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WIEN / Leopold Museum: HAGENBUND

16.09.2022 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Leopold Museum: 
HAGENBUND
VON DER GEMÄSSIGTEN ZUR RADIKALEN MODERNE
Vom 16. September 2022  bis  zum 6.Februar 2023 

Künstler auf Wanderschaft

Der im Jahr 1900 in Wien gegründete „Hagenbund“ ist medial neben anderen Künstlervereinigungen seiner Zeit  eher untergegangen. Dafür gibt es viele Gründe, aber die Nachwelt hat auch immer wieder versucht, gerade diesen Künstlern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Nach Ausstellungen im Wien Museum und im Belvedere, die allerdings schon Jahrzehnte zurück liegen, widmet sich nun das Leopold Museum denjenigen, die bis 1938 die österreichische Kunst „von der gemäßigten zur radikalen Moderne“ führten, wie es der Untertitel der Ausstellung formuliert, bevor das Dritte Reich das Licht ausdrehte.

Von Renate Wagner

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Der „Hagenbund“ – warum?     Die erste Frage lautet, warum der „Hagenbund“ verhältnismäßig wenig bekannt geblieben ist. Hauptsächlich liegt es wohl daran, dass die „Secession“, drei Jahre davor begründet, damals alles überstrahlte – mit einem dezidierten Stilwillen, Konzepten und prickelnden Persönlichkeiten. „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“ hätte auch als Motto über dem „Hagenbund“ stehen können, aber es war schon vergeben – und vor allem hat sich diese Institution durch keinerlei wirksame Statements ausgezeichnet. Man begehrte von den Mitgliedern auch keinen vorgegebenen Stil (den die Secession so effektvoll bediente), und vor allem widersprach es dem demokratischen Duktus, der hier waltete, dass Persönlichkeiten per se in den Vordergrund traten (wie bei den Secessionisten vor allem Gustav Klimt).

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Dazu kam, dass die alt ehrwürdigen Herrschaften des Künstlerhauses, von denen sich der „Hagenbund“ abspaltete, „ihr“ Haus hatten, die Secessionisten ihr Haus (gebaut von Olbrich, ein Jahr nach der Gründung) bekamen, das bis heute zu den spektakulären Wahrzeichen Wiens gehört. Der „Hagenbund“ durfte eine zeitlang in einer ehemaligen Markthalle, der Zedlitzhalle, ausstellen, die der Architekt Josef Urban für sie umgestaltet hatte (und die es heute nicht mehr gibt), verloren aber dieses Quartier und mussten sich in der Folge für ihre Ausstellungen jeweils einmieten. Künstler auf Wanderschaft.

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Wer waren sie?    Der „Hagenbund“ war nicht nur eine vazierende, sondern auch eine fluktuierende Künstlerverbindung, und wenn (heute) große Namen eine zeitlang dazu gehörten wie Oskar Kokoschka, Anton Faistauer, Anton Kolig oder Albert Paris Gütersloh, dann wird die Nachwelt sie nicht durch ihre Zugehörigkeit zum „Hagenbund“ definieren. Auch war die Mitgliederzahl von 22 am Beginn zu immerhin 266 im Lauf der Zeit angewachsen.Tatsache ist, dass die Großausstellung im ersten Untergeschoß des Leopold Museums überdurchschnittlich viele Namen beinhaltet, die heute über keinen Bekanntheitsgrad verfügen, zu ihrer Zeit aber von Relevanz waren.

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Chronik und  Schwerpunkte    Das Archiv des Hagenbundes haben die Nazis zerstört, als sie die Vereinigung auflösten, aber die Ausstellung kann dennoch Dokumente liefern. Im Kaffeehaus begann’s – der berühmte Fotograf Moritz Nähr lichtete die Gründungsmitglieder vor dem Café Sperl ab, man traf sich auch im Wirtshaus des Herrn Haagen , der den Namen für den Bund beisteuerte. Die Ausstellung, kuratiert von Direktor Hans-Peter Wipplinger persönlich und Dominik Papst, bietet hauptsächlich Gemälde (ein großer Teil stammt aus den Beständen des Hauses), aber weicht auch etwa zur Keramik eines Michael Powolny und zu diversen kleinen Plastiken (etwa von Franz Barwig) ab. Die ausgesprochen reichhaltige, sich in Europa vernetzende  Ausstellungstätigkeit des Bundes wird am Ende mit einer Plakate-Sammlung dokumentiert, aber der „Hagenbund“ war auch schon 1908 bei den Festlichkeiten zum 60. Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Josph dabei. Von da führt der Weg mit einigen geschickt gesetzten Schwerpunkten durch die Zeiten, wo man sich anfangs noch mit den üblichen Genres wie etwa der Landschaftsmalerei abgab, bis die Themen schärfer wurden. Neben Werken zu Esoterik oder Religion wird es in den zwanziger Jahren, im „Roten Wien“, ausgesprochen hart und politisch. Aber auch die Unterhaltungswelt der wilden Zwanziger kommt zu Wort. Individualitäten standen im Vordergrund, nicht die Pflicht, einem vorgegebenen Stil zu entsprechen, das macht die Diversität des Gebotenen aus, das nicht auf einen Nenner zu bringen ist.

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Die Vielfalt der Formen     War es die Schwäche des „Hagenbundes“, dass die Werke seiner Mitglieder nicht auf Anhieb „erkennbar“ waren wie jene der Secessionisten?  Oder war es ihre Stärke, dass alles möglich war, dass sich in der Ausstellung also alle –ismen, die die Zeit mit sich brachte, vertreten sind, manche stärker (Expressionismus), manche ganz stark (die Neue Sachlichkeit), manche schwächer (Kubismus, Abstraktion), etwa auch zart angedeutete Surrealität etwa bei Oskar Laske. Die „radikale Moderne“, die der Untertitel postuliert, vermag man allerdings nicht zu finden…

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Signatur-Werke    Einige der hier ausgestellten Gemälde, sind zu „Signaturbildern“ geworden, so das Bild von Bettina Ehrlich Bauer, das sie zu Kreneks Oper „Johnny spielt auf“ malte und das jeder, der sich für Musik interessiert, kennt. Und so, wie Carry Hauser den Dichter Franz Theodor Csokor malte, nicht strahlend-selbstbewusst, sondern grübelnd in sich selbst versunken, ist das Abweichen von der Tradition deutlich zu erkennen. Dass das Leopold Museum auch Schieles Blickfang-Meisterwerk „Eremiten“ hier zeigt, weist darauf hin, dass der „Hagenbund“ immer wieder Gäste zu seinen Ausstellungen heranzog.    

Frauen im „Hagenbund“     Sie waren zwar keine „echten“, aber korrespondierende Mitglieder, die Frauen, denen man hier liberal weit mehr Platz einräumte, als damals üblich. So finden sich die Namen Emilie Mediz-Pelikan (neben dem ihres Gatten), Johanna Kampmann-Freund, Greta Freist oder Helene Funke, wobei es Lilly Steiner ist, die – wenn auch nur mit zwei Bildern – besonders ins Auge sticht: das Selbstporträt, das sie zwischen Staffelei und Bilderrahmen zeigt, und das geradezu magischen Porträt von Lilian Gaertner mit den unwiderstehlch großen, fragenden Augen…

WIEN / Leopold Museum: 
HAGENBUND
VON DER GEMÄSSIGTEN ZUR RADIKALEN MODERNE
Bis  zum 6.Februar 2023,
täglich außer Dienstag 10-18 Uhr 
Ein umfangreicher Katalog bildet alle der rund 200 gezeigten Werke ab

 

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