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WIEN / Leopold Museum: MORIZ NÄHR

04.09.2018 | Ausstellungen, KRITIKEN

WIEN / Leopold Museum:
MORIZ NÄHR
FOTOGRAF DER WIENER MODERNE
Vom 24. August 2018 bis zum 29. Oktober 2018

Eine Schatzkammer

Das zweite Untergeschoß des Leopold Museums ist derzeit ganz auf Fotografie eingestellt. Neben der opulenten Schau zu Madame d’Ora hat man nun ein Zimmer für Moriz Nähr (1859 – 1945) eingerichtet. Nur ein großer Raum – aber eine Schatzkammer. Nähr, der als Person weit weniger in den Vordergrund trat als andere Fotografen seiner Zeit, kann aber auf ein dickes „Promi“-Portfolio hinweisen: „Offizieller“ Fotograf der Secession, Schöpfer der berühmtesten Bilder von Gustav Klimt und Gustav Mahler, schließlich in enger Verbindung mit der Familie Wittgenstein. Kurz, Nähr ist für die Dokumentation seiner Epoche von besonderer Bedeutung.

Von Heiner Wesemann

Moriz Nähr Geboren am 4. August 1859 am Spittelberg als Sohn eines Hausherrn und Möbelhändlers, einer von vielen Söhnen, versuchte Nähr mehrere Ausbildungen, darunter auch als Maler. Die Ausstellung zeigt auch ein bemerkenswertes gemaltes Selbstporträt aus dem Jahre 1930. Obwohl er das Studium an der Akademie abbrach, wirken auch viele seiner Fotografien „wie gemalt“ – “ – als absichtsvolles Pendant zu den Arbeiten der Wiener Stimmungsimpressionisten. Als 30jähriger wurde er Berufsfotograf, beteiligte sich an Ausstellungen. Aufträge kamen aus dem Kaiserhaus, er fotografierte Kaiser Franz Josef bei der Jagd, später vielfach Thronfolger Franz Ferdinand (inmitten der von ihm en gros hingemetzelten Jagdbeute). Als „Reproduktionsfotograf“ der Secession kam es zur Freundschaft mit Gustav Klimt. Aber er widmete sich auch intensiv der Betrachtung der Stadt Wien, schuf über Jahrzehnte Stadtbilder. In den zwanziger Jahren wurde die Familie Wittgenstein ein bedeutender Auftraggeber. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg beendete er 1937 als 78jähriger seine berufliche Tätigkeit. Wie er durch den Krieg kam, weiß man kaum: Biographisch ist noch einiges rund um diesen grundsätzlich bescheidenen Mann zu erforschen. Nähr starb am 7. Mai 1945 in Wien.

Von Schwerpunkt zu Schwerpunkt Die von Uwe Schögl (eine „Leihgabe“ der Österreichischen Nationalbibliothek) gestaltete Ausstellung führt geschickt durch verschiedene Themen. Zuerst Nähr selbst, in vielen fotografischen Selbstporträts, darunter auch mit humoristischem Aspekt – im Ornat mit „Reichsapfel“ in der Hand oder in theatralischer, vielleicht Nestroy nachgestalteter Pose. Es folgen mehrere seiner ungemein poetischen „Natur“-Fotografien und seine dokumentarischen, aber dennoch mit „liebendem“ Blick gestalteten Stadtansichten und „Volksszenen“.

Die Stars der Epoche Es ist zahllose Male reproduziert worden, warum? Weil es kaum ein besseres Foto von Gustav Mahler gibt als jenes, das Moriz Nähr 1907 schuf, die Hände in die Hüften gestützt, der Blick seitwärts, aggressiv, entschlossen – so, wie man den Hofoperndirektor kannte, der sich gerade in diesem Jahr trotzig von Wien abwandte. Eine Schwester Wiesenthal (nicht Grete, sondern Elsa) steht in wunderbar „inszenierter“ Pose vor der Kamera, und in der Folge gibt es zahlreiche Beispiele, wie die Herren der Secession sich in originellen Gruppenbildern für Nähr vor der Kamera drapierten.

Der Meister der Interieurs Als quasi Hausfotograf der Secession war Nähr dafür zuständig, die Räume von ihren Ausstellungen zu fotografieren – unendlich wichtige Dokumente, weil nur so auch die Zusammenstellung der Kunstwerke überliefert wird. Nähr war mit Gustav Klimt so eng befreundet, dass es von ihm das gibt, was man heute „Homestories“ nennen würde – Blick in die Wohnungen und Gärten des Künstlers, ob in der Josefstadt, ob in Hietzing. Sein Foto von Klimts Vorraum zu seinem Josefstädter Atelier hat man seither in mancher Ausstellung „nachgebaut“ gesehen. Ähnlich sind die Einblicke, die man Nähr in das Innere der Villa Stonborough-Wittgenstein verdankt. Er hat nicht nur viele Mitglieder dieser berühmten, reichen Unternehmer-Familie fotografiert (darunter „klassische“ Ansichten des Philosophen Ludwig), sondern auch die moderne Kühle des Interieurs.

Was wir von Klimt wissen Es ist vielleicht das berühmteste Foto von Gustav Klimt, der Maler in seinem charakteristischen Arbeitskittel, ein Kätzchen in den Armen, skeptisch und doch freundlich in die Kamera blickend. So hat Moriz Nähr seinen Freund im Jahre 1911 verewigt – im vollen Wortsinn. Im übrigen versucht die Ausstellung, inhaltliche Bezüge zwischen zwei Künstlern herzustellen – wenn Klimts „Tannenwald“ neben einem durchaus ähnlichen Foto von Nähr steht (das allerdings mehr als zehn Jahre früher entstanden ist), überzeugt das eher als „Schloß Kammer“ im Zusammenhang mit einer Fotografie von Laxenburg. Man kann auch überinterpretieren. Überbewerten kann man Moriz Nähr kaum: Was sich in dem Raum des Leopold Museums versammelt, sind sehenswerte, bewundernswerte Meisterstücke der Fotografie.

Leopold Museum:
Moriz Nähr. Fotograf der Wiener Moderne
Bis 29. Oktober 2018, täglich außer Dienstag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr

 

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