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WIEN / Metro Kulturhaus: MEISTERKLASSE

08.04.2016 | KRITIKEN, Theater

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Foto: Nurith Wagner-Strauss

WIEN / Metro Kulturhaus:
MEISTERKLASSE von Terrence McNally
Wiederaufnahme: 7. April 2016,
besucht wurde die Vorstellung am 8. April 2016

Es ist, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Ist es tatsächlich beinahe 20 Jahre her, dass man im Februar 1997 im Volkstheater erstmals der „Meisterklasse“ begegnet ist, die auf Anhieb ein Triumph war? Erstens, weil der amerikanische Dramatiker Terrence McNally hier eine geradezu raffiniert brillante Huldigung auf das „heilige Monster“ Maria Callas geschaffen hat. Und zweitens, weil Callas-Darstellerin Andrea Eckert in der Regie von Arie Zinger dermaßen die Erfüllung der Figur war, dass einem der Mund offen stehen blieb. Der Triumph hielt an, im Jahr 2000 gab es schon die hundertste Vorstellung der Produktion, am Ende waren es über 170 Vorstellungen, die an die 170.000 Zuschauer erreichten.

Und nun, im Jahr 2016, kommt diese „Meisterklasse“ wieder – am anderen Ort zwar, wobei das „Metro Kulturhaus“, eigentlich heute das Metro-Kino, einst ein Theater, immer ein Theater sein sollte, denn dieser anheimelnde Ort ist für Menschen wie geschaffen und nicht für die Schemen der Leinwand, die sich dort sonst tummeln. Dass die Protagonisten rund um die Callas, wie das „Meisterklasse“-Stück sie benötigt, wechseln – das war immer schon der Fall, und wenn man ehrlich ist, spielen sie auch nicht wirklich eine Rolle. Sie sind nur da, damit die Diva einen Hintergrund erhält, vor dem sie sich entfalten kann.

Und diese Diva ist nach wie vor Andrea Eckert, und sie sieht keinen Deut anders aus als vor zwei Jahrzehnten, ist keinen Deut weniger faszinierend, konzentriert, verblüffend, brillant, dabei bereit, sich (wie die Callas) für das Publikum die Seele aus dem Leib zu reißen. Noch immer diese verblüffend schlanke Figur im schwarzen Etui-Kleid, anfangs mit dem charakteristischen Kopftuch und der Brille, dann ganz ohne Accessoires, die sie nicht braucht, denn sie selbst ist „bis auf die Knochen“ die Figur, sie ist das Stück, sie ist der Abend.

Terrence McNally, ein großer Callas-Fan und Kenner, der nach eigener Aussage „ihre Genialität von Anfang an erkannt“ hatte, nachdem er sie 1956 bei ihrem Debut an der „Met“ erlebte, hatte schon 1989 die nicht minder brillante „Lissabonner Traviata“ geschrieben, die die Figur der Diva allerdings von außen umkreiste, in Reflexion ihrer leidenschaftlichen schwulen Fans, die ihre Leistungen bis in die einzelnen Töne diskutieren und „Callas-ologie“ zu einem Wissensfach machen, in dem einer den anderen übertrumpft.

In „Meisterklasse“ hat er nun die alternde Callas auf die Bühne gebracht, die Anfang der siebziger Jahre tatsächlich an der New Yorker Juilliard School einige Meisterklassen gab. Sie war damals bereits eine zutiefst einsame Frau, seitdem der Mann ihres Lebens, Aristoteles Onassis, im Jahre 1968 Jacqueline Kennedy geheiratet hatte – die Präsidenten-Witwe, mit der er sein Ego noch nachdrücklicher schmücken konnte als mit der berühmtesten Opernsängerin der Welt…

Das Stück funktioniert nun auf zwei Ebenen. Auftritt Callas, ihre Herablassung dem Pianisten und dem Bühnenarbeiter gegenüber, die ohnedies vor Ehrfurcht vergehen, und drei Schüler – die erste wird die Wahnsinnsarie der Amina aus „La Sonnambula“ versuchen, die andere die Lady Macbeth, der Tenor wird mit der ersten Arie des Cavaradossi zu reüssieren suchen. Die Callas vernichtet sie alle mit ihren hohen Ansprüchen – nicht nur an die „Kunst“ allein, an Verständnis und Vorbereitung der Sänger, was der ziemlich mediokre Nachwuchs nicht einmal versteht. Gewiß, die Callas (so wie McNally sie zeichnet) ist fies, auch sadistisch, aber sie sprüht dem Publikum den Gegensatz zwischen der Weltklasse-Interpretin und dem Durchschnitt nur so entgegen…

Die beiden Arien der Amina und der Lady muss sich das Publikum (und das ist nicht unbedingt ein Vergnügen) nicht nur von den jungen Sängerinnen anhören. In der Reprise kommt die originale Callas vom Tonband (großartig übrigens immer wieder, ihr zuzuhören) und die Bühnen-Callas geht in ihre Vergangenheit: Die verzweifelte Liebe zu Onassis, die Ehe mit dem braven Meneghini, aber vor allem der Kampf der hässlichen, dicklichen jungen Frau mit der Jahrhundert-Stimme, die sich nicht nur mit eiserner Entschlossenheit auf den großen Opernbühnen der Welt durchsetzte, sondern sich auch in den schönen Schwan verwandelte, der dann den reichsten Reeder ihrer Epoche (der sich aus Oper nichts machte) gewann. Und wieder verlor.

Da blättert die Ikone, als die Andrea Eckert aufgetreten ist, Stück für Stück ab und die verzweifelte Frau bleibt, die in ihren Bühnentriumphen gelebt hat und im wahren Leben von ihren Niederlagen gepeinigt wurde. Das Erlebnis ist so stark wie vor zwei Jahrzehnten. Diese Geschichte hat den absoluten Vorteil, dass sie immer gleich bleibt, nicht altern kann, immer faszinieren wird, wenn man sie richtig spielt. Und die ideale Interpretin hat man in Wien ja wohl.

Renate Wagner

Weitere Vorstellungen: 9., 14., 22. und 23. April 2016, jeweils 19.30 Uhr, im Metro Kinokulturhaus, Johannesgasse 4

(Wenn man Glück hat, bekommt man nachher bei der Staatsoper noch ein Stück Oper mit, die jetzt wieder „live auf den Platz“ übertragen wird, an diesem Abend war es, bei mildem Regen, das „Schlaue Füchslein“….)

 

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