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WIEN / Leopold Museum: TILLA DURIEUX

13.10.2022 | Ausstellungen, KRITIKEN

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Leopold Museum / Zweites Untergeschoß:
TILLA DURIEUX.
EINE JAHRHUNDERTZEUGIN UND IHRE ROLLEN
Vom 14. Oktober 2022 bis zum 27. Februar 2023

Die Schauspielerin und die Künstler

Nach landläufigen Schönheitsbegriffen war sie – hässlich. Sie würde „keinen Mann kriegen“, befürchtete ihre Mutter. Tilla Durieux hat dreimal geheiratet, und sie hat mit dem Kapital ihres ungewöhnlichen Aussehens gewuchert. Keine Schauspielerin wurde öfter von den großen Künstlern ihrer Zeit gemalt, gezeichnet und modelliert. „Es ist eine Kunstausstellung“, betont denn auch Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopold Museums, wo man sich der gebürtigen Wienerin widmet. Das faszinierende Gesicht der Durieux in zahllosen Variationen von der Jugend bis ins hohe Alter :Wahrlich nicht nur Theater-, sondern auch Kunstgeschichte.

Von Renate Wagner

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Tilla Durieux     Den Künstlernamen wählte sie nach ihren hugenottischen Vorfahren, aber tatsächlich wurde Ottilie Godeffroy am 18. August 1880 (den August-Geburtstag teilte sie mit Kaiser Franz Joseph, allerdings 50 Jahre nach diesem) in den wohlhabenden Wiener Mittelstand hineingeboren. Wien hat dann in ihrem Leben keine besondere Rolle gespielt, obwohl sie gelegentlich hier auftrat. Ihre große Karriere als Schauspielerin machte sie vor allem in Berlin, wo man mehr auf Interessantheit als Schönheit setzte – was sie mit ihrem Lieblingspartner Paul Wegener gemeinsam hatte. Ihre großen Rollen waren denn auch die Modernen, die Schockierenden, die Verführerinnen – die Salome des Oscar Wilde, die den Odysseus bezaubernde Circe bei Calderon, Potiphars Weib in der Josephslegende. Aber auch Wedekinds Lulu, Hofmannsthals Elektra, Hebbels Judith oder die Lady Macbeth waren ihr auf den Leib geschrieben. Die Machtübernahme durch die Nazis zerbrach ihre Karriere, nach dem Krieg allerdings erregte sie auf deutschen Bühnen als alte Frau hohe Bewunderung. Da konnte sie auch in Film und Fernsehen nachholen, was sie durch ihre Theatertätigkeit vor dem Krieg vernachlässigt hatte. Eine Paraderolle wurde der Monolog einer Putzfrau, „Langusten“ (1960. da war sie 80) – er kann in der Wiener Ausstellung per Video (und Kopfhörer) zur Gänze betrachtet werden.

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Drei Ehemänner – und die Kunst    Tilla Durieux war dreimal verheiratet, und stets spielte die Kunst eine Rolle. Ihr erster Mann wurde 1903 der zu seiner Zeit durchaus angesehene, aus Breslau stammende Maler Eugen Spiro. Obwohl sie sich nach  zwei Jahren scheiden ließen, hat er sie of porträtiert – ein Gemälde im Klimt-Stil als „Dame mit Hund“ zeigt die Tendenz, sie zu „verschönen“. Tilla Durieux verließ Spiro für den gleichfalls aus Breslau gebürtigen Kunsthändler Paul Cassirer, den sie 1910 heiratete. Er war damals in Berlin einer der einflussreichsten Männer seiner Zeit, wenn es um Kunst ging – und dass so gut wie alle berühmten Maler damals irgendwann Tilla Durieux poträtierten, ging auch auf seinen Stolz auf die berühmte Gattin zurück (so schickte er sie nach Paris, damit Renoir ihr Bild malte). Durieux und Cassirer waren eines der glanzvollsten Paare von Berlin, ihre Kunstsammlung war legendär. Doch Cassirer kam als gebrochener Mann aus dem Ersten Weltkrieg zurück, und als seine Frau die Beziehung nicht mehr ertragen konnte (Alkohol, andere Frauen) und die Scheidung einreichte, nahm er sich 1926 das Leben. Auch Ehemann Nr.3, der deutsche Unternehmer Ludwig Katzenellenbogen, hatte mit Kunst zu tun – vor allem durch seine erste Frau, die eine große Sammlerin war. Er begegnete Tilla Durieux im Cassirer-Umkreis, die beiden waren schon während ihrer Ehe zusammen und heirateten 1930. Der jüdische Gatte, an dem sie festhielt, zwang auch sie ins Exil, wo sie nach vielen Umwegen von Katzenellenbogen getrennt wurde, der 1944 im Berliner Jüdischen Krankenhaus verstarb. Nach schwierigen Jahren der Emigration kam Tilla Durieux in den fünfziger Jahren nach Deutschland zurück.

