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WIEN / mumok: DAS TIER IN DIR

24.09.2022 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / mumok:
DAS TIER IN DIR
KREATUREN IN (UND AUSSERHALB) DER MUMOK SAMMLUNG
Vom 22. September 2022 bis zum 26. Februar 2023 

Alles, was Angst macht

Tiere. Hunderln, Katzerln, Vogerln, was die Menschen halt so im Alltag erfreut. Stofftiere für Kinder, Tiere im Zoo. Der Begriff ist – allgemein unhinterfragt – positiv besetzt. Wer sich allerdings von konventioneller Tierliebe getrieben in die Ausstellung „Das Tier in Dir“ ins MuMok begibt, wird wohl enttäuscht werden, Künstler sehen die Beziehung Mensch – Tier durchaus kritisch und so gut wie nie positiv. Hier wird gezeigt, wie Tiere den Menschen zu Diensten sind und in oft perversen Beziehungen zu ihnen stehen. Darum sehen die Künstler auch Fleisch und Pelze, Häute, Zähne, Knochen, das man verwerten kann. Eine abgründige Welt.

Von Renate Wagner

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Das Konzept   Man könnte sich durchaus eine alternative Themenausstellung vorstellen, die nicht alle positiven Aspekte, die es zu Thema „Tier“ gibt, konsequent ausklammert. Aber hier ist man bei der modernen Kunst. Und die hat eben Kritisches und Böses zu sagen. Weil auch Kuratorinnen von heute – in diesem Fall Manuela Ammer und Ulrike Müller –  jene Aspekte ins Auge fassen, die im Tier nicht das Vertraute, sondern im Gegenteil das Fremde, Wilde und Bedrohliche sehen und damit die Möglichkeit bieten, „um über die Natur von Sex, Hunger und Zuneigung nachzudenken, über Familien- und Geschlechterbeziehungen, Sozialisation und Domestizierung und nicht zuletzt über die andauernde Wirkung von Kolonialgeschichte“.

Divergierendes auf drei Ebenen     Das MuMok, das heuer seinen 60. Geburtstag feiert (damals noch im 20er Haus beheimatet), kann mit dem Untertitel „Kreaturen in (und außerhalb) der mumok Sammlung“ auf drei Ausstellungsebenen eine beeindruckende Anzahl von Künstlern präsentieren, besitzt das Haus selbst doch an die 500 Werke, die mit Tieren in Beziehung stehen. Dazu kommen zahlreiche Leihgaben – eine bunte, allerdings in der Ausstellung nicht weiter kommentierte Schau, wo man sich ohne Anleitung von Werk zu Werk begeben muss und möglicherweise gelegentlich den Zusammenhang nicht erkennt.

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Mensch und Tier – mögliche Beziehungen      Die Beziehung zwischen Mensch und Tier reicht vom Spielzeug (die beliebten Plüschtiere für Kinder) bis zum Pelz, reicht aber auch bis in perverse zwischenmenschlich-tierische Beziehungen – ein Foto von VALIE EXPORT, das „Aus der Mappe der Hundigkeit“ stammt, zeigt einen Mann, der auf allen Vieren über die Straße kriecht – wie eine Inspiration für Ulrich Seidls Tiere-Film, ein Bild der ultimativen Erniedrigung. Maria Lassnig hat in dem Bild „Mit einem Tiger schlafen“ die erotische Phantasie einer Frau, über welcher ein gewaltiger, aber eigentlich schöner Tiger liegt, visualisiert. Die meisten der ausgestellten Kunstwerke sind befremdend und beängstigend. Eine humorvolle, wenn auch hintergründige Abwechslung bietet etwa Hilde Absalon, die aus Stoff einen hohen Bücherkasten geschaffen hat, in dem sich Katzen zwischen den Büchern räkeln – Tiere als Dekoration.

 

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Mensch und Tier – Verwertungen     Starkes Gewicht liegt auf der Verwertung des Tieres zum „Schmuck“ des Menschen, wobei auch mit dem Entsetzen Scherz getrieben wird – wenn Kiki Kogelnik in „Triangle“ zwei Damen von einer Schlange anzischen lässt, was angesichts der Angst, welche die meisten Menschen vor diesen Tieren empfinden, auch bedeuten mag, mit dem Entsetzen Scherz zu treiben. Die „Snake Lady“, die Jann Haworth geschaffen hat. trägt ihr schauriges Schlangenhaut-Outfit mit großer Selbstverständlichkeit… Und da sind auch noch die Pelze, Frauen, die sich heimlich zusammen finden, um Panther-Felle zu tragen (Gülsün Karamustafa), der titellose Tigeranzug, den Heimo Zobernig geschaffen hat, die Foto-Modeaufnahme für das Pelzhaus Foggensteiner (Elly Niebuhr) oder die hässliche Pelzmantelträgerin, die Helmut Prigann als „Die Wienerin“ bezeichnet…

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Mensch und Tier – zwischen den Zähnen…  Von Herman Prigann stammt auch das Bild „Begegnung“, wo zwei rote Monstertiere mit gefletschen Zähnen auf einander losgehen (was auch zum Plakat-Thema der Ausstellung wurde). Tatsächlich aber ist der Mensch des Tieres erster Feind – man weiß, dass Dora Kallmus, als sie in der Emigration in Frankreich nicht mehr jene Madame d’Ora war, die berühmte Menschen fotografierte, in die Schlachthöfe ging, um ihr Interesse toten Tieren zuzuwenden. Und ausdrucksvoller als Marcel Pouget in „Der Fleischesser“ kann man es nicht darstellen, wie der Mensch und das Tier, in das hineingebissen wird, quasi in einander übergehen.

 

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Fülle der Aspekte      Die Ausstellung ist viel zu reichhaltig, um alle Aspekte aufzuzählen, die angesprochen werden, und viele sind auch nicht so leicht zu interpretieren wie etwa Niki de Saint Phalle, die Napoleon eine Spinne in den Kopf setzt („Napoléon, Napoléon, tu as une araignée dans le plafond).Tatsache ist, dass die riesige blaue Spinne („Blaue Witwe“ von Piono Pascali), die den Zuschauer gleich zu Beginn begrüßt, ihm am Ende seines Spaziergangs als geradezu harmlos erscheint.

MuMok:
Das Tier in Dir – Kreaturen in (und außerhalb) der mumok Sammlung.
Bis 26. Februar 2023,
Dienstag bis Sonntag, 10 bis 08 Uhr

 

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