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WIEN / Leopold Museum: JAPAN – FRAGILITÄT DES DASEINS

28.09.2012 | Allgemein, Ausstellungen

WIEN / Leopold Museum:
JAPAN – FRAGILITÄT DES DASEINS
Meisterwerke aus der Sammlung Genzō Hattori
Vom 28.September 2012 bis zum 04.Februar 2013

Eintritt in eine andere Welt

Fremd und faszinierend zugleich – diesen Effekt übt japanische Kunst auf Europäer immer wieder aus. Das war schon bei der Wiener Weltausstellung von 1873 so, als man ihr erstmals umfangreich begegnete, das geschah wieder 1900 im Rahmen der Wiener Secession, wo sich die Einflüsse auf die Künstler dieser Epoche genau nachzeichnen lassen. Seither hat es immer wieder Ausstellungen japanischer Kunst gegeben – so viele Meisterwerke auf engstem Raum wie diesmal will man allerdings, so Tobias Natter, der Direktor des Leopold Museums, kaum je auf einem Fleck gesehen haben. Die Einladung zur Meditation vor der Fragilität des Daseins und einer geradezu metaphysischen Betrachtung der Welt ist gegeben.

Von Renate Wagner

Nicht nur die Vergangenheit Gewiss, dass das Leopold Museum durch glückliche Umstände etwa 50 Meisterwerke aus der Privatsammlung Genzō Hattori auswählen und ausstellen darf, bedeutet die zentrale Sensation dieses Ausstellungsangebots. Aber Diethard Leopold, als Sohn des verstorbenen Museumsgründers Rudolf Leopold in vorderster Linie tätig, hat sich als kenntnisreicher Kurator (er hat in seiner Jugend mehrere Jahre in Japan verbracht) nicht nur auf die Vergangenheit beschränkt. Wie schon in anderen Ausstellungen gibt er programmatisch der Gegenwart mit den Werken von Zeitgenossen Raum, räumt der Fotografie eine Wand ein – und greift in den Sammlungsschatz der eigenen Familie. Der Begriff „Japan“ wird solcherart weit gefasst.

Mit Seiko zur Kunst „Seiko“ bedeutet seit dem 19. Jahrhundert eine japanische Uhr von Weltruf. Der 1964 verstorbene Sammler Genzō Hattori, war der Sohn des Mannes, der dieses Unternehmen begründet hatte. Dessen Schwiegertochter wiederum lebt seit 30 Jahren in Wien. Es ist ihre Wahlheimat, wie Diethard Leopold Japan als seine Wahlheimat bezeichnet. So durfte er aus der Sammlung auswählen, und er tat es unter den interessierten Augen der Japaner. Denn, wie Akio Tanaka, ehemaliger Botschafter in Österreich und Mitarbeiter der Ausstellung, bei der Pressekonferenz sagte, der Blick der anderen bedeutet stets eine Bereicherung.
Wenn es sich bei den ausgewählten Werken vor allem um Tuschmalereien (Sumi-e) und Kalligraphien (Shodō) handelt, so hat Kurator Leopold diese auf ungewöhnliche Art zu Gruppen zusammen gestellt: Es sind Stimmungen und Lebensgefühle, von „stark, kräftig“ über „leichten Sinns“ oder „geheimnisvoll“ bis zum „Nichts“. Es gibt viele, teils geradezu verschwebende Landschaften, seltsame Menschen, fragmentarische Blicke auf die Welt, deren philosophischer Aspekt fast spürbar wird. Dass diese Werke allerdings aus acht Jahrhunderten stammen, das wird sich – mit möglichen stilistischen und thematischen Wandlungen – der Normalbesucher mit detaillierter Erkenntnis kaum „erarbeiten“ können. Schließlich ist der durchschnittliche Ausstellungsbesucher ja zu 90 Prozent kein Kenner der japanischen Kunst – und solcherart ist dieser teils impressionistische (und jedenfalls natürlich hoch ästhetische) Zugang zur dieser Zauberwelt zweifellos sinnvoll. Man muss nicht alles verstehen, man kann es auch auf anderer Ebene aufnehmen. Was vermutlich ohnedies dem Geist dieser Kunst entspricht.

Was „Leopold II“ beisteuert Man weiß, dass Rudolf Leopold nur einen Teil seiner Sammlung ins Museum gegeben hat und privat weiter sammelte, oft auf Gebieten, die man gar nicht mit ihm, den Schiele- und Österreich-Spezialisten, in Zusammenhang brachte. Japan gehörte offenbar dazu. Aus der Leopold-Sammlung stammen die exquisiten, kostbaren „Netsuke“ (kleine Schnitzfiguren aus Halbedelstein), die die Ausstellung ebenso bereichern wie erotische Holzschnitte. Eines der berühmtesten Bilder der japanischen Kunst ist die „Die große Welle von Kanagawa“ des legendären Hokusai, die ebenso einen Blickfang bildet wie die No-Masken.

Fotos: das „wahre Leben“ Es ist eine ergreifende Serie von gar nicht großformatigen Farbfotografien, die Katsuhiro Ichikawa unter dem Motto „Daily Life / Fukushima 1998-2006“ beisteuern darf. Wie der Fotograf bei derPressekonferenz erzählte, hat in dieser Gegend, die später durch den Reaktorunfall verseucht und unbewohnbar wurde, die Familie seiner Frau gelebt. Es sind ganz schlichte Motive des täglichen Lebens, von der Ackerfurche bis zu Alltagsgegenständen im Haus, die hier eingefangen sind und zeigen, dass es zu den größten Geschenken an den Menschen zählt, einfach „normal leben“ zu dürfen – was den ehemaligen Bewohnern von Fukushima, die man in Provisorien ausgesiedelt hat, nun verwehrt ist.

Die Gegenwart – Referenz und Reverenz Kurt Spurey, Roman Scheidl, Margit Hartnagel, Marko Zink und Kyoko Adaniya-Baier wurden ausgewählt, um ihre „Kommentare“ zur japanischen Kunst abzugeben, Referenzen zu setzen (so wie Kyoko Adaniya-Baier mit einem ganz schlichten Kimono aus Hanf, Seide, Baumwolle und Hopfenblüten) oder Reverenz zu erweisen (wie etwa Kurt Spurey mit seiner „Silvercloud“-Teeschale). Die Anregungen im zweiten Untergeschoß des Leopold Museums sind zahlreich.

Bis 4. Februar 2012, täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr, an Donnerstagen bis 21 Uhr

 

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