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In den Augen der Künstler     Die vielen Gesichter der Tilla Durieux, die in der Ausstellung  im Leopold Museum zu sehen sind, differieren stilistisch ungemein – weil jeder Künstler sie mit seinen Augen und seinem künstlerischen Temperament sah. Wie „erkennbar“ ist sie, wenn Auguste Rodin sie 1914 im Ballkostüm der Eliza Doolittle malte (sie kreierte die Rolle in Shaws „Pygmalion“ für Berlin) und sie seinem schönen, weichen Frauentyp anpasste? Zwei Jahre davor hatte Max Oppenheimer sie gemalt (das Bild ist im Besitz des Leopold Museums und begrüßt den Besucher der Ausstellung beim Eintreten frontal) und ihr interessantes Gesicht ohne Beschönigung eingefangen.

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Die berühmtesten – ja, weltberühmten – Bilder der Durieux schuf Franz von Stuck um 1912, als sie die Circe spielte (und die Aufregung so groß war, dass vom Zirkus um die Circe die Rede war). Sechs Versionen gibt es, Augen, Mund, Haltung die reine Herausforderung, flirrende Erotik. Das Leopold Museum kann fünf der Werke, großteils aus Privatbesitz geholt, nebeneinander hängen – fast eine Sensation. Ähnlich bekannt sind die Bilder von Max Slevogt, der sie (in exzentrischer Rückenansicht) als Weib des Potiphar und als hingegossene Kleopatra malte. Besonders bemerkenswert das Bild von Olaf Gulbransson, einer der wenigen, der die Durieux „frontal“ zeichnete, weil normalerweise ihr Profil viel effektvoller war.  Im übrigen begegnet man ihr aus der Sicht von Nolde,  Corinth oder Kokoschka (sie fand die Sitzung schrecklich, meinte, sie sähe auf der Lithographie aus wie ein Maori). Immer wieder und unglaublich ehrlich, jenseits jeder Beschönigung, hat Emil Orlik sie eingefangen. Und zahlreich sind die Büsten (darunter von keinem Geringeren als Barlach).

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„Repräsentativ und dekorativ“   Kuratorin Daniela Gregori hat drei Jahre an dieser Ausstellung gearbeitet und das imposante Ergebnis umfasst 233 zusammengetragene Werke, darunter 14 Gemälde, 16 Skulpturen, 81 Papierarbeiten und 84 Fotografien. Und dabei blieben immer noch Wünsche offen – das Ölgemälde, das Oskar Kokoschka von der Durieux angefertigt hat, wurde so oft wiederverkauft, dass es heute nicht mehr aufzufinden ist… Doch das Ergebnis der Schau ist imposant, zumal erfolgreich versucht wurde, die Gemälde mit zahlreichen  Fotografien zu ergänzen. Die Durieux hat durchaus auf ihr Bild in der Öffentlichkeit Wert gelegt, sich selbst auch als Stilikone zelebriert, und in der Vorkriegszeit schien sie omnipräsent, sie hat sich zahllose Male auch vor der Fotokamera in wirkungsvolle Positur gestellt.

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Die alte Frau     Es ist, wie gesagt, eine Kunstausstellung, keine biographische, obwohl es zahlreiche Dokumente gibt, aber vom Standpunkt der Theaterwissenschaft und der Zeitgeschichte wäre die Darstellung wohl anders ausgefallen (auch in ihrem sozialen Engagement, das sie lebenslang zeigte). Von der alten Tilla Durieux – immer noch viel beachtet, oft fotografiert und künstlerisch gestaltet,  sieht man jene Halskette, die sie für die Leistungen bedeutender Schauspielerinnen gestiftet hat und die sie 1967 noch der ersten Trägerin, ihrer Partnerin Maria Wimmer, um den Hals gelegt hat. Alle zehn Jahre wandert die Kette weiter – die derzeitige Trägerin Gabriela Maria Schmeide hat sie für die Ausstellung zur Verfügung gestellt. Rührend die Bilder der uralten Durieux – ein langes Leben, dessen Zeitzeugenschaft sich hier in der bildenden Kunst spiegelt.

Leopold Museum / Zweites Untergeschoß:
TILLA DURIEUX. EINE JAHRHUNDERTZEUGIN UND IHRE ROLLEN
Bis zum 27. Februar 2023,
täglich außer Dienstag 10 bis 118 Uhr

 

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