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WIEN / Leopold Museum: HUNDERTWASSER – SCHIELE

23.02.2020 | Ausstellungen, KRITIKEN

WIEN / Leopold Museum:
HUNDERTWASSER – SCHIELE
IMAGINE TOMORROW
Vom 21. Februar 2020 bis zum 31. August 2020

Die Wahlverwandten

Wer „Hundertwasser“ sagt, denkt an Spiralen – Markenzeichen und Erfolgsgeheimnis eines Mannes, der die meiste Zeit seines Lebens durch vielfältige Aktivitäten im Bereich der Ökologie, des Bauens, der Naturgestaltung jegliche Aufmerksamkeit auf sich zog. Ganz abgesehen von seinem malerischen und graphischen Werk. An Egon Schiele hätte man im Zusammenhang mit ihm nicht gedacht. Und dennoch wird anlässlich von Hundertwassers 20. Todestag im Leopold Museum genau diese Schiene gelegt – was nicht schwer fällt, wenn man sich auf eine Aussage wie „Ich liebe Schiele“ berufen kann. Und wenn es in der Ausstellung gelingt, den bewussten inneren und äußeren Zusammenhang der beiden Künstler, so wie von Hundertwasser angestrebt, nachzuzeichnen.

Von Heiner Wesemann

Egon Schiele und Hundertwasser   Egon Schiele starb im Jahr 1918, ein 28jähriges Genie, das zum Zeitpunkt seines Todes zwar bekannt war, aber noch nicht so berühmt, wie er nach dem Zweiten Weltkrieg werden sollte (damals mit starker Hilfe von Rudolf Leopold, dem Gründer und Direktor des Leopold Museums – der auch 40 Gemälde und mehr als 190 Papierarbeiten von Hundertwasser kaufte!). Friedrich Stowasser, später als Friedensreich Hundertwasser bekannt ((1928–2000) wurde zehn Jahre nach Schieles Tod geboren, konnte obwohl Halbjude das Nationalsozialistische System überleben (im Gegensatz zu vielen seiner Verwandten) und begann als Zwanzigjähriger das Kunststudium. Gleich zu Beginn „fand“ er Schiele und wandte seine besondere „Zuneigung“ dessen Werk zu. Gerade bei den Frühwerken hat man den Eindruck, er habe sich (magisch?) von Schiele an der Hand nehmen und ins eigene Künstlertum führen lassen.

„Ich liebe Schiele“     1951 verfasste er den Text „Ich liebe Schiele“. Wichtig war für Hundertwasser, der auch seine radkial-protestierenden Jahre hatte, Schiele auch diesbezüglich als Vorbild – auch er wäre im Gefängnis gewesen, erklärte er. Nacktheit hatte auch in Hundertwassers Jugendjahren noch ihr aufrührerisches Potential… Unter dem seltsamen Titel „Der Nasenbohrer und die Beweinung Egon Schieles” stellte er 1965 den Künstler in den Mittelpunkt eines Bildes, wo man das von Ornamenten durchzogene Männergesicht allerdings nicht als „Schiele“ erkennen würde.

Im unmittelbaren Vergleich   Dafür, wie bewusst er sein eigenes Können an dem Vorbild paraphrasierte, bietet die Ausstellung gleich im ersten Raum überzeugende Beispiele – an Selbstporträts (ein frühes von 1951 blickt auf Schiele von 1912), an formalen Ähnlichkeiten (wenngleich die „Spiralen“ in Schieles „Toter Mutter“ etwas weit hergeholt sein mögen), an der Zerlegung von Form in kleinteilige Ecken, worin Hundertwasser Schiele folgte, oder in der Magie der Landschaftsbetrachtung. Auch in Stadtansichten sind spürbar Parallelen auszumachen. Wo immer Hundertwasser lebte, ob in Wien, in Paris, in Venedig oder Neuseeland, stets war er von Reproduktionen von Schiele-Werken umgeben.

Imagine tomorrow     „Imagine tomorrow“ hat Leopold-Direktor Hans-Peter Wipplinger die von ihm gestaltete Ausstellung genannt, konnte auf den Reichtum des Hauses an Schiele-Werken zurückgreifen und insgesamt 196 Exponate, davon 71 Gemälde, zusammen bringen. Reichlich wird auch die Beziehung Hundertwasser zu Schiele dokumentarisch belegt. Ein Film bietet ausführlich Dokumente und Selbstzeugnisse zu Hundertwasser – schließlich geht es anlässlich seines Todestages auch vordringlich um ihn.

Der Künstler und die Magie    So, wie die Intensität von Schieles Werk weit über jeden Realismus hinaus ging, empfand auch Hundertwasser sich als Künstler und sein Werk als etwas „Magisches“. Die Idee der beseelten Natur und die Betrachtung des schöpferischen Künstlers als „Prophet“ hat er von Schiele übernommen bzw. traf sich hier in seinem innersten Wesen mit dem „Wahlverwandten“. Die Ausstellung kann diese „Korrespondenzen“, wie Hans-Peter Wipplinger sie nennt, nun anhand von Themenschwerpunkten nachzeichnen. Freilich, manches ist dann Hundertwasser „pur“, etwa Schiffe, Wasser, Meer, seine zentralen Motive.

Und doch findet man beispielsweise bei Naturstudien immer wieder Verwandtschaften, die nicht zwanghaft herbei interpretiert, sondern organisch gewachsen scheinen. Es ist seine Ablehnung der „geraden Linie“, die der „Spiralen-Maler“ Hundertwasser nicht zuletzt mit Schiele gemeinsam hat.

Der Katalog     Der von Hans-Peter Wipplinger und von Kurator Robert Fleck im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, herausgegebene Katalog ist ein für Bewunderer beider Künstler unentbehrliches Werk, die Gegenüberstellungen verblüffen in ihrer Fülle, können im Detail betrachtet werden. Dazu kommt der genaue Blick, den man auf die Vielfalt von Hundertwassers Ornamentik werfen kann, die ja eine Zeit lang in der Kunstwelt auch leicht verächtlich betrachtet wurde. Heute ist der Künstler nicht nur als Maler und Graphiker, sondern auch in seinen vielen Eigenschaften – als Ökologe, als Umweltgestalter – geschätzter denn je, ist er damit doch dem Zeitgeist voraus gewesen. Hier liefert der Katalog den biographischen Umriß.

Leopold Museum:
HUNDERTWASSER – SCHIELE
IMAGINE TOMORROW
Bis 31.August 2020,
Täglich außer Dienstag: 10 bis 18 Uhr
Donnerstag: 10 bis 21 Uhr
Juni, Juli, August: täglich geöffnet!

 

 

 

 

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