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WIEN / MUSA: AUF LINIE – NS-KUNSTPOLITIK IN WIEN

13.10.2021 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / WIEN MUSEUM im MUSA:
AUF LINIE
NS-KUNSTPOLITIK IN WIEN
Vom 14. Oktober 2021 bis zum 24. April 2022

Die ungeliebte Vergangenheit

Man weiß, wie totalitäre Staaten verfahren. Hierzulande endete der Spuk 1945. Was in den Jahren davor nach dem „Anschluß“ bis zum Kriegsende geschah, ruht in den Museen, speziell im Wien Museum, das nun auf einen Schatz alter Dokumente gestoßen ist. Was Akten erzählen können, sieht man in der darüber hinaus reich bebilderten Schau „Auf Linie“, die sich mit der NS-Kunstpolitik in Wien befasst. Da das Haupthaus am Karlsplatz noch immer restauriert wird, findet die Ausstellung erneut im Ausweichquartier MUSA neben dem Rathaus statt.

Von Renate Wagner

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Vorüberlegungen     „Was tun mit all der Nazi-Kunst, die in den Depots der Museen Mitteleuropas Platz beansprucht?“ fragt Matti Bunzl, der Chef des Wien Museums. Gut tausend Objekte lagern in den Sammlungen und Depots. Um sie wegzuwerfen, wie man es mit „unerwünschten“ Dingen eigentlich tun möchte, sind sie historisch zu relevant (außerdem ist das nicht die Aufgabe eines Museums). „Ausstellen“ wie Kunstwerke will man sie auch nicht. Wie befasst man sich also mit der NS-Kunst in Österreich zwischen 1938 und 1945? Vor allem kann man, wie die Kuratorinnen Ingrid Holzschuh und Sabine Plakolm-Forsthuber  feststellen, „die NS-Kunstproduktion nicht losgelöst von der NS-Politik betrachten“, denn es gab keine „unschuldige“ Selbstzweck-Kunst, alles war dem Ziel nationalsozialistischer Propaganda untergeordnet. Künstler sind also als Erfüllungsgehilfen zu zeigen. Die Gestaltungsidee für den gegliederten Großraum des MUSA bestand nun darin, vor allem Gemälde so glanzlos an Gitterwände zu hängen, wie sie in den Depots aufgewahrt werden. Anschauungsmaterial – nicht zu bewundernde „Kunst“.

NS Kultur     Im Gegensatz zu manchen demokratischen Regierungen heute wussten die Nationalsozialisten den Stellenwert von Kultur zu bewerten. Sie war für Propagandazwecke bestens geeignet, was allerdings bedingte, dass sie nur von reinen „Ariern“ betrieben wurde, zusätzlich von Parteimitgliedern, möglichst überzeugten Gesinnungsgenossen, um sich vor subversiven Elementen zu schützen. Es war die „Reichskammer der bildenden Künste“, die hier für Selektion und Linientreue sorgte, in der nunmehrigen „Ostmark“ so wie in Deutschland. Nur wer hier als „Mitglied“ aufgenommen wurde, durfte überhaupt arbeiten. Überzeugte Nationalsozialisten und Opportunisten, die ihr Überleben sichern wollten, beugten sich nolens volens diesen Geboten. Für viele Künstler, die bisher in der zweiten Reihe standen, ergaben sich durch den Wegfall der jüdischen Kollegen ungeahnte Möglichkeiten.

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Die Akten sprechen     Einige der aufgefundenen rund 3000 Akten der Mitglieder, teils wohl auch Zwangsmitglieder der Reichskammer werden ausgestellt, mit ihnen müsste man sich ausführlich befassen, was allerdings per Internet möglich ist. Die Nationalsozialisten machten es den Künstlern nicht leicht, unter die Auserwählten aufgenommen zu werden, die dann arbeiten „durften“. Sie mussten dann auch jene Bilder malen, die Nazi-Größen zeigten, die Staatsoper, Künstlerhaus, Burgtor Hakenkreuz-beflaggt in die Welt schickten, die Plakate gestalteten, die für eine „älpische Ostmark“ und gegen „Entartete Kunst“ warben.

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Von „abgelehnt“ bis „gottbegnadet“    Bis man Propagandakunst liefern durfte, mussten Fragebogen ausgefüllt werden („Wie viele dokumentarisch belegte arische Großeltern haben Sie?“), Gutachten wurden erstellt, Entscheidungen nach Willen der gleich geschalteten Beamtenschaft gefällt. Viele konnten ihre Gesinnung nicht glaubhaft genug machen und wurden abgelehnt, andere biederten sich dem Regime an.

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Wieder andere hatten das Glück, Hitlers persönlichen Geschmack zu treffen und unter die „Gottbegnadeten“ aufgenommen zu werden. Es finden sich berühmte Namen unter jenen, die auch für die Nationalsozialisten tätig waren, darunter Josef Hoffmann, einst König der Wiener Werkstätte, der den Nazis ein „Haus der Mode“ im Palais Lobkowitz aufbaute. Er war auch nach dem Krieg noch hoch geehrt.

Nachleben und Reputation     Die Ausstellung interessiert sich auch für das  „Nachleben“ vieler Künstler, die dem Nationalsozialismus verbunden waren. Es ist keine Neuigkeit, dass mancher der bildenden Künstler (wie man es auch von Politikern weiß, von Schauspielern, von Dirigenten) in das Kulturleben der Zweiten Republik schlüpfen konnte, wie beispielsweise Rudolf Eisenmenger, der nach dem Krieg den Eisernen Vorhang der Staatsoper gestaltete (bis Ioan Holender ihn entfernte), und der nach dem Krieg noch Ehrungen erhielt… Ein Beispiel für viele. Das Wien Museum möchte darum auch noch in einem Symposium die Frage stellen, ob es einen „richtigen“ Umgang mit NS-Kunst gibt.   

Wien Museum m MUSA
AUF LINIE
NS-Kunstpolitik in Wien
1010 Wien, Felderstraße 6–8
Bis 24. April 2022, Dienstag bis Sonntag und Feiertag, 10 bis 18 Uhr

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