WIEN / Leopold Museum:
GESCHÄFTE MIT KOPIEN
DER „FOTOGRAFISCHE KUNSTVERLAG OTTO SCHMIDT“
Vom 20. Mai 2022 bis zum 28. August 2022
Die Ausstellung ist eine Kooperation zwischen dem Leopold Museum und dem Photoinstitut Bonartes
Schöne Dame – vielfach verwertet
Was immer der Mensch erfindet, er wird versuchen, ein Geschäft daraus zu machen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es erstmals gelungen, ein „Foto“ auf Papier zu bannen, aber es war ein langer Weg, bis Fotografie in den sechziger Jahren dann zu einer Profession werden konnte. Schnell erkannte man, dass ein Foto nicht ein Produkt ist, das es – wie ein Gemälde – nur einmal gibt. Man konnte Negative beliebig oft abziehen, bearbeiten, auf verschiedenste Art verkaufen. In Wien tat das Otto Schmidt als Fotograf, Verleger, Händler und Druckformatenhersteller. Das Leopold Museum widmet dem „Fotografischen Kunstverlag Otto Schmidt“ eine Ausstellung unter dem Titel „Geschäfte mit Kopien“.
Von Renate Wagner
Otto Schmidt Schmidt, geboren 1849 in Gotha, kam als Student nach Wien an die Kunsthochschule, wollte vielleicht Maler werden, driftete aber in die Fotografie ab. Er bewies Unternehmergeist mit einem sommerlichen Porträtstudio in Bad Hall, war auch in Wien vielfach als Fotograf tätig, erst für andere Auftraggeber, dann für sich selbst. Neben „Wiener Typen“ und „Wiener Straßenszenen“ wurden Aktfotos seine Spezialität. Die Vielfachverwertung von Motiven in verschiedenen Bildmappen, dann Zeitschriften, auf Postkarten war lohnend. Die Ausstellung hat die Wände mit Abbildungen des „Illustrierten Katalogs“ von Otto Schmidt gepflastert, wo er 1895 nicht weniger als 1800 verschiedene Bildmotive anbieten konnte. Warum er seine Firma, die nach und nach selbst (und auf damals hohem technischen Niveau) produzierte, 1903 an Eduard Büchler verkaufte, konnte auch Kurator Michael Ponstingl, der jahrelang an dem Thema recherchiert hat, nicht herausfinden. Immerhin konnte sich Schmidt nach Hietzing zurückziehen und dort bis 1920 seinen Lebensabend verbringen. Seine Frau starb wenige Monate nach ihm, beide sind auf dem Hietzinger Friedhof begraben.
Nackt verkauft sich Mit rund 8000 Aktfotos lag Otto Schmidts Schwerpunkt auf diesem Genre – vorgeblich als „Studienobjekte“ (etwa für Maler, die sich kein lebendes Aktmodell leisten konnten). Tatsächlich sind, wenn man genau hinsieht, alle Arten von Aktfotos vertreten, von unschuldsvoller Verlockung bis zu heftigen Sexszenen, auch Gruppensex, auch nackte Männer für diesbezüglich Interessierte. Die weiblichen Modelle können von der Nachwelt nicht identifiziert werden, es handelte sich wohl vordringlich um arme Mädel, die solcherart schnell ein wenig Geld verdienen konnten. Wobei Schmidt, wenn sie schon da waren, sie vielfach benützte – auch für seine „Wiener Typen“ oder als opulent gekleidete Damen, wenn er Szenen im Makart-Stil nachstellte und Treppen, Balustraden oder Fotografiermöbel als Dekoration wählte. Die blanken Aktfotos wurden meist unter dem Tisch in Wirtshäusern oder in Trafiken verkauft, und Schmidt befand sich damals mit einem Fuß im Kriminal. Dennoch hat sein Nachfolger Büchler 1907 einen opulenten Band „Der Wiener Akt“ heraus gebracht. Das Aktfoto-Material, das er später teuer verkauft hat, taucht bis heute noch in Bildbänden (über „Nudes“) auf….
Die Schindlers und die Thimigs Natürlich ging man damals auch zum Fotografen, um sich auf diese vergleichsweise billige Art und Weise porträtieren zu lassen – die Reichen hatten natürlich andere Adressen als Otto Schmidt, der in der Münzwardeingasse im Armenviertel Gumpendorf nicht eben nobel logierte. Doch hatte er prominente Kunden: Im Fall des Malers Emil Jakob Schindler, der seine Töchter – eine davon, noch klein, wurde die berühmte Alma Mahler-Werfel – regelmäßig fotografieren ließ, gibt es die nicht zu erklärende Tatsache, dass es auch Nacktfotos der kleinen Mädchen gibt…
Offenbar eng verbunden war Schmidt mit dem Burgschauspieler (und zeitweiligen Direktor des Hauses) Hugo Thimig. Er war so etwas wie sein Leibfotograf, schuf ganze Serien, in denen sich der Darsteller in verschiedenen, oft komischen Posen präsentierte.
In der Welt von Makart Schmidt, der neben Menschen auch Landschaften, Architektur und Kunstgewerbe fotografierte, was ebenso vielfach in Büchern und auf Postkarten zu vervielfältigen war, sprang natürlich auf jeden Zug auf. Nicht nur, dass er Makart-Gemälde von halbbekleideten „Darstellern“ nachstellen ließ, von ihm stammen auch einige Fotos vom echten Makart-Festzug, wo sich die echten kostümierten Mitglieder der Parade (ein „Goldschmied“, ein „Uhrmacher“, ein „Gürtler“) dann bei ihm im Atelier einfanden. Abgesehen davon, dass die Fotos und deren Verwertung durch Schmidt, obwohl keinerlei künstlerische oder sozialpolitische Absicht dahinter stand, dennoch als Zeitzeugnisse hoch wichtig sind, hat er mit den Bildern der echten (und nicht nur gemalten) Herrschaften des Festzugs auch seinen Beitrag zur bildlichen Fixierung von Kunstgeschichte geleistet.
Die Naschmarktfrau Die Ausstellung zeigt etwa am Beispiel einer Naschmarktfrau, einmal nur das Originalfoto der „Öbstlerin“, dann als „Wiener Type“ vielfach eingesetzt, u.a. dann als die „Frau Sopherl vom Naschmarkt“, dann für einen Buchumschlag nachgezeichnet oder auf das Titelblatt einer Zeitschrift gesetzt, was man aus einem Foto alles machen konnte. Es war eine künstliche, „gestellte“ Welt, die Bedürfnisse befriedigte. Aber auch das sagt schließlich viel über eine Zeit aus.
WIEN / Leopold Museum:
GESCHÄFTE MIT KOPIEN
DER „FOTOGRAFISCHE KUNSTVERLAG OTTO SCHMIDT“
Bis zum 28. August 2022, täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr