WIEN / Leopold Museum:
WIEN UM 1900
KLIMT – MOSER – GERSTL – KOKOSCHKA
Vom 18. Jänner 2018 bis zum 16. Juni 2018
Feiern mit dem „Liebestrank“
Eines der bedeutendsten Bilder, die das Leopold Museum in seiner jüngsten Ausstellung „Wien um 1900“ zeigt, ist „Der Liebestrank“ (Tristan und Isolde) von Kolo Moser aus den Jahren 1913 bis 1915 – und von der Thematik her natürlich auch für Musik- und Opernfreunde bedeutend. Überhaupt steht jener Kolo Moser neben den größeren Namen von Gustav Klimt, Richard Gerstl und Oskar Kokoschka, denen die Ausstellung je einen Raum widmet, unweigerlich im Zentrum. Elisabeth Leopold selbst ist angetreten, dem Künstler seinen Rang anzuweisen… und lädt das Publikum ein, „mit dem Liebestrank zu feiern“.
Von Heiner Wesemann
1918 – Jahr der Tragödien Hundert Jahre danach häufen sich die „Gedenktage“, ungeachtet dessen, dass es lauter tragische Ereignisse waren, die damals das Geschehen prägten. Der Erste Weltkrieg neigte sich seinem Ende zu und brachte das Ende der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, die immerhin ein (wenn auch gescheiteter) Versuch gewesen war, verschiedene Völker friedlich zusammen zu schmelzen. Und die Kunstszene verzeichnete Verluste ohnegleichen unter den Männern, die „Wien um 1900“ einen Aufschwung geschenkt hatten, wie er heute noch nachleuchtet: Die Maler Gustav Klimt und Egon Schiele starben ebenso wie der Architekt Otto Wagner und jener Kolo Moser, den man aus heutiger Sicht nur als „Allround-Künstler“ erster Ordnung bezeichnen kann.
Koloman Moser Elisabeth Leopold ist es, die den Schwerpunkt dieser Ausstellung auf Kolo Moser (1868-1918) legt, in der wohl richtigen Überlegung, dass dieser von seinen großen malenden Zeitgenossen „erdrückt“ und überschattet und möglicherweise als „Gebrauchskünstler“ nicht ausreichend geschätzt wird. Dabei ist es gerade diese Vielseitigkeit, die Moser so besonders macht – nicht nur ein durchaus eindrucksvoller Maler der von ihm mit begründeten Secession, sondern auch als Mitbegründer der „Wiener Werkstätte“ ein Künstler, der das Alltagsgesicht der Epoche mitprägte – mit Wohnungseinrichtungen, mit Geschirr und Glas (wobei er sich stets der neuesten Techniken bediente), mit Entwürfen zu allem, was benötigt wurde, die Dinge „neu“ zu machen, seien es Tapeten oder Geldscheine. Er arbeitete viel für Otto Wagner, dekorierte etwa prachtvoll mit Golddekor eines von dessen Wienzeilen-Häusern, war auch mit Werken für die Kirche am Steinhof befasst (was für ihn allerdings zu viel Ärger führte). Ein viel beschäftigter, hoch produktiver, künstlerisch einfallsreicher Mann – so ist der erste, Kolo Moser gewidmete Raum ein „Wohnzimmer“ von 1900 geworden, mit Möbeln, Bildern, Einrichtungsgegenständen, die alle durch ihre Eleganz bestechen. Wobei die von ihm neu erfundene Einfachheit nach der Üppigkeit des Historismus teils auf glatte neue Sachlichkeit verwies, teils aber auch ein Rückgriff auf das Biedermeier erschien. Elisabeth Leopold hat für diesen Teil der Ausstellung ein Büchlein über Koloman Moser in der Reihe „Junge Kunst“ des Verlags Klinkhardt & Biermann vorgelegt.
Klimt Bedenkt man, dass das Leopold Museum selbst noch in diesem Jahr eine „Solo-Ausstellung“ für Gustav Klimt (1862-1918) veranstalten wird, ist vielleicht nicht völlig einsichtig, dass er auch in dieser Ausstellung aufscheint – es sei denn, aus dem logischsten aller Motive, dass nämlich er es ist, der automatisch die meisten Besucher anzieht. Alles, was nicht Kolo Moser betrifft, hat Leopold-Direktor Hans-Peter Wipplinger gestaltet, und hier begibt er sich (auch in der Beschränkung auf nur wenige Werke) ganz abseits der Klischees – keine schönen Damen, keine ins Auge springenden Gold-Ornamente, sondern Rares, auch Kleines, Diskretes in Landschaften und Porträts, und im Zentrum jenes große „Tod und Leben“-Gemälde, in dem Klimt dem düsteren Schiele so nahe ist, wie er nur sein konnte.
Kokoschka Oskar Kokoschka (1886-1980) war mit seinem Geburtsdatum ein „Später“, noch ein Teenager im Jahr 1900. Und doch kann man ihn nicht zuletzt durch seine Mitarbeit bei der Wiener Werkstätte „Wien um 1900“ zuordnen. Seinen Höhepunkt erreichte er allerdings nicht in der Welt von Secession und Jugendstil, sondern in jener des Expressionismus. Auch das eine Entscheidung des Direktors, die nicht a priori einleuchtet, zumal er auch Werke Kokoschkas aus den dreißiger und vierziger Jahren zeigt. Rund um die Büste von Kokoschkas Kopf, die Alfred Hrdlicka so eindrucksvoll schuf, geht man hier in den Epochen schon ein paar Schritte weiter.
Gerstl Richard Gerstl (1883 bis 1908) zählt zu den Galionsfiguren des Leopold Museums, das mehr seiner Gemälde besitzt als jedes andere Haus. Manches war zu der großen Ausstellung in der Schirn-Halle in Frankfurt gewandert (wo der Besucher aus Österreich eine bedauerliche Erkenntnis mitnehmen musste: Die parallele Matisse-Ausstellung in der Schirn hatte mindestens zehnmal so viele Besucher, kam man von den „lockeren“ Gerstl-Räumen, fand man sich bei Matisse im Gedränge…), Nun hat das Leopold Museum seine beiden großen Selbstbildnisse als ganzer und halber Akt wieder, die zweifellos zu den eindrucksvollsten Arbeiten des Künstlers zählen und den absoluten Blickfang dieses Raumes darstellen.
Verlustmeldung Das Leopold Museum hatte lange Zeit eine permanente Kostbarkeit zu bieten: Das gesamte oberste Stockwerk hatte sich in eine „Wien um 1900“-Landschaft verwandelt, wo das Haus seinen schier grenzenlosen Schatz an Gemälden und Skulpturen mit Möbeln und Accessoires aller Arten dekorierte. Es war eine unvergleichliche Wunderwelt, in die man jeden Wien-Gast schicken konnte – und die nun verschwunden ist. Einerseits um einer Ausstellung der Horten-Sammlung Platz zu machen, andererseits, weil das Leopold Museum auf seinen Dach einen „Libellen“-Aufsatz erhält (wozu, das wissen die Götter). Auf die Frage, ob „Wien um 1900“ in aller Form „unter dem Dach“ wiederkehrt, meinte Frau Professor Leopold: „Vielleicht 2019?“ Wie heißt es doch bei Shakespeare? „Ein Ziel, aufs innigste zu wünschen.“
Leopold Museum, bis 10. Juni 2018, geöffnet täglich außer Dienstag: 10 – 18 Uhr, Donnerstag: 10 – 21 Uhr