Texten geboten wird, ist sensationell gut und berührt zutiefst:
Margarethe Schütte-Lihotzky – Ich bin keine Küche
Ein Monolog von und mit Johanna Mertinz
Bertha Pappenheim – Verflechtungen
Ein Dialog von Susanne Höhne mit Jaschka Lämmert und Vivienne Causemann
Friedl Dicker-Brandeis – Von der Freiheit in Theresienstadt
Ein Monolog von Irene Suchy mit Vivienne Causemann
Zwischen den Textpassagen erlebt das Publikum hautnah Musik von Mayako Kubo „Die Bauhäuslerinnen“, von Kurt Schwitters „Ursonate“, von Ilse Weber „Ein Koffer spricht“ und „Ich wandre durch Theresienstadt“ und von Laurie Anderson „The dream before“.
Margarethe Schütte-Lihotzky, Bertha Pappenheim und Friedl Dicker-Brandeis waren lange unbedankte Pionierinnen, unterschätzte und oft missbrauchte Schülerinnen, sie wurden Lehrerinnen und Role Models. Sie schafften es auf vielfältige Weise brauchbare und gefragte Kunst zu machen, das Leben der Menschen insbesondere der Frauen direkt zum Besseren zu beeinflussen. Sie waren Widerstandskämpferinnen und vertraten selbstbewusst ihre Meinungen. Durch ihre Karrieren als emanzipierte Künstlerinnen, Forscherinnen und Geschäftsfrauen, durch ihren Einsatz für Pazifismus, Gleichberechtigung und Bildung waren sie Vorkämpferinnen für Demokratie.
Alle drei Frauen kämpften nicht nur für sich, sondern für die Besserstellung aller Frauen. Objekte im MAK sind mit den Namen dieser Frauen verbunden, z.B. die „Frankfurter Küche“ der Margarethe Schütte-Lihotzky, die Spitzensammlung der Bertha Pappenheim oder der Stuhl Singer/Dickeis in der Abteilung Wien 1900. Das Stationentheater erweckt Hintergründe, Verflechtungen, Schicksale zum Leben.
Friedl Dicker-Brandeis war die missachtete Geliebte von Franz Singer. Sie durfte ihre Werke signieren, immerhin ihren Namen daruntersetzen, aber das Atelier führte er.
Margarethe Schütte-Lihotzky, bekannt als Schöpferin der Frankfurter Küche, wollte allen Menschen gute Wohnungen mit raumangepasstem Mobiliar schaffen, allen Kindern gute Kindergärten. Sie wird als Architektin zur Pionierin, später zur Widerstandskämpferin und durch glückliche Umstände zur Überlebenden der NS-Zeit und Zeitzeugin.
Bertha Pappenheim wurde unter dem Namen Anna O. weltberühmt als Patientin von Doktor Breuer und Fallgeschichte bei Sigmund Freud. Ihre Krankheit war der Wunsch aus der Monotonie des Frauenalltags auszubrechen. Als Leiterin eines Mädchenwaisenhauses hat sie zuletzt viel für Frauenbildung und Emanzipation geleistet.
Zeitgenössische Musik findet nicht immer leicht ihr Publikum. Das 2020 von Irene Suchy und Michael Mautner gegründete Vokal- und Instrumentalensemble Reihe Zykan + widmet sich speziell dem Humor und der Satire in der Musik und bezieht u.a. die Geräuschwelt von Alltagsgegenständen wie das Rascheln von Seidenpapier in die Musik ein.
Hingehen, Anschauen und Anhören und auf die nächste Gelegenheit zum Beispiel im MuTh warten!
Elisabeth Dietrich-Schulz